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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Frauenstudium
Das passive Wahlrecht ist den Frauen im deutschen Kommunalwesen nirgends gegeben. Ähnlich wie in Deutschland liegen die Verhältnisse in Österreich. - In England erhielten die Frauen auf Veranlassung John Brights schon 1869 das aktive Wahlrecht bei den städtischen Wahlen allgemein, während sie es bis dahin nur für die nichtinkorporierten Städte besehen hatten. Das gleiche Recht wurde ihnen 1888 für die Wahlen zum Grafschaftsrat verliehen. Indessen ist das Wahlrecht der Frauen bei Stadtrats- und Grafschaftswahlen insoweit beschränkter als das der Männer, als verheiratete Frauen ganz ausgeschlossen sind und die unverheirateten nur wählen dürfen, soweit sie Mieter oder Besitzer eines Hauses sind. Die TTTTT von 1894 aber erteilte den Frauen für die Gemeinderats- und Distriktsratswahlen nicht nur das aktive, sondern auch das passive Wahlrecht in gleichem Umfange, wie es den Männern zusteht, sobald sie über eigenen steuerpflichtigen Besitz verfügen, und machte sie wählbar zu Armenpftegern. Selbst vom Vorsitz in den Gemeinde- oder Distriktsräten sind sie nicht ausgeschlossen, nur dürfen sie die Funktionen des Friedensrichters nicht ausüben. Als Armenpfleger waren seit dem Sommer 1895 bereits 900 Frauen thätig. Die Berechtigung, in die Schulräte zu wählen und gewählt zu werden, besitzen die Frauen bereits seit 1870, und in diesen Körperschaften entfalten sie eine umfangreiche Thätigkeit. In Schottland wurden in den 1.1881 und 1882 die Frauen, soweit sie Hausbesitzerinnen sind, für die Gemeinderatswahlen stimmberechtigt. - In den Vereinigten Staaten von Amerika sind die Frauen zu den Gemeindewahlen nirgends zugelassen, ausgenommen Wyoming und Kansas, wo sie aber nur zu bestimmten Wahlen aktiv wie passiv berechtigt sind. Wohl aber besitzen sie in größter Ausdehnung das Wahlrecht für bestimmte Verwaltungszweige, besonders für die Leitung des Schulwesens. Für die Schulverwaltung sind die Frauen in dem größten Teil der Unionsstaaten wählbar, doch nur in 15 von ihnen sind sie bei Schulwahlen stimmberechtigt. In der Mehrzahl der Provinzen Canadas haben die Frauen seit kurzem das aktive Gemeindewahlrecht ebenfalls errungen, zuerst in Ontario 1884. Die Bedingungen sind in den einzelnen Provinzen verschieden. Soweit in Ontario die Gemeinderatsbeschlüsse dem Referendum der Steuerzahler unterworfen sind, haben auch die Frauen das Recht, am Referendum sich zu beteiligen. An den Schulwahlen nehmen sie aktiv und passiv teil. In Australien kennt das Gemeindewahlrecht keinen Geschlechtsunterschied. - In Schweden sind nur die unverheirateten Frauen gleich den Männern bei den Gemeindewahlen stimmberechtigt. Mit diesen zusammen wählen sie auch für die Kreistage. Wählbar sind Frauen zu Gemeindearmenräten, nur in Stockholm auch zur Schulkommission. In Finland haben dieFrauen das aktive Wahlrecht in Land- und Stadtgemeinden, in Norwegen nur zu den Schulverwaltungswahlen. In Rußland wählen die Frauen als Grundbesitzerinnen in Landgemeinden wie in den Städten durch Stellvertreter. Im Kanton Bern wurde 1885 das den steuerzahlenden Frauen bis dahin zugestandene Gemeindewahlrecht wieder aufgehoben.
Bemerkenswert ist es, daß die deutsche Arbeiterversicherungsgesetzgebung in Bezug auf Wahlberechtigung einen Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht macht. Die Gleichheit der Pflichten ließ hier, wo es sich nur um Vermögensinteressen handelt, eine nach dem Geschlecht verschiedene Bemessung der Rechte unthunlich erscheinen. Hingegen hat das deutsche Gesetz vom 29. Juli 1890 den grauen das Stimmrecht bei den Gewerbegerichtswahlen, das ihnen bis dahin an manchen Orten eingeräumt gewesen war, verweigert, obwohl nicht erkennbar ist, warum die in der gewerblichen Arbeit dem Manne gleichgestellte Frau nicht auch an der Wahl ihrer Richter in Arbeitsstreitigkeiten teilnehmen soll. In Italien bat denn auch das Gesetz über die Gewerbegerichtswahlen von 1893 den Frauen nicht nur das aktive, sondern selbst das passive Wahlrecht zugestanden. In Frankreich erhielten sie durch das Gesetz von 1892 in Bezug auf das fakultative Sühne- und Schiedsverfahren in Gesamtstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern wenigstens das aktive Wahlrecht in denjenigen Gewerben oder Industrien, in welchen Frauen beschäftigt werden.
Litteratur. I. Pierstorff, Frauenarbeit und Frauenfrage (im "Handwörterbuch der Staatswissenschaften", Supplementbd. 1, Jena 1895); Ostrogorski, TTTTT (in "TTTTT", Dez. 1891); Das Gemeindewahlrecht der Frauen in Deutschland und Das Wahlrecht der Frauen im Auslande (in der "Neuen Zeit", Jahrg. 10, Bd. 1, TTTTT. 1892); Lily von Gizycki, Zur Beurteilung der Frauenbewegung in England und Deutschland (Berl. 1896); Jules Duboc, Fünfzig Jahre Frauenfrage in Deutschland (Lpz. 1896).
* Frauenstudium. Das F., das außer in der Schweiz seineHauptpflege in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Australien und England gefunden hat, erlangte auch in den jüngst verflossenen Jahren weitere Ausdehnung. Immerhin wurde im März 1896 in Oxford von der Versammlung aller Graduierten die Erteilung der Grade an die im übrigen zu allen Universitätsprüfungen zugelassenen Frauen noch mit 215 gegen 1-10 Stimmen abgelehnt, weil man ihnen den an den beiden alten Universitäten Englands mit der Graduierung verbundenen Zutritt zu allen Ehren, Ämtern, Stellen und Würden nicht gewähren wollte. In der gleichen Angelegenheit steht für den Herbst 1896 in Cambridge eine Entscheidung bevor.
Eine besonders segensreiche Thätigkeit entfaltet England durch Entsendung zahlreicher weiblicher Ärzte zur Behandlung der ind. Frauen, denen die herrschenden religiösen Anschauungen verbieten, sich Männern anzuvertrauen. In ihrer Thätigkeit unter der ind. Bevölkerung werden die engl. Ärztinnen durch einheimische Frauen, die teils auf engl., teils auf ind. Universitäten für den ärztlichen Beruf ausgebildet werden, unterstützt. Im J. 1893 wirkten drüben in 57 Frauenkliniken und Frauenhospitälern nicht weniger als 331 weibliche Ärzte. Neben 12500 Kranken im Hospital wurden 600000 außerhalb behandelt. Eine besondere Gesellschaft sorgt dafür, daß die höhern Mädchenschulen durch die Aufnahme des Lateinischen und der Mathematik unter die obligatorischen Fächer den Anforderungen, welche die Universitäten stellen, Rechnung tragen und die Mädchen befähigt werden, sich den vorgeschriebenen Aufnahmeprüfungen zu unterziehen.
In Frankreich wurde zuerst das mediz. Studium den Frauen 1868 eröffnet, später auch die übrigen Zweige. Im J. 1893 gab es an der Pariser Universität unter nahezu 12000 Studierenden 343