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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gelenk- und Muskelmechanik - Gemeindesteuern
lich nach Deutschland begeben, deinen Anspruch anf
freies G. haben geheime, d. h. nicht öffentlich er-
mächtigte Agenten. (^?. auch Gesandter.)
Gelenk- und Muskelmechanik, ein Zweig
5er mediz. Physik, der sich mit der Mechanik der
menschlichen und tierischen Bewegungen befaßt.
Vom Standpunkte der Physik sind die Bewegungen
der Lebewesen maschinelle Bewegungen' sie sind
daher in ähnlicher Weise zu analysieren, wie die der
technischen Maschinen, doch fordert die Aufgabe
entsprechend der Eigenart der organischen Bewe-
gungseinrichtungen eine besondere Behandlung.
Die G. n. M zerfällt in drei Abschnitte. Die
Kinematik fragt nach der Art oder Form der Be-
wegung im geometr. Sinne, gleichgültig dnrch welche
Kräfte sie herbeigeführt wird. Die Bewegung findet
statt zwischen den einzelnen Gliedern des Körpers,
soweit sie durch Gelenke (s. Gelenk, Bd. 7) miteiw
ander verbunden sind. Die Gelenke der Lebewesen
unterscheiden sich von den Maschinengclenken durch
eine viel größere Bewegungsfreiheit sowie dadurch,
daß die thatsächlich vorhandene Zwangsläufigkeit
nicht in der Form der Gelenkflächen allein begründet
ist, sondern dnrch die Thätigkeit der bewegenden
Muskeln wesentlich mitbestimmt wird. Dies ist
Möglich, weil die beweglichen Glieder nicht mit
starren, sondern elastischen Stücken (den Gelenk-
tnorpeln) aneinander stoßen. Ist die mögliche Ve-
wegungsform für ein gegebenes Gelenk festgestellt,
so entsteht die Frage nach dem Drehungsbestreben,
das die Muskeln oder äußere Kräfte, wie namentlich
die Schwere, darauf ausüben, speciell welche Kräfte
und wo sie angebracht werden müssen, damit Gleich-
gewicht besteht. Dies ist Aufgabe der Muskel-
statik, die um so verwickelter ist, als das Drehungs-
bestreben eines Muskels nicht nur von seiner augen-
blicklichen Spannung, sondern auch von der Gelenk-
stellung abhängig ist, in der er zu wirken beginnt.
Die Muskeldynamik endlich fragt nach den Be-
wegungen, welche infolge der Thätigkeit eines oder
mehrerer Muskeln und eventuell auch äußerer
Kräfte thatsächlich eintreten. Diese Bewegungen
hängen von den wirkenden Kräften und deren
Drehungsbestreben, insbesondere aber auch von der
mechan. Beschaffenheit der zu drehenden Körper
(von ihren Massen, ^chwerpunktslagen und Träg-
heitsmomenten) ab. Bei der Behandlung der dyna-
miscbcn Fragen sind die wirkenden Muskelkräfte
unbekannt und müssen aus den stattfindenden Be-
wegungen einerseits, aus Größe, Dimensionen und
Verteilung der Massen andererseits erschlossen wer-
den. Ist diese Aufgabe gelöst, so ist auch die von
den Muskeln geleistete Arbeit zu berechnen.
Die Untersuchung der möglichen Bewegungs
formen eines Gelenkes ist Aufgabe der Anatomie.
Hm diese Seite der Frage baben sich namentlich die
Anatomen Henke und von Meyer verdient gemacht.
Wie aber angedeutet, sind aus der Form der Gelenk-
enden die im Leben stattfindenden Vewegnngcn
noch nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Dazu be-
darf es ergänzender Untersuchungen am Lebenden,
für welche dnrch W. Braune und O. Fischer die erakten
Grundlagen geschaffen wurden. Die Massenver-
teilung im Körper und die damit zusammenhängen-
den Fragen sind außer von den genannten noch von
Vorelli und Harleß in Angriff genommen worden.
Für die Feststellung der stattfindenden Bewegungen
haben die Gebrüder Weber den wichtigsten Schritt
gethan. In neuerer Zeit hat fich zu diesem Zwecke
die Photographie in den Händen von Muyoridge,
Marey, Anschütz, Longe, Braune und Fischer'zu
einem wichtigen Hilfsmittel entwickelt. Die theore-
tischen Fortschritte in der Bewegungslehre sind
namentlich A. Fick und O. Fischer zu danken.
Die Aufgabe, die menschlichen Bewegungen
mechanisch zu analysieren und die dabei geleistete
Arbeit zu bestimmen, hat ein sehr großes praktisches
Interesse für die Heilkunde, die Kriegswissenschaft,
den Sport, die Entwicklung der Flugtechnik u. s. w.
Die Stadt Paris hat daher dem Physiologen Marey
ausschließlich zu diesem Zwecke ein trefflich einge-
richtetes Laboratorium zur Verfügung gestellt.
Gelincksches Backverfahren, Gelincksches
Kornbrot, s. Brot und Brotbäckerei.
^ Gelsenkirchen, Stadtkreis (seit I.April 1896),
hat (1895) 31582 (16394 männl., 15188 weibl.) E.,
darunter 17904 Katholiken, 12833 Evangelische,
187 andere Christen und 658Israeliten, ferner 1640
bewohnte Wohnhäuser, 6182 Haushaltungen und
14 Anstalten, d. i. eine Zunahme seit 1890 um
3525 Personen oder 12,56 Proz. Die Zahl der Ge-
burten betrug 1895:1655, der Eheschließungen 356,
der Sterbefälle (einschließlich Totgeburten) 917.
Die Stadt besitzt ein neues prächtiges Rathaus von
Wiethase. Die elektrischen Straßenbahnen der Br-
chnm-Gelsenkirchener Straßenbahnen nach Bahnhof
Bismarck (3km), Schalke (8,7km) und Wattenscheid
wurden 1895, diejenigen nach Wanne (8,2 km) und
Hteele (8 km) 1896 eröffnet.
* Gemeindesteuern. Hand in Hand mit der
Änderung der persönlichen Staatssteuern (s. Ein-
kommensteuer, Bd. 5, und Ergänzungssteucr, Bd. 6)
und der Überweisung der realen Staatssteuern an die
Gemeinden haben die Gemeindeabgaben in Preußen
(s. d. ^Finanzwesens Vd. 13) eine vollständige und,
abgesehen von Hohenzollern, auch eine einheitliche
Neuordnung durch das Kommunalabgabengesetz vom
14. Juli 1893 und die zu diesem erlassene Novelle vom
30. Juli 1895 erfahren. Sie beruht auf folgenden
Grundgedanken: Die Gemeinde bildet mit ihren
Verkehrs-, Wohlthätigkcits- u. s. w. Anstalten einen
vorzugsweise wirtschaftlichen Verband; daher sind
ihre Bedürfnisse nicht nur nach dem für die Staats-
steuer allein durchführbaren Princip der Leistungs-
fähigkeit, sondern, soweit möglich, nach dem Grund-
satze von Leistung und Gegenleistung aufzubringen.
Dieses wird erreicht durch Ausbildung der Gebühren
und Beiträge und der indirekten Besteuerung. Die
Besteuerung ist, abgesehen von den nicht lediglich
auf finanziellen Gesichtspunkten beruhenden Hundc-
und Lnstbarkeitssteuern, überhaupt nur insoweit
zugelassen, als der Genieindebedarf nicht durch an-
derweitige Einnahmen aus Vermögen, gewerblichen
Unternehmungen, Gebühren und Beiträgen gedeckt
wird. Unter den Steuern gehen die indirekten den
direkten vor, nur der nicht schon durch jene gedeckte
Bedarf ist durch diese aufzubringen. Von den ver-
schiedenen direkten steuern sind wieder in erster
Linie die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer, die
vom Staate aufgegeben sind, heranznziehen, die Per-
sonalsteuern aber, die jetzt (abgesehen von der wenig
einträglichen Hausiersteuer und der Eisenbahnab-
gabe) die einzigen direkten Staatssteuern sind, mög-
lichst zu ermäßigen. Durch Bestimmungen über
Freilassung und geringere Heranziehung der Lebens-
bedürfnisse und untern Einkommensklafsen wird das
Gesetz socialen Anfordernngen gerecht. In zahl-
reichen Fällen bedürfen die Gemeindeabgaben bc-