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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Militärpflicht - Militärstrafrecht
sen und Württemberg beschränkt er sich nach den be-
treffenden M. auf Ritteilung an die Monarchen,
die ihrerseits dieselben abzustellen und dem Kaiser
hiervon Anzeige zu erstatten haben. Ferner ist den
Ossizieren des sächs. und württemb. Armeekorps
vertragsmäßig die Teilnahme an der preuß. Kriegs-
akademie gewährleistet. Nach der Reichsverfasjung
(Art. 64) hat der Kaiser die Befugnis, die für den
Reichsdienst (Reichsfestungen) erforderlichen Offiziere
aus jedem Kontingent zu entnehmen. Mit Württem-
berg ist jedoch vereinbart, daß vorher mit dem König
ins Benehmen getreten werde, und mit Sachsen,
daß davon nur Gebrauch gemacht werden soll, wenn
damit eine Beförderung verbunden wird. Aus
jenem kaiserl. Rechte erklärt sich, daß die Personal-
und Qualifikationsberichte über die Stabsoffiziere
des sächs. und württemb. Armeekorps an den Kaiser
eingesendet werden. Hessen, Baden, Mecklenburg,
Oldenburg, Thüringen, Anhalt haben die Husiche-
rung, daß bei allen Versetzungen und Anstellungen,
die ihre Kontingente angehen, ihre Wünsche nach
Thunlichkeit zur Berücksichtigung gelangen.
Die den Staaten mit eigenen Truppen erhaltenen
Rechte sind im übrigen folgende: Nach der Reichs-
verfassung (Art. 63) sind die Staaten bezüglich der
Bekleidung zur Annahme der Grundfarben und des
Schnittes der preuß. Armee verpflichtet; Sachsen
und Württemberg bestimmen im übrigen also die
Gesamtuniform selbständig, nur hat sich Württem-
berg verpflichtet, dabei den Verhältnissen der Reichs-
armee möglichst Rechnung zu tragen. Aber auch
den Staaten, die keine eigenen Kriegsmimsterien
haben, sind Besonderheiten bezüglich Helmzier,
Kokarde, Schärpe, Portepee, Epauletten, Achsel-
stücke und Achselklappen zugestanden. Diese beson-
dern Abzeichen sind sogar meist von allen Angehö-
rigen des betreffenden Kontingents ohne Rücksicht
auf ihre Staatsangehörigkeit zu tragen.
Die Befugnisse, welche nach der Neichsoersassung
(Art. 66) die Bundesfürsten über alle in ihrem
Gebiet dislocierten Truppen haben, seien dies nun
eigene oder fremde, sind durch die M. unberührt.
Es ist in denselben nur näher bestimmt, was dar-
unter zu verstehen sei, wenn sie in der Versassung
als Chefs derselben bezeichnet werden. Die M. mit
Hessen, Baden, Oldenburg, Thüringen, Anhalt,
Braunschweig, Waldeck, Schwarzburg, Lippe und
Schaumburg-Lippe sagen in dieser Beziehung, daß
die Landesherren zu allen in ihren Gebieten stehen-
den oder vorübergehend dorthin kommandierten
Truppen in dem Verhältnis eines kommandierenden
Generals stehen und demgemäß Ehrenrechte und
Disciplinargewalt desselben ausüben. Sie können
in dieser Hinsicht mit Umgehung des kommandieren-
den Generals Befehle an die Abteilungscomman-
deure ergehen lassen und die Truppen zum innern
Dienst (Ehrenposten, Wachen) heranziehen, Befug-
nisse, die leicht zu Differenzen mit dem wirklichen
kommandierenden General führen. Die gleiche Stel-
lung haben die Senate der Freien Städte. Die
Fürsten von Hessen, Mecklenburg, Baden, Olden-
burg, Thüringen, Anhalt, Lippe, Schwarzburg,
Waldeck, Schaumburg-Lippe, Braunschweig haben
das Recht, Offiziere ü< la. suite Zu ernennen und Ad-
jutanten für sich und die Prinzen ihres Hauses aus-
zuwählen. Soweit nicht Bundesabzeichen und
Vundesfarben an die Stelle treten, sind alle Militär-
gebällde und Garnifonseinrichtungell mit den Wap-
pen und Farben des Aufenthaltsstaates zu versehen.
Die Großherzöge von Baden, Hessen, Mecklenburg
und Oldenburg haben bezüglich ihrer Nn^nchanen
das Recht der Begnadigung bei militärgerichtlicher
Verurteilung wegen nichtmilitär. Vergehen, andern
Landesherren (Thüringen, Anhalt, Schaumburg,
Lippe, Schwarzburg, Waldeck, Braunschweig) ist in
jedem Fall nur möglichste Berücksichtigung ihrer
Wünsche bei Ausübung des Begnadigungsrechts
durch den König von Preußen zugesichert.
Die M. mit Baden, Hessen, den beiden Mecklen-
burg, Oldenburg und den Hansestädten sind auf un-
bestimmte Zeit geschlossen, ihre Aufhebung setzt also
beiderseitige Zustimmung voraus; einseitiges Kün-
digungsrecht behalten die M. mit den thüring.
Staaten, Anhalt, Sondershausen, Lippe, Schaum-
burg-Lippe, Braunschweig vor. Die württembergische
j M. (vom 21./25. Nov. 1870) bildet nach Schluß-
j bestimmung zu Abschnitt XI der Reichsverfassung
! Reichsrecht, kann also nicht durch Vertrag zwischen
! dem Kaiser und dem König von Württemberg, son-
! dern nur durch Zusammenwirken von Bundesrat
und Reichstag in seinen gesetzlichen Bestimmungen
abgeändert werden, und zwar dürfen im Bundesrat
nicht 14 Stimmen dagegen stimmen. Preußen hat
zuzustimmen, weil es ein Vetorecht gegen jede Ab-
änderung im Militärrecht hat, und ebenso ist die
Zustimmung Württembergs zu dem Beschluß von
Bundesrat und Reichstag notwendig, weil seine be-
sondere Militärstellung im Reiche den Charakter
eines Reservatrechts hat.
Bayern hat keine besondere M. abgeschlossen.
Seine militär.Sonderstellung beruht unmittelbar auf
dem Vcvsailler Bündnisvertrag vom 23. Nov. 1870
und ist unkündbares Verfassungsrecht. Der Kaiser
kann sogar das Recht der Inspektion im einzelnen
Falle nur vornehmen, wenn er sich über die Moda-
litäten der Vornahme mit dem König ins Einver-
nehmen gesetzt hat; dieser muß also erst zustimmen.
Sonst hat Bayern nur die Verpflichtung, in Organi-
sation, Formation, Ausbildung, Gebühren und
Mobilmachung volle Übereinstimmung mit den für
das Reichsheer geltenden Verordnungen herzustellen.
Nur vertragsmüßig hat der Kaiser das Recht, für
einige Stellen im Reichsdienst (bei der Reichsfestung
Ulm insbesondere für die Kommandantenstellung)
bayr. Offiziere zu ernennen, aber Bayern hat ein
Vorfcklagsrecht.
* Militärpflicht, s. Ersatzwesen.
Militärstrafrecht. Das deutsche Militärstraf-
gesetzbuch, Friedens- und Kriegsstrafrecht enthaltend
und durch kaiserl. Verordnung vom 26. Juli 1896
auch für die afrik. Schutzgebiete, insbesondere
für die kaiferl. Schutztruppen daselbst eingeführt,
belegt nicht bloß solche Dienstpflichtverletzungen der
Personen des Soldatenstandes mit Strafe, welche
sich gegen die allgemeine staatliche Rechtsordnung
direkt oder indirekt richten, sondern auch solche,
welche nur auf das militärdienstliche Interesse
störend wirken, die daher an sich nicht mit Krimi-
nal-, sondern nur mit Disciplinarstrafen zu belegen
wären. Es werden im Militärstrafgesetzbuch also
auch Dienstvergehen, die an sich nur Disciplinar-
vergehen sind, unter Strafe gestellt, z. B. un-
erlaubte Entfernung, Selbstverstümmelung, Simu-
lation, Feigheit, alle Fälle von Insubordination.
Es ist dies im Interesse der Erhaltung straffster
Disciplin geschehen. Andererseits hat dies zur Folge,
daß beim Militär im Gegensatz zu dem Veamten-
disciplinarrecht die Disciplinargcwalt der Vorgesetzt