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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ortsrichter - Osmanisches Reich
O. werden insbesondere zugezogen bei Beglaubigung
von Privaturkunden sowiebei gerichtlicher Errichtung
letzter Willen und selbständig verwendet für Auf-
stellung von Nachlaßverzeichnissen, Würderung von
beweglichen Sachen und Grundstücken, Versteigerung
beweglicher Sachen sowie für Abfassuna von Urkunden
über Grundstückskäufe und andere Rechtsgeschäfte.
Ortsrichter, s. Ortsgerichtspersonen.
Ofchersleben-Schöninger Gifsnbahn, im
Bau befindliche normalspurige Eisenbahn der gleich-
lautenden Aktiengesellschaft in Oscyersleben, 27,6 km
lang, wovon 2,6 km in Braunschweig liegen. Die
Kosten sind auf 2 620000 M. veranschlagt.
* Osmamsches Reich. Die Eisenbahnen der
europäischen Türkei (einschließlich Rumelien) um-
faßten 1896 ohne die dem bulgar. Staate gehörende
Bahn Iamboli-Burgas 1954 km und 1690 km
nach Abzug der übrigen in Rumelien belegenen
Strecken. (O. Orientbahnen und Orientalische Eisen-
bahnen.) In der asiatischen Türkei (Kleinasien)
waren 2264 km Eisenbahnen im Betrieb. Unter
den Ballgesellschaften hat die Anatolische Eisen-
bahngesellschaft in den letzten Jahren eine rege Bau-
thätigkeit entwickelt-, sie eröffnete 3. Aug. 1895 die
von der Station Eskischehr der Hauptstrecke Ismid-
Angora abzweigende Neubaustrecke nach Koma bis
Afiun-Karahissar, Ende 1895 ein weiteres Stück
bis Akschehr, Mai 1896 die Strecke Akschehr-Ilgyn
(59 km) und 28. Juli 1895 die Neststrecke bis Koma
(116 km). Die Linien der Gesellschaft erreichten so-
mit 1896 eine Länge von 1022 km. Die von der Ge-
sellschaft geplante Bagdadbahn, die eine Verlänge-
rung der Hauptstrecke bilden sollte, und für deren An-
fangsstrecke Angora-Kaisarie (425 km) die türk. Ne-
gierung bereits eine jährliche Bruttoeinnahme von
17 800 Frs. für das Kilometer gewährleistet hat,
wird nach den neuesten Entschließungen der Gesell-
schaft in Koma ihren Anfang nehmen und über
Eregli, Misia, Aintab, Viredschik, Urfa nach Diar-
bekr gebaut werden, wo sie mit der alten Linie zu-
sammentreffen würde. - Die Syrische Eisenbahn
(s. d.), die die Strecke Beirut-Damaskus 1895 und
die Hauranbahn (s. d.) 1894 eröffnet hat, trifft
Vorbereitungen zum Bau der Euphratbahn (s. d.).
Während Beirut-Damaskus und die Hauranbahn
in schmaler Spur (1,05 m) hergestellt sind, ist für die
Euphratbahn die normale Spur vorgesehen. Von
der einer engl. Gesellschaft (Okt. 1891) genehmigten
Bahn Akka-Haifa-Damaskus ist nur eine kurze
Strecke (8 km von Haifa aus) fertia gestellt und die
Arbeiten ruhen seit Jahren. Die beiden von Akka
und Haifa ausgehenden Linien vereinigen sich 13 km
östlich von Haifa, und die Bahn (Spurweite von
1,44m)geht durch dieEbeneIesrcel, dasWadiDscha-
lud, über Besän, an der Südftite des Sees Tiberias
vorbei, über Tsil und Scheich iHad, dem Regierungs-
sitze des Gouverneurs des Hauran, nach Damaskus;
auf der Schlußstrecke wird sie etwa 80 km mit der
Hauranbahn parallel laufen. Die Länge wird unge-
fähr 230 km betragen; außerdem ist noch eine Zweig-
bahn von Scheich Sad nach Bosra vorgesehen.
Über die Vetriebsverhältnisse liegen nur für die
anatolischen Eisenbahnen ausführlichere
Nachrichten vor. Bei einer mittlern Betriebslänge
von 708 km im I.1895 (578 km im 1.1894) wurden
1016289 (779925) Personen und 118008 (78017) t
Güter, darunter 39 595 (23 844) t Getreide und
21167 f1344) t Mineralien befördert' die Einnah-
men betrugen 3 923131 (3 246 693) Frs. und die
Ausgaben 2189 953 (2061657) Frs. Die türt.
Regierung mußte einen Garantiezuichuß von etwa
5250000 (4975000) Frs. leisten und die Gesell-
schaft konnte in beiden Jahren eine Dividende von
5 Proz. zahlen.
Finanzen. Nach dem Rechenschaftsbericht des
Präsidenten des Administrationsrates betrugen
1895/96 die Bruttoeinnahmen 2494132 türk. Pfund
(1894/95: 2559367). Hiervon gehen die Central-
und Lokalspesen, Provisionen und Wechselverluste
ab mit 355 775 (363 048) türk. Psd., so daß eine
Nettoeinnahme von 2138 357 (2 196 319) türk. Pfd.
bleibt, die in der üblichen Weise auf sieben Posten
<s. Osmamsches Reich, Finanzen, Bd. 12) verteilt
wurden. Die Gesamtwirkung der Tilgung stellt sich
einschließlich der Heranziehung der Türkenlose pro
1895/96 derart, daß 1265044 türk. Pfd. (1894/95:
1304772) aufgewendet wurden, davon bar703523
(696 768) Pfd. Seit 1881 sind vom gesamten No-
minalschuldbetrage von 116135 062 Pfd. 10,5 Proz.
--12 279 670 Pfd. zurückbezahlt worden, so daß
einschließlich der Türkenlose noch 103855392 Pfd.
im großen Echuldbuch der Türkei verzeichnet sind.
Geschichte. Die Schwierigkeit, ein aus den ver-
schiedensten Nationalitäten und Religionsgemein-
schaften zusammengesetztes Reich zu regieren und
die allerorten sich regenden Decentralisationsbestre-
bungen niederzuhalten, ist in den letzten Jahren mehr
und mehr gewachsen. In Kreta (s. d.), dessen griech.
Bevölkerung seit 1830 eigentlich nie zur Ruhe ge-
kommen ist, erhob sich 1894 ein neuer Aufstand, der
durch die Unterstützung, die er in Griechenland fand,
fast zu einer Verwicklung mit diesem geführt hätte und
erst im Aug. 1890 unter Vermittelung der Großmächte
vorläufig dadurch sein Ende fand, daß der Insel gegen
Zahlung eines jährlichen Tributs eine Art Selbstver-
waltung zugesichert wurde. In Macedonien suchte
die slaw. Bevölkerung seit der Annexion von Ost-
rumelien 1880 gleichfalls polit. Anschluß an Bul-
garien, nachdem die Pforte 1890 durch Errichtung
bulgar. Bistümer in die religiöse Vereinigung bereits
gewilligt hatte. Gleichzeitig aber sucht auch die we-
niger zahlreiche griech. Bevölkerung des Landes sich
an das Königreich Griechenland anzuschließen, und
in Athen trat eine Gesellschaft, die Macedonische
Phalanx, zusammen, um für die Annexion Propa-
ganda zu machen. So kam es im Sommer 1895 in
der Umgegend von Saloniki mehrfach zu bewaffneten
Erhebungen, die aber von den türk. Truppen bald
unterdrückt wurden. Trotzdem fah sich die Regierung
genötigt, einige Redif-(Landwehr-)Bataillone einzu-
ziehen, konnte sie aber schon gegen Ende des Jahres
wieder entlassen. Im Sommer 1896 kam es aber-
mals in Monastir zu heftigen Reibereien zwischen
der christl. und der Mohammed. Bevölkerung, und
bewaffnete Banden machten sowohl von Griechen-
land wie auch von Bulgarien aus Einfälle in das
umstrittene Land. (S. Macedonien.) Die größte Ver-
legenheit aber bereitete der Pforte die Erhebung der
Armenier 1895 (s. Armenien). Durch diese Bewegung
erhielt auch in Syrien der Christenhah neue Nahrung.
Obwohl es dort, von einigen kleinern Excessen abge-
sehen, nicht zu Gewaltthätigkeiten kam, nahm doch die
engl. Flotte Veranlassung, sich an der syr. Küste zu
zeigen. Wie gewöhnlich benutzten die Drusen (s. d.)
die allgemeine Gärung zu einem Aufstande, der die
Pforte nötigte, Truppen aus Macedonien nach dem
Hauran zu senden. Doch gelaug es ihnen, schon nach
einigen Gefechten der Bewegung Herr zu werden.