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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Osmose
Dasselbe Jahr brachte endlich auch noch einen Auf-
stand in Jemen (s. d.).
Gefährlicher noch für das Bestehen des Reichs
waren die Nachwirkungen dieser Ereignisse in der
Hauptstadt. Der Sultan Abd ul-Hamid II. hatte die
zahlreichen Schäden der Beamtenwirtschaft der hab-
gierigen und unfähigen Stambuler Effendis richtig
erkannt und suchte daher nach und nach alle Fäden
der Regierung in seiner Hand zu vereinigen. Da
er aber seinen Palast, den Iildis-Kiosk, nur am
Freitag verläßt, wenn er sich zum Gebet in die in
der Nähe gelegene Moschee begiebt, so kann er na-
türlich die zur Regierung erforderlichen Kenntnisse
nicht durch eigene Anschauung erwerben; er ist daher
aus die Mitteilungen seiner Umgebung angewiesen.
So trat an die Stelle der Beamtenherrschaft all-
mählich das Regiment einer Hofcamarilla, die sich
auf eine über das ganze Reich sich erstreckende Spio-
nage stützte. Als nun im Herbst 1895 infolge des
armenischen Aufstandes die Großmächte, England
an der Spitze, auf der Einführung von Reformen be-
standen, als ihre Flotten sich drohend im Ligäischen
Meere zeigten und ihre Botschafter das Einlaufen
der zweiten Stationsschiffe in die Dardanellen durch-
setzten, da muhte der erst im Juni 1895 ans Ruder
gekommene Grohwesir Said Pascha im Oktober
seine Entlassung nehmen. An seine Stelle trat der
altbewährte Kiamil Pascha, der 1891 durch die Dar-
danellenfrage im russ. Handelsvertrag gestürzt war.
Er entwarf alsbald eine Denkschrift an den Sultan
und verlangte die Wiederherstellung feiner Amts-
befugnisse in ihrem alten Umfang und Beseitigung
des höfischen Einflusses auf die Reichspolitik. Als
er diese Arbeit dem Sultan überreichte, wurde er
nach noch nicht vierwöchiger Amtsführung entsetzt
und als Gouverneur nach Smyrna geschickt. Sein
Nachfolger wurde Halil Rifaat Pascha, der sich
als Wali von Macedonien um die Unterdrückung
des Räuberwesens verdient gemacht hatte. Der
wahre Regent aber blieb der in Iildis fast allein
noch herrschende Kammerherr Izzet Bei. Die Ab-
neigung gegen das Palastregimcnt war aber nicht
allein in Beamtenkrcisen lebendig, sondern teilte
sich auch den breitern Volksschichten mit. Neben
den armenischen Revolutionskomitees bildete sich in
Stambul ein jungtürk. Komitee, das die Wieder-
aufrichtung der von Midhat Pascha 1876/77 ein-
geführten, aber alsbald wieder abgeschafften Re-
präsentativverfassung anstrebte. Unter den Zög-
lingen der Militärschule in Pankaldi, einer Vor-
stadt von Konstantinopel, wurde eine Verschwö-
rung entdeckt, aber rasch und heimlich mit grausamer
Strenge unterdrückt. Ebenso forderte die rächende
Justiz des Sultans unter den Softa, den Studen-
ten, sa untcr den Offizieren in seiner nächsten Um-
gebung zahlreiche Opfer. Unzweifelhaft waren auch
die Unruhen, die 26. bis 28. Aug. 1896 in Kon-
stantinopel ausbrachen, der Wirksamkeit des revo-
lutionären armenischen Komitees zuzuschreiben, das
dadurch die Großmächte zum Einschreiten zu bewegen
hoffte. Einige fünfzig Armenier draugen 26. Aug.
in die Ottomanische Bank ein, töteten die wachehabm-
den Gendarmen, verbarrikadierten sich und schleu-
derten Bomben auf die Vorübergehenden. Auch in
andern Stadtteilen kam es zu blutigen Ausschrei-
tungen, und wenn auch die große Menge der Ar-
menier durchaus schuldlos an der ^childerhebung
war, so wendete sich doch die Rache des erbitterten
und fanatisierten mohammed. Pöbels ebenso auch
gegen sie, und in den Straßen von Konstantmopcl
fand mehrere Tage hindurch ein Morden statt, dem
1000 Armenier und noch mehr zum Opfer gefallen
sein sollen. Erst ein Einschreiten der Botschafter, die
auf die ernsten Folgen einer Fortdauer dieser Zu-
stände hinwiesen, machten dem Gemetzel ein Ende.
Während des Winters herrschte Ruhe, und die Bot-
schafter benutzten diese Zeit, um einen Reformplan
für das O. R. auszuarbeiten, der die Billigung
aller Großmächte fand und dem Sultan vorgelegt
werden sollte, als der Wiederausbruch der Unruhen
auf Kreta (s. d.) im Febr. 1897 und der völkerrechts-
widrige Einbruch Griechenlands in diese Insel den
Bestand des O. N. von neuem erschütterte und alle
Reformpläne in den Hintergrund drängte. Die
Pforte schritt sofort zur Mobilmachung, wobei der
gänzliche Verfall der Flotte unverkennbar zu Tage
trat, und häufte große Truppenmassen in Macedonien
an. Als jedoch die Großmächte 2. März in einer Kol-
lektivnote für Kreta vollständige Selbstverwaltung
uuter einem christl. Herrscher, allerdings unter Auf-
rechterhaltung der türk. Oberhoheit, forderten, er-
klärte sich die Pforte dazu bereit, und 18. März pro-
klamierten die Admirale des bei Kreta versammelten
Geschwaders der Großmächte die Autonomie der
Insel. (S. auch Orientalische Frage nebst Karte.)
^Osmose. Der Vorgang der osmotischen Mi-
schung zweier Flüssigkeiten durch eine engporige
Wand kommt zum Stillstand, wenn auf der Seite
der stärkern Einströmung durch die übergetretene
Flüssigkeit selbst oder durch Einwirkung von außen
ein hydrostatischer Druck von bestimmter Größe
ausgeübt wird. Dieser osmotische Druck, der
also dem Gleichgewicht der O. entspricht, ist in
neuerer Zeit von großer Bedeutung für die Theorie
der Physik. Chemie geworden. Osmotische Erschei-
nungen zeigen sich nämlich auch, wenn man die Lö-
sung eines Stoffes, z. B. Zucker in Wasser, vom
reinen Lösungsmittel durch eine Wand trennt, die
nur letzterm, nicht aber dem gelösten Stoff, den
Durchgang gestattet, z. B. durch eine Membran aus
Ferrocyankupfer, wie sie sich durch Niederschlag in
den Poren einer Thonzelle bildet, wenn diese mit
Kupfersulfatlösung gefüllt und in Ferrocyankalium-
lösung eingetaucht ist. Mit solchen Membranen hat
Pfeffer die Gesetze des osmotischen Druckes zu er-
mitteln gesucht aus botan. Interesse, da auch der
Protoplasmaschlauch der Pflanzenzellen vielfach als
folche halbdurchlässige Wand fungiert. Er fand
(1877) den osmotischen Druck von wässerigen Rohr-
zuckerlösungen von beträchtlicher Größe, nahezu
proportional dem Prozentgehalt und abhängig von
der Temperatur. Auf theoretischem Wege leitete
dann (1886) van't Hoff ab, daß wenigstens für sehr
verdünnte Lösungen der osmotische Druck genau
dieselben Gesetze befolge wie der Druck p eines
Gases, das bei gleicher absoluter Temperatur I' im
Volumen V dieselbe Anzahl n Moleküle enthält,
als die Lösung an gelöstem Stoff besitzt, nämlich der
Gleichung entsprechend pV -- nNI, wo 15 eine für
alle Gase gleiche Konstante ist. Es stimmt diese
Formel mit Pfeffers Versuchen gut überein. Auf
Grund dieser Gesetze dient nuu der osmotische Druck
als Maß derjenigen Kräfte, die die Mischung einer
Löfuug mit dem reinen Lösungsmittel, ihre Verdün-
nung, herbeiführen. Dadurch ist die nähere theore-
tifche Behandlung aller Vorgänge ermöglicht, die
mit Konzentrationsänderung einer Lösung verbun-
den sind; dahin gehören die Diffusion, das Gefrieren,