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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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824
Österreichisch-Ungarische Monarchie
Berufsthätige Personen

Berufsgruppen


Osterreich
Ungarn
Landwirtschaft .........
8 394 638
5 689 972
69 885
24 769
Fischerei............
4 700

Bergbau und Hüttenwesen ....
144 212
48 412
Industrie der Steine und Erden .
134 910
21590
Metallverarbeitung (ohne Eisen) .
33 083

Verarbeitung von Eisen und Stahl
210 398

Maschinen-, Werkzeug- und Instru-


mentenfabrikation .......
77 740
17 147
Chemische Industrie.......
27 858
8 315
293 579
94 212
Polygraphische Gewerbe..... Textilindustrie..........
25 866
448 202
8 996 31 349
Papier- und Lederindustrie....
73 793
30 329
Industrie der Holz- u. Schnihstoffe
220 907
118 064
Industrie der Nahrungsmittel . .
236 115
81277
Industrie d. Getränke u. Genußmittel
221 596
39 589
Bekleidungsindustrie.......
603 817
185 148
Andere Industriezweige.....
128 821
23 902
Warenhandel..........
325 546

Geld, Kredithandel, Versicherung .
15 945
l 1'^ 925
Transport zu Lande.......
179 691
54 897
Transport zu Wasser......
16 278
11 890
Sonstige Handelsbetriebe.....
307 613

Aktives Militär ........
187 507
114 393
Öffentlicher Dienst........
263 544
113 495
Sonstiger freier Beruf......
48 485
6 186
Von Renten o. Unterstützung Lebende
563 701
120 418
In Anstalten Befindliche.....
241 084
62 474
Selbständige ohne Beruf.....
69 773
9 214
Zusammen > 13 569 287 > 7 180 238
Den wichtigsten Punkt in dem polit. Streit der
Nationalitäten in Österreich-Ungarn bildet die Re-
gelung der Geschäftssprache der Behörden. Der
umstrittene Verfassungsgrundsatz ist Art. XIX des
Staatsgrundgesetzes vom 21. Dez. 1867 über die
allgemeinen Rechte der Staatsbürger. Er gewähr-
leistet den einzelnen Volksstämmen "unverletzliches
Recht auf Wahrung und Pflege ihrer Nationalität
und Sprache" und erkennt die "Gleichberechtigung
aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt
und öffentlichem Leben" an. Auf wessen Seite das
Recht im Streite um diefen Artikel sich befindet,
zeigt die jurist. Auslegung. Landesübliche Sprache
ist nicht gleichbedeutend mit Landessprache. Landes-
sprache ist jede im ganzen Lande vorkommende
Sprache, landesübliche Sprache die im einzelnen
Gerichts- und polit. Bezirk gebräuchliche Sprache.
In Niederösterreich ist Deutsch allein Landessprache,
in einzelnen Gemeinden aber die czech. Sprache die
landesübliche; in Tirol sind Deutsch und Italienisch
Landessprachen, in Nordtirol aber nur Deutsch lan-
desüblich. In Galizien sind Polnisch und Nuthenisch
Landessprachen, Ruthenisch aber nur in gewissen Be-
zirken landesüblich und neben ihm in einzelnen Ge-
meinden Deutsch. In Böhmen und Mähren sind
Deutsch und Czechisch Landessprachen, aber in bei-
den Ländern giebt es außer Bezirken, wo beide
Sprachen auch landesüblich sind, auch solche, wo
dies nur hinsichtlich einer von beiden Sprachen ge-
sagt werden kann. Insbesondere in Nordböhmen
giebt es Gerichtsbezirke, wo nur das Deutsche lan-
desüblich ist (Eger, Leipa, Neichenberg). In Steier-
mark, Kärnten und Kram sind Deutsch und Slowe-
nisch Landessprachen, aber Slowenisch ist in Steier-
mark und Kärnten nur in einzelnen Bezirken landes-
üblich, in Kram dagegen fast uneingeschränkt.
Es wird nun durch Art. XIX des Staatsgrund-
gesetzes wohl allen Stämmen das Recht auf Wah-
rung und Pflege ihrer Nationalität und Sprache
garantiert, also vom Staat versprochen, die Wah-
rung und Pflege aller Landessprachen in Familie,
Privatverkehr, Vereinsleben und Privatunterricht
nicht zu stören; aber Gleichberechtigung im öffent-
lichen, d. i. staatlichen Leben (Schule und Amt ein-
geschlossen), wird nur den landesüblichen Sprachen
zuerkannt. Es kann nun wohl, soweit nicht Gesetze
entgegenstehen, durch Diensterlaß den Behörden
vorgeschrieben werden, Eingaben auch in einer an-
dern Landessprache, als der in dem betreffenden
Bezirk üblichen anzunehmen; aber ein Recht der
Staatsbürger hierauf besteht nicht. Im Geltungs-
bereich der allgemeinen Gerichtsordnung war eine
solche Dienstvorschrift an die Gerichtsbehörden gefetz-
widrig, da nach §. 13 diefer Gerichtsordnung die
Parteien sich der landesüblichen Sprachen zu be-
dienen haben. Alfo wurde der Ministerialerlaß vom
19. April 1880, der eine derartige weiter gehende
Dienstvorschrift für Böhmen und Mähren aufstellte,
mit Recht als gesetzwidrig angefochten, soweit er sich
an die Gerichts- und staatsanwaltlichen Behörden
wandte. Gültig ist er sür die Verwaltungsbehörden.
Die Gleichberechtigung der landesüblichen Sprachen
den Behörden gegenüber bezieht sich ferner nur auf
die Sprache des äußern, nicht auf die des innern
Amtsdienstes, also nur auf den Verkehr mit den
Unterthanen. Jene Gleichberechtigung soll nach dem
Titel des Gesetzes ein allgemeines Recht der Staats-
bürger sein; die Staatsbürger, die Unterthanen
können aber ein Recht auf eine bestimmte Amts-
sprache nur für das Verhältnis der Behörden zu
ihnen, nicht für das innere Dienstverhältnis haben.
Demgemäß ist innere und äußere Amtssprache auch
sehr verschieden. Im ganzen ist Deutsch die innere
Amtssprache der ganzen österr. Verwaltung. Es be-
stehen jedoch Ausnahmen. So ist in den Kreis-
gerichtssprengeln Trient und Rovereto in Südtirol
Italienisch herkömmlich auch die Sprache des innern
Dienstes bei Gericht und Verwaltung, zum Teil auch
in Dalmatien und dem Küstenlande. Es war
andererseits durch das Princip der Gleichberechti-
gung nicht gefordert, wenn den Behörden in Galizien
durch Erlaß vom 5. Juni 1869 die poln. Sprache
auch als innere Amtssprache vorgeschrieben wurde
und das Prager Oberlandesgericht durch Erlaß vom
23. Sept. 1886 den Auftrag erhielt, in allen Fällen,
in welchen die Erledigung nur in einer der beiden
Landessprachen hinauszugeben sei, schon den Ent-
wurf in der betreffenden Sprache abzufassen. Es
wurde dadurch die Besetzung dieses Gerichts mit
Czechen befördert. Endlich ist noch zu bemerken,
daß sich die Gleichberechtigung auf alle Staatsämter
bezieht, also auch auf Handels- und Gewerbekam-
mern, soweit sie staatliche Verwaltungsgeschäfte be-
sorgen. Auch das war schon streitig (Reichenberger
Handelskammer). Die wiederholten Versuche, die
Frage der Geschäftssprache der Behörden gesetzlich
zu ordnen (Anträge Wurmbrand und Schaarschmidt
im Reichsrat 1880 und 1886; Regierungsvorlage
und Antrag Solc im böhm. Landtage 1871 und
1889), scheiterten. - Vgl. die Artikel Geschäfts-
sprache und Böhmen im "Österr. Staatswörter-
buch", Bd. 1 (Wien 1895).
Die überseeische Auswanderung betrug 1892:
74 947, 1893: 65544, 1894: 25566 Personen; da-
von gingen 1894 nach Nordamerika 22965, Bra-
silien 754, Argentinien 440 Personen. In den
I. 1877 bis inkl. 1894 wanderten aus Österreich-
Ungarn 743 006 Personen aus, davon 624 229 nach
den Vereinigten Staaten, 16 758 nach Brasilien
und 23 055 nach Argentinien.