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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schiffbaukunst
einander in den Plänen vergleichen zu können und ihre Formen näher zu bestimmen, berechnet man das Verhältnis des Schiffskörperinhalts mit dem eines Parallelepipedons gleicher Länge, Breite und Höhe; Völligkeitsgrad (s. d., Bd. 16) des Deplacements nennt man diese Verhältniszahl, die zwischen 0,4 bis 0,7 und 0,84 bei modernen Schiffen schwankt und bei Segeljachten sogar auf 0,3 heruntergeht. In ähnlichem Sinne spricht man auch von einem Völligkeitsgrad der Konstruktionswasserlinie und einem solchen des Haupt- oder Nullspants (s. Spanten, Bd. 15), die beide das Verhältnis dieser Flächen zu Rechtecken von gleicher Länge und Breite ausdrücken. Die drei Völligkeitsgrade jedes Schiffstypus stehen in einem bestimmten Verhältnis untereinander. Der Völligkeitsgrad hängt ganz vom Zwecke des Schiffs ab, ebenso auch das Verhältnis von Länge, Breite und Tiefgang zu einander. Der Germanische Lloyd unterscheidet in seinem internationalen Schiffsregister folgende Schiffsformen: 1) für Segelschiffe: scharf gebaut größte Breite zur Länge (auf dem Oberdeck gemessen) 1:4 bis 1:8,8, mittelscharf und voll 1:3 bis 1:5; 2) für Dampfer: scharf und mittelscharf 1:5 bis 1:9. Da Nullspanten von gleicher größter Breite sehr verschiedenen Völligkeitsgrad und die Linien des Wasserlinienrisses vor und hinter dem Nullspant sehr verschiedenen Verlauf haben können, so giebt das einfache Verhältnis der Breite zur Länge noch kein genügendes Bild von der Schiffsform, sondern gestattet nur allgemeine Schlüsse. In der deutschen Kriegsflotte, die nur Dampfer hat, kommen z. B. folgende Verhältnisse vor: Ulan (Torpedoschiff) 1:3, Mücke (Panzerkanonenboot) 1:4, Siegfried (Panzerschiff 4. Klasse) 1:5, Brandenburg (Panzerschiff 1. Klaffe) 1:6, Brummer (Panzerkanonenboot) 1:7, Hohenzollern (kaiserl. Jacht), Kaiserin Augusta, Gefion (Kreuzer 2. und 3. Klasse) 1:8, Hela (Aviso) 1:9, Greif (Aviso) 1:10. Der deutsche Schnelldampfer Fürst Bismarck ist im Verhältnis 1:8 erbaut. Die Form der Wasserlinien, besonders die ihrer Krümmungen am Bug und am Heck wirkt auf die Größe des Wasserwiderstandes, also auf die Schiffsgeschwindigkeit ein. Ein platter Bug, wie der der Kuff (s. d., Bd. 10), findet viel Wasserwiderstand, hat aber, obgleich er die Geschwindigkeit vermindert, den Vorzug, das kleine Fahrzeug seetüchtiger zu machen, als wenn es einen scharfen Bug hätte. Der scharfe Bug wird vom Seegang stärker überflutet (taucht tiefer ein), der platte wird mehr gehoben. Deshalb hatten selbst große Kriegsschiffe, solange überhaupt Segellinienschiffe gebaut wurden, einen vollen, nicht scharfen Bug. Erst um die Mitte des 19. Jahrh. kam für Schnellsegler die scharfe Klipperform auf (s. Klipperschiffe, Bd. 10).
Hölzerne Schiffe werden nur noch in kleinen Dimensionen, als Küstenfahrer, Segelschiffe für kleine Fahrt, Lotsenschoner, Feuerschiffe, Leichter, Jachten und Schiffe für Fluß- und Binnenschiffahrt gebaut; hölzerne Dampfer werden fast gar nicht mehr gebaut, nur in ganz kleiner Form als Beiboote für große Schiffe und als Hafenboote. Zum Bau verwendet man Eichenholz (besonders in Deutschland), Kiefern und Fichtenholz (in Norwegen, Schweden und Rußland), Teakholz, Mahagoni, Eucalyptusholz (in Australien).
Vor Beginn des Baues werden auf dem Mall- oder Schnürboden (s. d., Bd. 14) der Werft die Umrisse der Hauptstücke des Schiffs, wie Vordersteven und Hintersteven (s. Steven, Bd. 15), Knie- und Krummhölzer (Verbandstücke der Steven mit dem Kiel), Spanten u. s. w. in natürlicher Größe auf dem Fußboden aufgezeichnet und danach die Malle aus Brettern angefertigt, die den Zimmerleuten und Schmieden als Vorlagen dienen, wonach diese Stücke genau gearbeitet werden. Auf dem Bauplatze der Werft wird zunächst auf einer Unterlage von Stapelklötzen der Kiel gelegt, "gestreckt", wie man beim Eisenschiffbau sagt. Die Stapelklötze stehen auf einer geneigten Ebene, der Helling (s. d., Bd. 9), die meist überdacht ist zum Schutze des Baues und der Arbeiter. Die Neigung der Helling nach dem Wasser hin beträgt etwa lO Proz. der Schiffslänge. Je nach Orts- und Volksbrauch wird das Schiff so gebaut, daß entweder der Bug oder das Heck zunächst dem Wasser steht. Die deutschen Kriegsschiffe stehen meist so auf Stapel, daß ihr Heck dem Wasser am nächsten ist, weil bei der Schiffstaufe der Taufende vor dem Bug die Flasche Schaumwein zerschellt.
Der Kiel des hölzernen Schiffs wird aus mehrern, durch Laschen miteinander verbundenen Balken zusammengesetzt. Auf den Enden des Kiels werden die Aufklotzungen oder Tothölzer befestigt, die die beiden Steven mit dem Kiel verbinden; Zuweilen werden auch noch Stevenknie dazwischen angebracht. Nach den Steven werden die einzelnen Spanten auf dem Kiel aufgerichtet und miteinander verbunden. Jedes einzelne Spant besteht aus einer doppelten Lage von Hölzern, deren unterste, am Kiel sitzende Bodenwrangen, die darüber anschließenden Auflanger heißen. Die Spanten haben verschiedene Länge, da einige von ihnen als Rehlingsstützen über dem Oberdeck noch nötig sind; bis zum Oberdeck werden alle Spanten durchgeführt. Durch Latten wird jedes Spant in seiner Form gestützt, auf den Kiel gelegt, mit Gerüsten und Taljen aufgerichtet und durch starke Bolzen am Kiel befestigt. Auf Handelsschiffen läßt man zwischen den einzelnen Spanten Lücken von der halben Spantdicke, bei den alten Kriegsschiffen wurden diese Zwischenräume unterhalb der Wasserlinie durch Füllhölzer ausgefüllt und gedichtet, wodurch diese Schiffe auch bei Verletzungen der Außenbeplankung noch kein Leck erhielten. Nach dem Aufrichten aller Spanten werden außen an sie die Sentlatten in der Höhe der Linien des Sentenrisses (oder Wasserlinienrisses) aufgenagelt und dabei alle Unebenheiten der Spantoberflächen geschlichtet, damit später die Holzbeplankung glatt aufgelegt werden kann. Zunächst werden nun die Innenverbände angebracht, eine Lage von Balken über den Spanten und parallel dem Kiel laufend in der untersten Krümmung der Spanten, das sog. Kielschwein oder Kolschwin. Daneben liegen an jeder Seite die Kielgänge genannten Plankenlagen. Um die Querverbände, die Decksbalken, die zugleich die Träger der Decksplanken sind, zu befestigen, werden die Balkwegerplanken längs der Innenseite der Spanten in entsprechender Höhe befestigt; darauf ruhen dann die querlaufenden Decksbalken, die außerdem noch durch eiserne oder hölzerne Decksknie mit den Spanten verbunden werden. Nachdem dann auf die Decksbalken die dem Kiel parallel laufenden Decksplanken (der Fußboden in den einzelnen Schiffsstockwerken) gelegt sind, wird die Außenhaut angebracht. Von den Außenplanken sind am stärksten die Kielplanken, die am Kiel sitzen, und die Kimmplanken in der stärksten untern Ausbauchung