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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

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Eisen - Eisen

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Eisen'

sich nur für kleinere Stücke von geringer Dicke; bei größerer Stärke fällt das Eisen sehr ungleichmäßig aus und ist unbrauchbar. Aus schmiedbarem Gußeisen werden Schloßteile, Schlüssel, Gewehr- und Nähmaschinenteile, Kettenglieder, wie aus dieser Aufzählung ersichtlich, lauter Massenartikel, hergestellt. Manche derselben erfahren gar keine weitere Bearbeitung, viele nur durch Schleifen und Polieren. Das schmiedbare Gußeisen nimmt infolge seiner feinkörnigen Struktur eine bessere Politur an als das Schmiedeisen. - Schweiß- und Flußstahl. - Darstellung. - Man gewinnt Stahl 1) direkt aus den Erzen durch Reduktion und Kohlung, 2) aus dem Roheisen durch Entkohlung, 3) aus Schmiedeisen durch Kohlung. Der erste Weg liefert den Erz- oder Rennstahl. Von dieser Fabrikationsmethode gilt das bereits bei Besprechung der Schweißeisendarstellung aus Erzen Gesagte. Auch das dort erwähnte Verfahren von Siemens ist zur Anwendung gekommen. Die Erzeugung von Stahl aus Roheisen erfolgt entweder durch Frischen auf dem Herde oder im Puddelofen, wie bei Schweißeisen beschrieben; - der Entkohlungsprozeß wird nur früher unterbrochen als bei der Schmiedeisendarstellung - oder dadurch, daß atmosphärische Luft in zahlreichen Strahlen durch geschmolznes E. hindurchgetrieben wird (Bessemern) oder endlich dadurch, daß man in flüssiges Roheisen Bestandteile einträgt, welche eine Entkohlung herbeiführen. - Das Herdfrischen des Stahles ist namentlich noch in Steiermark, Kärnten, Siegen und in Schweden in Gebrauch. Die Anwendbarkeit dieses Verfahrens ist bedingt durch das Vorhandensein guten reinen Roheisens und billiger Holzkohlen. Es liefert einen ganz vorzüglichen Stahl, welcher auf die weiter unten anzugebenden Methoden raffiniert werden muß, um ein möglich gleichförmiges Gefüge zu erhalten. Für die Herstellung großer Massen Stahl geringerer Qualität hat in Gegenwart und Zukunft das Bessemern die größte Bedeutung. Hoch mangan- und siliciumhaltiges Roheisen wird in einem Kupolofen hitzig niedergeschmolzen, wobei es bereits eine Raffinierung erfährt, und dann in ein birnenförmiges Gefäß (Konverter) eingelassen, dessen Boden mit zahlreichen feinen Windkanälen versehen ist. Ein kräftiges Gebläse treibt Luft durch die flüssige Masse, wobei durch Verbrennen des Silicium etc. eine so hohe Temperatur entsteht, daß selbst E. von ganz geringem Kohlenstoffgehalt noch flüssig bleibt. Bei der englischen Bessemermethode wird das Roheisen beinahe ganz entkohlt und durch Zusatz von flüssigem weißen Roheisen (Spiegeleisen) nach Beendigung des Blasens in Stahl verwandelt. Bei der schwedischen Methode treibt man die Entkohlung nur soweit, daß direkt Stahl entsteht. Das englische Verfahren wird jetzt fast allgemein angewendet, obgleich es meist etwas teurer ist. Aber es gewährt einen weit sicherern Erfolg. Über die Leistungsfähigkeit der Bessemermethode mögen einige Zahlen berichten. Die Größe einer Schmelzung (Charge) beträgt gewöhnlich 5000-8000 kg. Diese werden durch 15-20 minutliches Blasen in Stahl verwandelt. ↔ Der ganze Prozeß erfordert mit allen Nebenarbeiten etwa 1¾-2 Stunden, so daß im Tage 12-14 Chargen, jede von 5000-8000 kg, bewältigt werden können. Ein bedeutender Fortschritt im Bessemern ist in den letzten Jahren durch das von Thomas und Gilchrist angegebene Entphosphorungsverfahren gemacht worden. Bis dahin gelang es nicht, den im Roheisen vorhandenen Phosphor, den ärgsten Feind des Stahles, welcher denselben spröde und schwer schweißbar macht, zu entfernen. Er verblieb bei der hohen Temperatur und bei dem Vorhandensein einer sauren Schlacke in der Bessemerbirne bei dem Eisen. Thomas und Gilchrist erzielen durch Auskleidung des Konverters mit basischem Material und durch Zuschläge von Kalk oder Magnesia eine basische Schlacke, welche den Phosphor aufnimmt. Dieses Entphosphorungsverfahren ist für die deutsche Eisenindustrie von größter Bedeutung, da viele deutsche Roheisen Phosphor führen und nach der alten Weise gebessemert immer einen Stahl von geringerer Qualität ergeben mußten. Namhafte Hüttenwerke, voran der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein, wenden die Entphosphorung in der Bessemerbirne an und erzeugen ein weit besseres Produkt - Thomasflußstahl und Thomasflußeisen - als früher. - Die Bildung von Stahl durch Zusammenschmelzen von Roheisen mit Sauerstoff abgebenden Körpern (namentlich Eisenoxyden) ist namentlich von Uchatius, Obuchow, Martin und Siemens angestrebt worden und haben die Genannten recht gute Erfolge zu verzeichnen. Uchatius schmilzt granuliertes weißes Roheisen zusammen mit gepulvertem Spateisenstein und Braunstein in Tiegeln von 15 kg Gehalt. Der Stahl ist fest und hart (Verwendung zu Hämmern und ähnlichen Sachen). Soll derselbe größere Weichheit erlangen, so gibt man einen Zusatz von Schweißeisenabfällen. Obuchow bringt Stahl- und Schmiedeisen-Abfälle zusammen mit Magnet- und Titaneisenstein und Thon zum Schmelzen, setzt dann etwas arsenige Säure und Salpeter zu und erhält einen für Geschützrohre geeigneten Stahl. Martin trägt in reines geschmolzenes Roheisen Schmiedeisen ein. Siemens schmilzt Roheisen in einem Flammofen und rührt Kohlen- und Erzpulver ein. Alle diese Verfahren sind nur anwendbar, wenn ein reines Roheisen und reine Zusatzmateriale vorhanden sind. Andrenfalls würde ein sehr geringwertiger Stahl entstehen. Stahldarstellung aus Schweißeisen. - Dieses Verfahren liefert den besten Stahl, weil das beste Schweißeisen verwendet wird und dieses während des ganzen Prozesses bei gehöriger Vorsicht keine Gelegenheit findet, Verunreinigungen aufzunehmen. Schweißeisenstäbe werden in feuerfeste Kästen mit Buchenholzkohle verpackt und unter Luftabschluß einer starken (zuweilen bis 14 Tage) andauernden Glühung unterworfen. Der Kohlenstoff aus der Verpackung dringt allmählich in das Schmiedeisen ein und es entsteht der Brenn- oder Zementstahl. Die rohen Zementstahlstangen sind nicht verwendbar. Sie sind bedeckt mit zahlreichen Rissen und Blasen; der Stahl zeigt außen und innen verschiednen Kohlen-^[folgende Seite]

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 110.