Schnellsuche:

Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Kümmelöl; Kunstwolle

300

Kümmelöl - Kunstwolle

tener an den deutschen Markt; eher bezieht Holland hallische Ware. Der Same hat außer den andern bekannten Verwendungen von jeher zur Bereitung der beliebten Kümmelschnäpse und Liköre, durch bloßes Abziehen gedient und dient zum Teil noch; weit mehr aber benutzt man jetzt dazu das Kümmelöl. Beim Einkauf von K. muß vor einer sehr häufig vorkommenden Verfälschung gewarnt werden; es wird nämlich die Ware mit bereits ausgedämpften, zur Ölbereitung benutzten und wieder getrockneten K., der selbstverständlich geruchlos und geschmacklos ist, vermischt. - Zoll gem. Tarif im Anh. Nr. 9 d.

Kümmelöl (oleum Carvi); das ätherische Öl der Kümmelfrüchte, im gewöhnlichen Leben Kümmelsamen genannt; dasselbe bildet einen Hauptartikel der Fabriken ätherischer Öle; es ist frisch bereitet eine farblose, wasserhelle, ölige Flüssigkeit von intensiven Kümmelgeruch und ebensolchen Geschmack, der jedoch je nach der Kümmelsorte und nach der Gegend, aus welcher dieser stammt, kleine Verschiedenheiten zeigt. Das spezifische Gewicht des K.s schwankt zwischen 0,88-0,97; gegen das polarisierte Licht Verhält sich das K. rechts drehend. Seiner chemischen Zusammensetzung nach ist das K. ein Gemenge eines Kohlenwasserstoffs, Carven, mit einem sauerstoffhaltigem Öl, Carvol genannt; beide lassen sich schon durch fraktionierte Destillation trennen, wobei das Carven zuerst, das Carvol als schwererflüchtig später übergeht. Dieses letztere bildet jetzt einen besonderen Handelsartikel und wird unter dem Namen leichtlösliches K. zu höheren Preisen als das gewöhnliche K. verkauft. Die Bezeichnung „leichtlöslich“ bezieht sich darauf, daß dieses Carvol sich in einer Mischung von gleichen Teilen 95prozentigem Alkohol und destilliertem Wasser klar und ohne Trübung auflöst. Es hat dieses Verhalten den Vorteil, daß die mit solchem Carvol bereiteten Liköre nicht filtriert zu werden brauchen, während Likör, der mit gewöhnlichen K. bereitet wurde, trübe wird und filtriert werden muß. Für Kümmellikör ist es ratsam, stets nur die feinsten Qualitäten K. zu verwenden. Außer zu diesem Zwecke benutzt man das K. auch noch medizinisch in Apotheken, sowie mit andren Ölen gemengt zum Parfümieren von Seifen. In einigen Gegenden, namentlich in Thüringen, wird auch aus dem wild wachsenden Kümmel Öl destilliert und unter dem Namen Wiesenkümmelöl verkauft; dasselbe ist billiger, als das aus kultiviertem Kümmel, riecht aber weniger fein und wird oft zur Verfälschung der besseren Sorten verwendet. Aus dem bei der Ernte des Kümmels entstehenden Abfall wird noch eine sehr geringwertige Sorte, das Kümmelspreuöl, destilliert; es riecht und schmeckt zwar auch nach Kümmel, aber viel weniger fein und rangiert noch unter dem Wiesenkümmelöl. -

Die Ausbeute an K. ist je nach der Kümmelsorte, sowie auch nach der größeren oder geringeren Vollkommenheit der Destillationsapparate schwankend und kann zwischen 3,5-5,5% des trocknen Samens betragen, steigt zuweilen aber auch auf 7%. Das K. ist sehr häufig Verfälschungen unterworfen; außer der Beimengung der schon genannten geringwertigen Öle finden auch Verfälschungen mit Alkohol, Tannenzapfenöl, Fichtennadelöl und rektifiziertem Terpentinöl statt; letztre Verfälschung läßt sich mittels Nitroprussidkupfer sicher nachweisen. Reines K. muß sich in seinem gleichen Gewichte Alkohol von 85% Trall. klar lösen, zwischen 175 und 230° C. überdestillieren (ohne Wasser) und eine Rechtsdrehung von 75-80° zeigen. Man muß das K. in sehr gut verschlossenen, möglichst voll gefüllten Flaschen aufbewahren, da es sehr leicht verharzt, gelb wird und dann am Geruch und Wert verliert. - Zoll s. Tarif im Anh. Nr. 5 a.

Kunstwolle (frz. laine artificielle; engl. shoddy and mungo). Die Herstellung der K. oder Lumpenwolle bildet eine Abfallindustrie größten Maßstabes. Die früher als beinahe wertlos erachteten wollenen Lumpen werden jetzt eifrig gesammelt und in besondern Fabriken behufs Wiedergewinnung der Wolle verarbeitet. Diese K. besitzt natürlich längst nicht den Wert als Spinnfaser wie neue Wolle, aus alten oft bis zur Unkenntlichkeit abgenutzten, mürben Lumpen kann selbstverständlich keine reiner Schurwolle gleichkommende Faser gewonnen werden - bildet aber ein in ihrer Art wertvolles Rohmaterial. Kann man sich nun einerseits freuen, daß es der fortschreitenden Technik gelungen ist, so große Massen von Abfällen wieder nutzbar zu machen, so hat doch gerade die Kunstwollindustrie ihre sehr bedenkliche Seite. Es ist nicht zu läugnen, daß seit der fabrikmäßigen Herstellung der K. in die ganze Wollindustrie eine gewisse Unsolidität gekommen ist. Außer dem Fabrikanten weiß niemand, wie viel K. in einem Garne, in einem Gewebe steckt. K. läßt sich auch nur sehr schwer, ja in vielen Fällen, wenn guter Wolle nur wenige Prozente zugesetzt sind, kaum nachweisen. Der Überteuerung, dem Schwindel sind damit Thür und Thor geöffnet. Der Käufer erfährt nur aus dem raschen Zerfall seiner Kleidungsstücke zu seinem Schaden und Ärger, daß er mit viel K. beglückt worden ist. Unter den Ländern, deren Wolllumpen für die Kunstwollfabrikation gesammelt werden, stehen England, Deutschland und Österreich, Frankreich, Italien oben an. Die englischen Lumpen besitzen meist lange, grobe Wolle, sind sehr schmutzig und fast immer sehr feucht. Deutschland und Österreich liefern viel und reinere Lumpen, meist von Streichgarngeweben. Aus Deutschland wird nach England so viel exportiert, daß für eigenen Bedarf Lumpen aus Frankreich herangezogen werden müssen. Italien erzeugt sehr viel Lumpen für den Export; dieselben sind verhältnismäßig rein, aber sehr stark abgenutzt und belebt. Rußland liefert sehr schmutzige, durch Staub und Erde beschwerte Lumpen. -

Die Fabrikation der K. wird in England seit 30-40 Jahren in großem Maßstabe betrieben und hat jetzt einen solchen Umfang angenommen, daß, wie von verschiednen Seiten behauptet wird, ¼ der in England für die Wollindustrie herangezogenen Materiale aus K. besteht. Die erste Anwendung davon reicht