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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Mutterkorn; Mutterlaugensalz; Myrobalanen

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Mutterkorn - Myrobalanen

150 gr wiegen. Dabei sollen aber auch in der Güte, besonders an Halt- und Waschbarkeit die europäischen Stoffe mit den indischen den Vergleich nicht aushalten, da die indischen Spinnerinnen ihren feinen Faden durch festere Drehung viel solider herstellen. Zum Vergleich wird freilich meist die Gelegenheit fehlen, da jetzt wohl nur ausnahmsweise kleine Posten ostindischer Waren nach Europa gelangen. Verschiedne Einzelsorten der Musselingewebe werden mit besondern Namen bezeichnet, so Musselinets, mit eingewebten weiß oder bunt gemusterten Streifen; Mull, ein ganz weicher weißer Musselin; Vapeur, sehr lockerer und feiner; Zephyr, der allerfeinste M. aus den höchsten Garnnummern. -

Es beteiligen sich an der Herstellung dieser Webwaren alle europäischen Fabrikländer; am stärksten ist die Produktion und Ausfuhr Englands mit den Hauptsitzen Manchester und Glasgow. Die englischen Waren sind besonders wohlfeil; die französischen behaupten immer einen Vorzug durch Schönheit und Mannigfaltigkeit ihrer Dessins. Die Schweiz liefert in gewissen Branchen Vorzügliches, und ihre gestickten Waren sind ebenso schön als wohlfeil. In Deutschland hat die Musselinweberei und -Stickerei ihre vorzügliche Pflege von lange her im sächsischen Voigtlande. Die dortigen Waren konkurrieren auf neutralen Märkten mit Frankreich und der Schweiz. In verschiednen Städten Württembergs, Bayerns und Österreichs ist die Musselinfabrikation ebenfalls im Gange. - Verzollung: Roh aus rohem Garn gem. Tarif Nr. 2 d 3; gebleicht, gefärbt Nr. 2 d 5: bestickt Nr. 2 d 6.

Mutterkorn (lat. Secale cornutum; frz. ergot oder seigle ergoté; engl. black grain of corn oder blighted corn); ein Artikel des Droguenhandels, besteht aus einem Pilzgebilde, welches auf den Ähren vieler Gräser, namentlich aber auf denen des Roggens, seltener auf Weizen und Gerste entsteht, für den medizinischen Gebrauch aber nur von denen des Roggens gesammelt werden soll. Das M. ist ein gewisser Entwicklungszustand eines Pilzes, der außer dieser in noch zwei andern Entwicklungsformen vorkommt und Claviceps purpurea (Tul.) genannt wird; es ist das Dauer-Mycelium oder die Sclerodiumform des genannten Pilzes. Der eigentliche, sporentragende Pilz entwickelt sich erst aus dem M., wenn dieses in die Erde gelangt; es entstehen kleine, purpurrote gestielte Köpfchen, aus welchen sich zahllose Keimkörperchen entwickeln, die, vom Winde erfaßt, weit fortgeführt werden können. Gelangen diese Sporen auf den Fruchtknoten der Ähren, so entstehen zunächst zahlreiche einzellige Conidien oder Stylosporen, die man früher als eine besondre Pilzart ansah und Sphacelia nannte; es ist dies das was man im gewöhnlichen Leben Honigtau zu nennen pflegt. Aus diesem, also der Sphacelienform des Claviceps entwickelt sich dann erst derjenige Entwickelungszustand, welcher die Sclerodiumform oder das M. genannt wird. Dasselbe wird kurz vor oder gleich nach der Ernte gesammelt und im Schatten getrocknet.

Die Ware erscheint in 30-35 mm langen und bis 6 mm dicken, etwas bogenförmig gekrümmten, stumpf dreikantigen Körnchen, auf jeder Seite mit einer oft tief eingerissenen Längsfurche versehen; außen sind die Körner violettschwarz, innen weißlich; es ist frisch weich und zäh, getrocknet hart und spröde, aber doch schwer zu pulvern. In Masse zeigt das M. einen eigentümlichen dumpfigen Geruch, der nach dem Pulvern noch stärker hervortritt; übergießt man das Pulver des M. mit Kalilauge, so entwickelt sich der Geruch nach Heringslake, von Trimethylamin herrührend, welches im M. in Verbindung mit Säuren enthalten ist und durch die Kalilauge in Freiheit gesetzt wird. Das M. wird bei Frauenkrankheiten verordnet und ist namentlich auch ein wirksames Mittel zur Beförderung der Wehen. Das M. enthält außer dem bereits erwähnten Trimethylamin ein fettes Öl, Sclerotinsäure und mehrere andre, noch nicht genügend untersuchte Körper, die man bisher (zugleich mit der früher nicht bekannten Sclerotinsäure) unter dem Namen Ergotin zusammenfaßte. - Zollfrei.

Mutterlaugensalz; unter diesem Namen kommen im Handel verschiedne Salzmassen vor, die durch Verdampfen der Mutterlauge gewisser Mineralwässer erhalten werden. Beim Verdampfen dieser Mineralwässer scheiden sich zunächst die leicht kristallisierbaren Salze ab, während die schwer kristallisierbaren, leichtlöslichen Salze in der von diesen ausgeschiednen Salzen getrennten Flüssigkeit, der Mutterlauge, gelöst bleiben. Durch Verdampfen der letzteren erhält man sie in fester Form; sie müssen an trocknen Orten aufbewahrt werden, da sie leicht Feuchtigkeit anziehen. Man benutzt solche M. als Zusatz zu Bädern; die bekanntesten sind das Nauheimer und das stark bromhaltige Kreuznacher M. - S. Tarif Nr. 25 t. Vgl. Anhang.

Myrobalanen (Myrobalani); es sind dies die harten, etwa 2½-3½ cm langen, sehr runzligen Steinfrüchte verschiedner verwandter Sträucher oder Bäume Ostindiens, dem Genus Terminalia angehörend. Es waren früher mehrere Sorten im Handel, gelbe, graue, große, runde und indische. Früherhin war die stark bitter und zusammenziehend schmeckende Substanz derselben offizinell und diente als drastisches Purgiermittel. Jetzt ist die Verwendung derselben nur noch eine technische, auf den starken Gehalt an Gerbstoff (Tannin) gegründet, und zwar hat sich erst in letzter Zeit die Gunst oder Spekulation der Drogue so zugewandt, daß die Einfuhr aus Ostindien nach England in rascher Zunahme begriffen ist und 1869 schon 120000 Ztr. betrug, während dabei auch die Preise ansehnlich herabgegangen sind. Sie sollen einen vollständigen Ersatz für Galläpfel in der Gerberei, Färberei und zur Tintenbereitung gewähren und ihr Gebrauch bequem sein wegen ihrer Unveränderlichkeit im Gerbstoffgehalt. In diesem Falle, wenn also die Entscheidung nur vom Kostenpunkte abhinge, wären allerdings die Galläpfel am Ende ihrer Mission; denn das Kilo guter Aleppoware mit durchschnittlich 65% Gerbstoff kostet etwa 4 Mk., indes die M. zwar nur 45% Gehalt haben, dafür aber auch nur circa ⅛ jenes Preises kosten. Die letztere Ware wird, da ihre große Härte das Pulvern ohne Maschinen schwierig