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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Pergamentpapier

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Pergamentpapier - Pergamentpapier

aus der Bütte mit Papierformen darstellbar ist und ebenfalls hauptsächlich in Annonay fabriziert wird. Es dient, außer zu Verpackungen, auch zu Kartuschen für Kanonen. -

Jetzt wird unter P. oder vegetabilischem Pergament (papyrin, papyrolin) hauptsächlich das durch Einwirkung von Schwefelsäure auf ungeleimtes Papier sich bildende, dem wirklichen animalischen Pergament aus Tierhäuten sehr ähnliche, Produkt verstanden. Seine Darstellung geschah zuerst im großen durch Professor Dr. Hofmann in London durch Eintauchen der einzelnen Papierbogen in ein Schwefelsäurebad, Neutralisieren mit Ammoniakwasser und schnelles Auswaschen. Erfinder des P. ist E. Gaine in London, 1857, gewesen und sein Verfahren ist weder durch Hofmann, noch andre im Prinzipe geändert worden. Es werden neun Teile engl. Schwefelsäure von 60° B. mit einem Teil Wasser gemischt und die Temperaturen nicht über +10° R. gebracht, die ungeleimten Papiere bis drei Sekunden eingetaucht und dann sofort sorgsam abgewaschen. Auf 100 kg Papier sind ungefähr 500 kg des Säurehydrats nötig und obgleich im P. keine Schwefelsäure nachweisbar ist, so tritt doch ein Gewichtsverlust von wenigstens 10% ein, während das Papier an 5-10% an Flächeninhalt, und gegen 30% in der Dicke ab, dagegen im spez. Gewicht um 30-40% und in der Festigkeit um vier bis fünfmal zunimmt, sodaß es, dem echten Pergament gegenüber, sich sogar in der Festigkeit verhält wie 4:3. -

Nach Dr. Hofmann tritt eine Molekularänderung durch die Einwirkung der Schwefelsäure auf die Faser auf der Papieroberfläche ein, die er als Amyloidbildung bezeichnet. Girard erklärt die Umwandlung der Oberfläche als Hydrocellulose (Zentralblatt der Papierfabrikation 33. Jahrg. 1882). Jedenfalls ist die vollständige Umänderung der Cellulose in eine pergamentartige Masse durch eine so starke Säure wie SO3 + 4H2O^[SO<sub>3</sub> + 4H<sub>2</sub>O] eine allen ältern Theorien entgegenstehende Thatsache. -

In den ersten Jahren wurde in der Fabrik von Thomas Delarue in London das P. in einzelnen Bogen dargestellt, indem dieselben zwischen Bleiwalzen durch das Schwefelsäurebad geführt, dann durch Walzen in Wasser zur Entfernung der Schwefelsäure und zwischen Filze zur Abtrocknung geleitet und endlich zum Trocknen aufgehangen wurden. Später versuchte man das Trocknen auf erwämten ^[richtig: erwärmten] Cylindern, doch mußte sorgfältig darauf geachtet werden, daß das Papier nicht runzlig wurde. Als die gehörige Sicherheit in der Bereitungsweise erlangt worden war, begann man das P. auf einer einfachen, aus einer Reihe bleierner oder gläserner Walzen, einem Troge mit Schwefelsäurehydrat, einem zweiten mit stets zu- und ablaufendem Wasser, einer Filzleitung mit Pressen und ein paar schwach erwärmten Trocknungscylindern nebst Glättpresse bestehenden Maschinerie zu fabrizieren. Bei dieser Fabrikationsweise ist eine schwächere Säure als geeigneter gefunden worden, die aus sechs Teilen konz. Schwefelsäure und einem Teil Wasser (3 zu 1 Raumteil) besteht und durch welche das Papier auch etwas langsamer hindurchziehen darf. Die Beibehaltung einer Temperatur von nicht über +10° R. ist auch hierbei von Wichtigkeit. -

Die Verwendung des P. war anfänglich eine sehr beschränkte. Das engl. Patentamt benutzte es anstatt des bisher gebrauchten tierischen Pergaments zu den Patentschriften, da es ebenso haltbar und viel billiger, als wie jenes, sich erwies. Jetzt sollte es bei der Billigkeit des Preises unbedingt zu Dokumenten und Wertpapieren, Plänen etc. längst allgemein gebräuchlich sein. Dann wurde es anstatt der tierischen Blase zum Verschließen der Flaschen mit Konserven für den Seetransport verwendet, weil es die Flüssigkeiten nicht hindurch läßt und darum nicht allein sicherer und widerstandsfähiger als tierische Blase gegen Verluste, sondern auch reinlicher ist, weil es nicht, wie jene, in Verwesung übergeht, sich zersetzt und Maden bildet. Weil das trocken steife, im Wasser aber biegsam weiche P. sich dicht an Gefäße schließen läßt und die merkwürdige Eigenschaft besitzt, für Gase, Äther Alkohol, Benzin, ätherische Öle etc. undurchdringlich zu sein, so ist es für chemische Fabriken, Droguisten, Farbefabriken, Apotheken, Konservefabriken, zur Aufbewahrung und Versendung von Fleischwaren, Butter u. dgl. ganz unentbehrlich geworden. Auch werden Wurstdärme daraus gemacht (Ellwangen). Ferner ist das P. zu Betteinlagen für Kinder und Kranke, zum Bekleiden feuchter Wände, zum Auslegen von Fässern für allerlei Eßwaren, hygroskopische Salze und feuchte andre Stoffe, sowie für Farbenteige in Benutzung.

Auch für die Dialyse ist das P. höchst brauchbar, zumal zur Nachweisung von Mineralgiften, Alkaloiden, zur Bestimmung des Zuckers im Biere (die Diffusion). Auch zur Endosmose dient das P., indem es für Kristalloide durch dringlich ist. Wegen seiner Festigkeit und Glättbarkeit wird es zu Kalanderwalzen, zu Glättkartons, zu Kindertrommeln, zum Bücherbinden und zu manchen Kartonagearbeiten gebraucht. Durch Verwandeln vom im Stoff gefärbter, ungeleimter Papiere in P. werden, wenn die Farben der Schwefelsäure widerstehen (also zumal Anilinfarben sind), sehr schöne, vielseitig brauchbare, Leder- und Maroquinpapiere geschaffen, welche in der Portefeuille- und Galanteriewarenfabrikation, zu Büchereinbänden (ganz und halbfranz), zur Blumenmacherei statt der echten gebraucht werden. Auch kann man weißes P. mit Anilinfarben recht schön nachfärben und dadurch Blumen und andres nachträglich ausmalen und verschönern. -

Schon zu Anfang der Pergamentpapierbereitung mittels Schwefelsäure wurde eine konzentrierte Lösung von Chlorzink zu gleichem Zwecke empfohlen, doch fand dieser Vorschlag keine Verbreitung. - Kochenden Ätzlaugen widersteht das P., wird jedoch in heißer Salzsäurelösung langsam aufgelöst und in Zucker verwandelt, wie durch konzentrierte Schwefelsäure. Wird Pergamentp. zehn Minuten lang in konzentrierte Salpetersäure gelegt und dann sorgfältig abgewaschen und getrocknet, so erlangt es eine größere Dicke und Festigkeit und ein Mehrgewicht von 10-20%. Dieses Nitropergamentpapier hat die eigentümlichen Eigenschaften, daß es, in Schwefelsäure