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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Petroleum

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Petroleum - Petroleum

vorhistorischer Reste von Seetangen, Muschel- und Korallenbänken in langsamer Destillation durch Erdwärme die Gase und Öle hergeben möchten. In Steinkohlenlagern die Quelle zu suchen, scheint weniger annehmbar, da die Destillationsprodukte der Steinkohle doch wieder anders geartet sind. Je nachdem die Rohstoffe in der Erdkruste mehr oder weniger angehäuft sind, muß die Zersetzung entweder schon beendet sein oder noch fortdauern; daher ist in manchen Lokalitäten nur eine einmalige Ausbeute thunlich, während in andern Fällen das Weggenommene sich immer wieder ersetzt, daher eine noch beständig fortgehende Neubildung angenommen werden muß. Die Erdöle sind je nach den Gegenden ihres Vorkommens fast immer verschieden; manchmal bestehen solche Verschiedenheiten selbst in näherer Nachbarschaft.

Aus Amerika kommen zwei Hauptsorten, pennsylvanisches als die beste, und canadisches, worunter auch die Öle der übrigen Vereinsstaaten mit begriffen sein mögen, welche alle, gleich dem canadischen, den Gütegrad des pennsylvanischen nicht erreichen. Eine dritte Sorte, das westvirginische, ist zu Beleuchtungszwecken gar nicht tauglich, sondern nur zu Schmiermitteln (s. Globeöl). Das rohe pennsylvanisehe Öl ist heller, ins Dunkelgrüne spielend, dünnflüssiger, weniger übelriechend und leichter als das kanadische; sein spezif. Gewicht ist 0,815 bis 0,820. Es gibt einen höheren Ertrag an Leuchtöl als jenes, welches dunkelbraun ist, überaus widerwärtig riecht und ein spezif. Gewicht von 0,832 bis 0,835 hat.

Alle diese Öle sind zum unmittelbaren Verbrauch in Lampen unbrauchbar; sie enthalten hierzu teils zu flüchtige, feuergefährliche, teils zu schwere, die Flamme trübende Bestandteile und nur das ist brauchbar, was die Mitte zwischen beiden hält. Die ganze Rohmasse ist demnach vermöge ihres Gehalts an sehr flüchtigen Ölen sehr leicht entzündlich und daher feuergefährlich. Es kommt auch in jüngster Zeit, der Feuergefährlichkeit wegen, nur noch ein geringer Anteil solchen Rohöls aus Amerika zur Verschiffung, der Hauptmenge wird vielmehr vorher der leicht brennbare Bestandteil durch Destillation entzogen, oder es wird gleich raffiniertes Brennpetroleum dargestellt und in den Handel gebracht. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil aber wird erst in Europa vollends raffiniert.

Die vollständige Verarbeitung des Rohstoffs ergibt folgende Produkte. Der leichtflüchtigste Anteil des frisch der Erde entquollenen Petroleums wird Rhigolen genannt; es kann nur in Amerika gewonnen werden, da es schon bei 30° C. in lebhaftes Sieden gerät. Die nach diesem zunächst überdestillierenden Kohlenwasserstoffe führen den Namen Petroleumäther, es ist dies eine leichte und sehr leicht feuerfangende, bei 50-60° siedende Flüssigkeit von 0,655-0,660 spezif. Gewicht, die zum Ausziehen fetter Öle und sonst als Lösungsmittel für Harze und Fette dient und auch in Apotheken geführt wird. Ein Petroleumäther von 0,655 bis 0,670 wird Gasolin genannt und in den sogenannten Luftgasapparaten als Leuchtstoff verwendet. Die Partie von 0,670-0,700 spezif. Gewicht wird unter dem Namen Ligroin zum Brennen in besonderen Lampen verwendet.

Die bei circa 80° C. überdestillierenden Teile von 0,700-0,715 spezif. Gewicht bilden das Petroleumbenzin des Handels. Dasselbe dient als kräftiges Auflösungsmittel für Fette, Harze und Kautschuk, zum Verdünnen von Ölfarben, zu Fleckwasser statt des gewöhnlichen Benzins aus Steinkohlen, das es wohl in dieser Hinsicht, nicht aber zur Bereitung von Teerfarben vertreten kann.

Bei einer Temperatur von 120 bis 150° folgt das sog. künstliche Terpentinöl, wenn es überhaupt gesondert dargestellt wird. Es ist nicht flüchtig genug, um als Fleckwasser zu dienen, als Leuchtöl noch zu leicht entzündlich, löst Harze nicht gut auf, und dient daher nur zum Verdünnen von Leinölfirnissen, zum Reinigen der Buchdruckformen u. dgl. Die Hauptware endlich, das Leuchtöl oder Brennpetroleum, geht bei der Hitze von 150-250° C. über.

Bei Temperaturen über 300° folgt dann noch ein dickes schweres Öl, das beim Kaltwerden butterartig erstarrt, das Schmieröl. Außer zu Wagen- und Maschinenschmiere benutzt man diesen Stoff neuerdings häufig zur Darstellung eines schönen Leuchtgases und sind namentlich die Gasapparate für kleinern Bedarf, wie sie die Fabrik von Hirzel in Leipzig liefert, sehr beliebt geworden. Das Öl, sowie es in bemessener Menge auf den glühenden Boden der Retorte tropft, löst sich augenblicklich in ein schön brennendes Gas auf, das beim Durchstreichen durch eine Säule von Koaks seine Teerteile abgibt und dann völlig rein ist. Das Schmieröl hat auch einen Gehalt an paraffinartiger Masse, die neuerdings vollkommen farb- und geruchlos abgeschieden und unter dem Namen Vaselin (s. d.) verkauft wird, jedoch weicher als das Braunkohlenparaffin ist. -

Das Brennpetroleum ist farblos oder bloß gelblich und zeigt bei darauf fallendem Tageslichte einen bläulichen Schimmer. Das farblose wird mit der Zeit von selbst wieder gelblich. Nicht allein das Brennpetroleum, sondern auch die leichter flüchtigen Produkte werden, bevor sie in den Handel kommen, einer Reinigung unterworfen. Die Flüssigkeiten werden zu dem Zwecke erst mit einigen Prozent englischer Schwefelsäure zusammengearbeitet, dann durch Absetzenlassen von der Säure getrennt und mit Wasser gewaschen. Dieselbe Prozedur wird dann noch einmal unter Anwendung von Ätznatronlauge statt der Säure wiederholt und so werden alle brenzlichen sauren und alkalischen Destillationsprodukte entfernt. -

Das P. bildet jetzt den meist verbrauchten flüssigen Leuchtstoff; und wenn es gut gereinigt ist, gibt es eine schöne, dem Gaslicht ähnliche, Flamme und ist bei nur gewöhnlicher Vorsicht so ungefährlich wie Solaröl. Eine Feuergefährlichkeit ist aber vorhanden, wenn dem Stoffe die flüchtigen Bestandteile entweder nicht gehörig abdestilliert, oder wenn ähnliche feuergefährliche Stoffe, wie z. B. Photogen, betrügerischer Weise wieder zugesetzt werden, eine Prozedur, die man zu vermuten starke Ursache hat. Durch solchen Gehalt an flüchtigen Stoffen wird das Öl nicht nur feuerfangend,