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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Soda

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Soda - Soda

Mutterlaugen sind noch reichlich natronhaltig und werden wieder mit auf S. verarbeitet.

Außer diesem Leblancschen Verfahren der Sodagewinnung, welches neuerdings in England durch Einführung der rotierenden Sodaöfen eine wesentliche Verbesserung erfahren hat, hat von den vielen andern empfohlenen Methoden der direkten Darstellung der S. aus Chlornatrium nur das sog. Ammoniaksodaverfahren oder Solveyverfahren im großen Eingang gefunden. Dasselbe beruht darauf, daß eine konzentrierte Lösung von Chlornatrium (Kochsalz) sich mit einer konzentrierten Lösung von doppeltkohlensaurem Ammoniak in der Weise umsetzt, daß doppeltkohlensaures Natron und Salmiak (Chlorwasserstoffammoniak) entstehen. Letzterer bleibt gelöst, während das doppeltkohlensaure Natron aus dieser konzentrierten Lösung sich ausscheidet. Das doppeltkohlensaure Natron wird dann durch Erhitzen in einfachkohlensaures Natron, die S., umgewandelt, wobei die entweichende Hälfte der Kohlensäure wieder mit zur Darstellung von doppeltkohlensaurem Ammoniak verwendet wird; die noch fehlende Kohlensäure gewinnt man durch Brennen von Kalkstein. Der hierbei entstehende gebrannte Kalk wird verwendet, um den aus obiger Lösung ausgeschiednen Salmiak zu zersetzen; das dadurch frei werdende Ammoniak wird durch Zuführung von Kohlensäure wieder in doppeltkohlensaures Ammoniak umgewandelt.

Die auf diese Weise gewonnene S. führt im Handel zum Unterschiede von der gewöhnlichen den Namen Ammoniaksoda, obschon sie kein Ammoniak enthält; im Gegenteil ist sie in der Regel reiner als die nach dem alten Verfahren dargestellte kalcinierte S., da sie gewöhnlich 98-99% kohlensaures Natron enthält. Zuweilen kommt allerdings auch sehr geringwertige (80%) Ammoniaksoda in den Handel, die wahrscheinlich absichtlich mit Chlornatrium verfälscht ist. Selbstverständlich wird aus der Ammoniaksoda nach Bedarf auch kristallisierte wasserhaltige gefertigt. Das kristallisierte Salz verliert in der Berührung mit Luft allmählich den größten Teil seines Kristallwassers, indem es sich anfänglich mit weißem Pulver überzieht, mit der Zeit ganz in solches übergeht und zerfällt oder auch zu harten Klumpen zusammenbäckt. Zuweilen kommt es auch vor, daß von Zwischenhändlern Kristalle von Glaubersalz unter die Sodakristalle gemengt werden; eine solche Verfälschung läßt sich leicht durch Betröpfeln mit einer Säure erkennen, da Glaubersalzkristalle hierbei nicht aufbrausen; ein andres einfaches Mittel besteht darin, daß man die Kristalle mit einer Quecksilberoxydlösung oder mit Quecksilberchloridlösung befeuchtet; alle Sodakristalle färben sich dadurch rotbraun, während die Glaubersalzkristalle farblos bleiben.

Für manche Zwecke, z. B. zur Bereitung guten weißen Glases, braucht man die S. reiner als gewöhnlich und muß sie raffinieren, was eben auch durch Wiederauflösen und Neukristallisieren geschieht. Ein so gereinigtes Salz gibt dann durch Behandlung in der Hitze natürlich auch eine reine kalcinierte Sorte. Auch für Apotheken und chemische Laboratorien wird doppeltgereinigte S. (Natrum carbonicum depuratum oder purissimum) geführt. Der Handelswert der S. kann nur von dem häufig sehr schwankenden Gehalte an kohlensaurem Natron abhängen und es gibt für Ermittelung desselben keinen andern sichern Weg als die chemische Prüfung durch die Mittel, welche die Alkalimetrie an die Hand gibt und die für Natron dieselben sind, wie für Pottasche und beim Verbrauch im großen immerfort in Anwendung kommen, da die Gehaltsangaben der Verkäufer nicht immer zuverlässig sind.

Die Gehaltsprozente heißen im Handel Grade, z. B. 95grädige Ware, 90grädige. Die englischen Grade stimmen jedoch nicht mit den deutschen überein, denn in England bezeichnet man damit nicht die Menge von kohlensaurem Natron, sondern von reinem Natron (real soda). Aber auch diese Grade sind um 2-3 Grade höher als bei uns, da man dort ganz willkürlich das Äquivalent des Natrons zu 32 anstatt 31 annimmt. Einzelne englische Fabriken haben noch andre Grade. Bei der Prüfung treibt man aus einer abgewogenen Sodaprobe die Kohlensäure durch Schwefelsäure aus und berechnet aus dem durch die fortgegangene Kohlensäure entstandenen Gewichtsverlust den Gehalt an S.; 100 Tle. Kohlensäure zeigen 242 Tle. wasserfreies kohlensaures Natron an. Die kalcinierte S. enthält immer auch mehr oder weniger Ätznatron, das man für manche Zwecke gern sieht, weil solche Ware mit dem höhern Gehalte immer ätzender wird. Dieser Gehalt wird durch die Kohlensäuregrade begreiflich nicht mit angezeigt, und man hat noch die andre gebräuchliche Prüfung, die Titriermethode anzuwenden, indem man der Probe von einer, ihrem Gehalte nach genau bestimmten Schwefelsäure aus einem graduierten Probierröhrchen so lange zutröpfelt, bis die Sättigung und Neutralität genau erreicht ist. Aus der verbrauchten Säuremenge findet man auf diese Art durch Rechnung den ganzen Natrongehalt; alsdann ermittelt man durch die Kohlensäureprobe die Menge des kohlensauren Salzes und somit durch Subtrahieren des letzten Befundes vom ersten auch das Ätznatron. Beide wirksame Stoffe werden in der Praxis gleich hoch im Preise gesetzt, indem man das Ätznatron als S. rechnet. -

Der Hauptverbrauch der S. ist der zu Glas und Seife, den zwei hochwichtigen Artikeln, deren jetzige Wohlfeilheit nur der durch die künstliche Sodafabrikation ermöglichten Massenerzeugung dieses Salzes zu verdanken ist. Außerdem werden große Mengen zum Beugen in der Bleicherei und Färberei, zum Waschen als Zusatz zu Glasuren, ferner in der Ultramarinfabrikation und zur Darstellung zahlreicher Natronpräparate gebraucht. Der Konsum an S. und Natron überhaupt ist um so bedeutender als es in vielen Fällen das teure Kali vertreten kann. Die Versendung der S. geschieht in Holzfässern. -

Am großartigsten ist die Sodaindustrie in England entwickelt; man fabriziert dort jährlich ca. 9000000 Ztr.; dann folgen Frankreich und Belgien. Die deutsche Sodaproduktion schätzt man auf 840000 Ztr., welche 57% des deutschen Totalbedarfs repräsentieren, sodaß 43%