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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Teer

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Teer - Teer

das Material der trocknen Destillation unterworfen wird. Der T. ist keine einheitliche Substanz, sondern ein Gemisch sehr vieler verschiedner Stoffe, deren Art und Menge in den einzelnen Sorten von T. verschieden ist. Selbst in ein und derselben Teerart, so z. B. im Steinkohlenteer, kann das Mengenverhältnis der einzelnen Bestandteile ein sehr schwankendes sein, je nach Qualität der Kohle, die man hierzu verwendete, und nach Art des Betriebs; ob die Destillation bei hoher oder niedriger Temparatur, schnell oder langsam ausgeführt wurde, alles dies ist von Einfluß auf die Zusammensetzung des Teers. Man unterscheidet folgende Teersorten im Handel:

1) Holzteer (vegetabilischer Teer; frz. goudron végétal; engl. vegetable tar); derselbe ist schwarz bis dunkelbraun, schwerer als Wasser, besitzt einen lang anhaltenden durchdringenden Geruch und scharfen, bittern Geschmack, brennt mit leuchtender, rußender Flamme, und löst sich größtenteils in Alkohol und Äther. Das spezifische Gewicht des Holzteers ist 1,06 bei 12° R., jedoch schon bei geringer Temperaturerhöhung wird er spezifisch leichter als Wasser und schwimmt dann auf demselben.

Der Holzteer wird jetzt hauptsächlich als Nebenprodukt bei der Holzessigfabrikation gewonnen, ein Teil auch von denjenigen Gasanstalten, die noch Holzgas darstellen, während in holzreichen Gegenden derselbe Stoff nach alter Art in Teerschwelereien gewonnen wird und zwar ebenfalls auf dem Wege der Destillation, wenn auch in roherer Form. Schon bei der gewöhnlichen Meilerverkohlung läßt sich etwas T. gewinnen, wenn aus dem Innern ein schräg abfallendes Gerinne geführt und in ein verdecktes Sammelgefäß geleitet wird. Es geschieht dies aber in der Regel nicht, da dabei schon ein Gemäuer als Basis vorausgesetzt wird. Bei der eigentlichen Teerschwelerei benutzt man gewöhnlich Kienholz, harzige Wurzeln, Stöcke und Rinden, sodaß die überbleibenden Kohlen von geringer Qualität sind; doch schwelt man nach Gelegenheit auch andre Sorten Hölzer, und gibt namentlich Buchenholz eine bevorzugte Teersorte.

Die Öfen für alle Teerschwelerei sind gewöhnlich in die Erde versenkt, d. h. sie sind ausgemauerte Gruben mit einem Vorraum und haben schräge, nach unten sich nähernde Wände und zu unterst eine Rinne, welche nach außen mündet. Die Brenngrube wird mit dem Kienholz vollgepackt, oben mit einer Decke von Rasen und Erde geschlossen, zu oberst das Holz angezündet und durch Einstechen von Löchern in die Decke die nötige Luft zugelassen. In dem Maße, wie der Brand von oben nach unten fortschreitet, treibt die Hitze aus dem Holze die teerigen und öligen Produkte aus, welche sich nach unten ziehen und durch den Abflußkanal ins Sammelgefäß laufen. Es findet also eine förmliche, abwärts gehende Destillation statt.

Der zuerst abfließende dünnere und flüssige Stoff sieht bräunlich oder gelblich aus, schwimmt auf Wasser und heißt weißer T.; er wird meistens verwendet, um daraus Kienöl abzudestillieren, wobei der Rückstand weißes Pech ist. Die mittlere, etwas dunklere Sorte ist der Rad- oder Wagenteer, der letzte, dickste, schwarzbraune und am übelsten riechende schwarzer oder Schiffsteer, zum Teeren des Tauwerks und Kalfatern hölzerner Schiffe. Der Holzteer besteht aus Phenol, Kresol, Phlorol, Guajacol und ähnlichen Körpern, enthält ferner Brenzcatechin, Cedriret, einige flüssige Kohlenwasserstoffe, etwas Paraffin und einige stickstoffhaltige, ölige Basen. Eine besondre Art ist der Birkenteer, der in Rußland in großer Menge erzeugt und zur Herstellung des Juchtenleders verwendet wird.

2) Torfteer (frz. goudron de tourbe; engl. turf-tar); derselbe gleicht dem aus harzarmen Hölzern gewonnenen Holzteer, z. B. dem Buchenholzteer, ist aber weniger geschätzt, als der aus harzreichen Hölzern bereitete Holzteer. Man erhält aus gutem Torf 6-9% Teer.

3) Braunkohlen teer (frz. goudron de lignite: engl. wood coal-tar). Obschon jede Braunkohlensorte T. liefert, so benutzt man doch behufs Paraffingewinnung nur diejenigen Braunkohlen zum Schwelen, welche reich an Pyropissit (vgl. Paraffin) sind, weil andre Braunkohlen einen T. liefern, der nur wenig Paraffin enthält. Der Braunkohlenteer ist eine dicke, dunkelbraune, übelriechende Flüssigkeit; er enthält nur wenig Kresol, Phenol u. dgl., dagegen hauptsächlich Paraffin und andre flüssige Kohlenwasserstoffe der verschiedensten Art. Die leichter flüchigen ^[richtig: flüchtigen] der letzteren werden unter dem Namen Photogen, die schwerer flüchtigen als Solaröl verkauft. Der Rückstand von der Destillation des Braunkohlenteers ist der Braunkohlenasphalt oder das Braunkohlenteerpech. Die Ausbeute an Braunkohlenteer ist sehr verschieden und schwankt zwischen 6 und 25%.

4) Der Steinkohlenteer (frz. goudron d'houille; engl. coal-tar oder gas-tar); derselbe wird in bedeutenden Mengen bei der Erzeugung von Leuchtgas aus Steinkohlen als Nebenprodukt gewonnen und ist eine äußerst wichtige Ware, welche eine Menge wertvoller Bestandteile enthält, die man daraus abscheidet. Steinkohlenteer ist eine dicke, schwarze, klebrige, stark betäubend riechende Flüssigkeit, schwerer als Wasser, mit diesem nicht mischbar.

Die wichtigsten im Steinkohlenteer enthaltenen Bestandteile sind: Benzol, Toluol, Xylol, Cumol, Cymol etc.; ferner Phenol (Karbolsäure), Kresol; Anilin, Toluidin, Xylidin und ähnliche Basen; endlich Naphtalin, Anthracen, Chrysen, Diphenyl, Fluoren, Phenanthren, Fluoranthren, Pyren etc. Der bei der Destillation des Steinkohlenteers behufs Gewinnung obiger Substanzen bleibende Rückstand erstarrt beim Erkalten zu einer harten, schwarzen Masse von muscheligem Bruche; es ist dies das Steinkohlenteerpech oder der Steinkohlenasphalt; das Material zur Herstellung von Dachpappen und Asphaltfußböden.

5) Animalischer Teer (tierischer Teer, Franzosenöl, Teeröl); man gewinnt ihn gewöhnlich durch trockne Destillation von Knochen, derselbe heißt daher auch Knochenöl, Hirschhornöl (oleum animale empyreamaticum, oleum cornu cervi foetidum) und ist eine äußerst übelriechende, dunkelbraune, ölige Flüssigkeit, welche eine große Menge stickstoffhaltiger organischer Basen und