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Handbuch der Drogisten-Praxis

Gustav Adolf Buchheister, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893

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Geschäftliche Praxis.

Bei der vielfachen Giftigkeit und der dadurch bedingten Gefährlichkeit der Waaren, mit denen der Drogist handelt, ist es die Pflicht, sich einigermaßen über die Natur der verschiedenen Gifte und vor Allem über die eventuell anzuwendenden Gegengifte zu unterrichten. Wer genau die chemischen Eigenschaften der Gifte kennt, wird leicht im Stande sein, selbst für jedes betreffende Gift das Gegenmittel aufzufinden. Da eine derartig genaue Kenntniss nicht überall vorauszusetzen ist, wollen wir eine spezielle Besprechung der einzelnen Gifte nachfolgen lassen. Vorausschicken wollen wir zuerst die allgemeinen Grundbedingungen, welche bei einer Vergiftung berücksichtigt werden müssen. Die erste ist, dem Körper Stoffe zuzuführen, die entweder die schädliche Natur des Stoffes aufheben, oder die giftige Wirkung dadurch paralysiren, dass sie das Gift in eine unlösliche Verbindung bringen. Denn hier wie überall in der Chemie gilt der Grundsatz: "Corpora non agunt, nisi soluta", die Körper wirken nicht, wenn unlöslich! Die zweite ist, den schädlichen Stoff möglichst rasch aus dem Körper zu entfernen. Hierzu sind starke Abfuhr- und Brechmittel am geeignetsten. Vielfach wirken die Gifte selbst in dieser Richtung; wo dies aber nicht der Fall ist, muss man der Natur nachhelfen und erreicht diesen Zweck gewöhnlich vollkommen durch Eingeben eines ziemlichen Quantums lauer Milch mit Oel und durch nachheriges Kitzeln des Schlundes mittelst einer Federfahne.

Bei den scharfen und ätzenden Giften kommt als Drittes noch hinzu, dass man die ätzenden Wirkungen derselben auf die Schleimhäute des Schlundes und des Magens möglichst durch geeignete Mittel aufhebt. Hierzu eignen sich vor Allem schleimige Substanzen, ferner Milch und Oelemulsionen. Die Einwirkung der Gifte kann eine verschiedene sein: entweder durch Einathmen giftiger Gase, und diese ist eine der gefährlichsten, weil sie am schnellsten die Gifte in das Blut überführt, oder durch direkte Einführung der Gifte in die Blutgefässe, durch Verwundung, subcutane Einspritzung etc. (Pfeilgift, Morphiumvergiftung etc. etc. ). Auch diese Einwirkung ist eine überaus rasche, daher Hülfe häufig zu spät. Endlich drittens durch die Ueberführung der Gifte in den Körper durch den Magen. Dieses ist der bei weitem am häufigsten vorkommende Fall, und glücklicher Weise ist hier die Einwirkung, ausser bei den ätzenden Giften, eine viel langsamere, da das Gift gewissermaßen auf Umwegen dem Blute zugeführt wird.

Wir können die Gifte ihrer Natur nach in verschiedene Klassen bringen: 1) scharfe oder ätzende, 2) narkotische, 3) metallische Gifte. Zu den ersteren gehören vor Allem die Säuren und Aetzalkalien; diese wirken meist zerstörend auf die Schleimhäute, rufen dadurch starken Blutandrang zu denselben, Entzündung, selbst Brand hervor. Die narkotischen stören die Herz- und Nerventhätigkeit, verlangsamen die erstere bis zur völligen Lähmung oder Starrkrampf, oder stören die Nerventhätigkeit der Augen, des Gefühls etc. Hierher gehören die verschiedenen