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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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bauen, verlieh ihnen viele Privilegien und schickte ihnen eine Anzahl Arbeiter zu Hilfe. Überdies kamen viele Adelige mit ihnen zum Bau zusammen und viele Bürger aus anderen Städten wanderten bei ihnen ein und es sammelte sich auch eine große Menge zur Wiederherstellung des zerstörten Ulm. Als aber die Ulmer die Menge, die Gunst und die starke Hilfe sahen, faßten sie Mut und beschlossen, nicht die alte geringe und kleine Stadt (oppidum) sondern eine neue Stadt (urbem) aufzubauen. Als daher an einem bestimmten Tage die Völker zur Arbeit bereit waren, spannten sie Rinder vor einen Pflug und begannen damit am Ufer der Donau die Erde im Kreis um die alte Stadt zu durchfurchen, indem sie auf jeder Sehe viel Raum über die Grenzen der alten Stadt hinaus bis zur andern Seite der Donau in die Stadt einbezogen. Denn der Raum der alten Stadt (im Umkreis) betrug nur 2100 Schritt, 1) wobei die Schritte auch der Seite mitgerechnet sind, wo die Donau an die Mauern sich anschließt, die zwar mit dem Pfluge nicht umgeackert, aber mit einem Kahn durchfurcht werden kann. Es ist aber zu beachten, daß es zweierlei Schritte gibt, nämlich gewöhnliche Schritte beim Spazierengehen und Schritte als Maße; zwei Schritte von den ersten machen einen von den zweiten, von den ersten also hat Ulm 6400 Schritte, von den zweiten 3200, die 25 Stadien 2) und 75 Schritt als Maß ausmachen. (pag. 32) Es ist aber die Stadt, soweit es möglich war, im Kreis aufgeführt, sie hat auch viele Krümmungen, weil der Kreis verschiedene Hindernisse erhält teils wegen der felsigen, teils auch wegen der sumpfigen Bodenbeschaffenheit. Ehe aber etwas gebaut wurde, gruben sie ringsherum ein Tal oder tiefe Gräben und brachten die ausgegrabene Erde an die inneren Gräben der alten Stadt zusammen. Auch der Kirchhof zu Allerheiligen, welcher damals nicht so hoch, sondern niedrig war, sowie die Bleicherwiese, die damit zusammenhing, umgaben sie mit einer hohen Mauer und trugen an die Mauer Erde aus den Gräben, indem sie diese Mauer selbst auf eine gewisse Art verstärkten, und pflanzten daselbst Lindenbäume. Dies erscheint vor Augen, wenn man die mit Erde verstärkte Mauer und den tief in den Erdboden gleichsam eingegrabenen Kirchhof betrachtet. Das übrige aber trugen sie auf die umliegenden Äcker. Als nun die Gräben fertig waren, begannen sie allmählich die Mauer zu bauen, und viele Jahre stand die Stadt mit unvollendeter Mauer, und an den Stellen, wo noch keine Mauer war, schlugen sie Pfähle und Holz ein, und viele Kriege hielten sie auch hinter hölzernen Mauern aus, denn es waren sehr unruhige Zeiten. Als aber die Gräben in Eile hergestellt worden, wurde die Arbeit an den Mauern unterbrochen und die Bürger wendeten sich zur Herstellung und zum Ban ihrer Häuser. Immer jedoch und täglich arbeiteten gemietete Arbeiter an dem Bau der Mauern und einiger Türme. Denn vor allem errichteten sie die Türme der 3 Tore, nämlich den Turm des Herdbruckertores, wo in der alten Stadt weder ein Turm noch ein Tor, noch eine Brücke war, sondern nach Erweiterung der Stadt verlegten sie die Brücke aufwärts an diesen Turm und Tor. Auch das Tor des heiligen Leonhard, das jetzt das der heiligen Jungfrau (Frauentor) heißt, erhöhten sie und schützten es durch Wächter, weil daselbst keine Mauer war, sondern die Stadt nur mit Hecken und Holz

1) 1 Schritt = 1, 5 m, 2100 Schritt = 5150 m.

2) 1 Stadium = 125 Schritt, 25 Stadien = 5125 Schritt,

+ 75 Schritt,

= 3200 Schritt = 4800 m.