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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

Schlagworte auf dieser Seite: Lieber

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ohne sie darum zu befragen, weshalb sie (pag. 98) gegen den Abt beim Papst Recht

suchten und jener durch große Strafen gezwungen wurde das Gebäude einzureißen und das Begräbnis der Adeligen frei zu lassen. Von diesen Vetter nahm Ulm auch in früheren Jahren manche in die Gemeinschaft der Bürger auf, und aus den Ehen mit ihnen wurden gewisse Familien der Ulmer, als mit Kriegsleuten verbunden, nicht wenig geadelt. Denn heute lebt in Ulm Herr Leonard Vetter, ein wackerer Kriegsmann, von dem schon 1) oben Erwähnung getan ist. Soviel von diesen.

Lieber.

Die Familie der Lieber von unzweifelhaftem Adel in der Stadt Ulm hatte ausgezeichnete Männer von alter Tüchtigkeit, und noch heute bringt die edle Wurzel würdige Menschen hervor. Einst wurden sie, wie manche vermuten, die Herren von Liebental genannt nach einer Burg, von der sie endlich durch die Gewalt des Krieges vertrieben, den Höfen von Fürsten sich anschlossen und nicht mehr Liebentaler, sondern mit abgekürztem Namen bis heute Lieber genannt zu werden begannen. Denn so hebt das ungebildete Volk, die Ausdrücke und Namen verstümmelnd, manchmal die ganze Bedeutung auf, zuweilen nimmt es aber nur einen Teil weg, wie bei dem Namen dieser adeligen Bürger, die von einem lieblichen Tal, geliebtes Tal oder Liebental genannt, in dem sie eine feste Burg desselben Namens erbauten, die Herren von Liebental genannt wurden, ein Name, der das Wesen samt der Eigenschaft bezeichnet, geliebtes oder liebliches Tal. Jetzt aber ist nur die Eigenschaftsbezeichnung dieses Namens, nämlich "geliebtes" geblieben, daher werden sie Lieber genannt. Und vielleicht ist diese Verstümmlung absichtlich vorgenommen worden und von der Zeit an, da dieses Tal mit der Burg aufhörte ihr Besitz zu sein, wird "Tal" weggelassen. Oder vielleicht wurden sie von alter Zeit her vor dem Besitz des Tales Lieber genannt, aber nachdem sie das Tal erhalten, teilten sie ihm ihren Namen mit, und es wurde Liebertal genannt, ein Name, den später das Volk auch der Familie beilegte. Falls sie aber diesen Namen Lieber von Uranfang an führten, wenn sie aus lateinischen Römern hervorgingen, so wurde vom Volke der Zusatz dieses Buchstabens E gemacht; denn sie wurden liber genannt als liberi d. h. frei von den Lasten des Volkes, aber die Deutschen fügten nach ihrer Sitte zu dem I noch das E und verwirrten die Bedeutung, indem sie eine andere einführten, die auch etwas Gutes (pag. 99) bedeutet, nämlich die Liebe wegen ihrer Rechtschaffenheit und ihres friedlichen Verkehrs mit den Leuten. Als aber diese Familie der Lieber an den Höfen von Fürsten und Grafen sich verteilt hatte, schloß sich einer von ihr, ein wackerer Kriegsmann, im Waffendienst dem Hofe der Herren von Helfastein an, und dieser wuchs, nachdem er an Nachkommenschaft und Reichtum zugenommen, zu einer bedeutenden Familie heran. Einer von dieser Familie war in früheren Jahren, als eine Tochter des Königs von Ungarn einem Grafen von Helfastein gegeben worden war, Hofmeister und Küchenmeister bei der Hochzeit, was heute noch alte Leute bezeugen, die dabei gewesen. Als aber neuestens die Herren von Helfastein herunterzukommen anfingen, und da und dort ihre Dörfer, Burgen und Kastelle verkauften und verpfändeten und die Lieber für ihre Stellung reich waren, boten ihnen die Grafen die Herrschaft und Grafschaft von

1) Cf. pag. 58 (40).