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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

Schlagworte auf dieser Seite: Von der Zunahme der Stadt Ulm und wie sie ihre Besitzungen erworben hat

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heiligen Gesetze würdig wären, die so vortrefflich und nützlich waren, daß, wenn sie sie beständig gebrauchen wollten, sie eine ewige Herrschaft haben würden. Als nun aber die Römer für würdig erklärt worden waren und diese Gesetze erhalten hatten, erklärten sie sie und fügten noch zwei Tafeln hinzu. Und so wurden sie die Zwölftafelgesetze genannt. So durchforschten auch die Ulmer die Gesetze fast aller Staaten und reihten die für sie nützlichen und passenden in die ihrigen ein: und so lange sie nach diesen ihre Stadt verwalten, kommen sie vorwärts und wachsen; wenn sie aber von der Beobachtung der Gesetze abweichen, nehmen sie ab und kommen zurück.

Kap. 2.

Von der Zunahme der Stadt Ulm und wie sie ihre Besitzungen erworben hat.

Die Römer haben nach dem Zeugnis von Augustinus de civitate Dei [lib. 5 c. 16 und lib. 12 c. 16] die Herrschaft der Welt verdient, weil sie erstens nach den besten Gesetzen lebten, zweitens von Vaterlandsliebe erfüllt waren, drittens einen brennenden Eifer für die Gerechtigkeit hatten und viertens in Frieden und Freundschaft als Mitbürger einträchtig lebten. Hiedurch, sage ich, ist das der Welt einst unbekannte, geringe und kleine Rom erhöht und Herr der ganzen Welt geworden. So können wir in gleicher Weise verhältnismäßig von unserem Ulm reden, das einst klein und dessen Name auch in ganz Schwaben (pag. 140) nicht bekannt war, weshalb wir es in keinen alten Büchern aufgezeichnet finden. Denn unter eines Abtes Regierung erschlaffte es in langer Trägheit, und in sich hinschwindend und von seinem schläfrigen Körper niedergedrückt lebte es weder nach Vernunft, noch blühte es durch Reichtum, noch wuchs es an Menge des Volkes, sondern lebendig tot stand es ohne Namen und Ruf wie eine Null da. Plötzlich aber wurde es an dem Rad des Schicksals hängend in die Höhe getrieben und unter die ruhmreichen, ältesten und reichsten Städte versetzt, und bekam einen Namen und Ruf, so daß die Stadt jetzt die Herrin der edelsten Grafschaften und Baronien, Herrschaften, Städte, Dörfer, Burgen, Felder und Wälder ist, erlauchte Grafen, edle Barone und tapfere Kriegsleute, sehr viele ausgezeichnete Edle, Knechte und Diener hat und ein Schrecken gewaltiger Fürsten ist, gegen die so oft Kämpfe ausgehen von dieser Stadt, auf die ganz Schwabenland wie auf seine Hauptstadt sieht. Denn die Beobachtung ihrer überlieferten Gesetze hat diesen Bürgern die Augen geöffnet, ihre Vernunft geschärft und ihnen Kühnheit, Kraft, Macht und Reichtum gebracht.

Und was wunderbar zu sagen ist, fünf großartige und bedeutende Werke haben sie unternommen, die sie sozusagen zu einer und derselben Zeit im Verlauf von 50 Jahren vollendeten; wenn diese ein mächtiger König zugleich ausgeführt hätte, so wäre er ohne Zweifel als hochgesinnt, kühn und mächtig gepriesen worden. Und diese fünf Dinge vollbrachten die Ulmer zu derselben Zeit, wie sich ergeben wird. Das erste war die Befestigung der Stadt, das zweite die Gründung der Kirche der heiligen Jungfrau, das dritte das Bestehen von Schlachten und Belagerungen, das vierte der Ankauf von Herrschaften ringsum, das fünfte der Loskauf der Stadt von den Mönchen.

Von dem ersten ist zu bemerken, daß, als die Stadt Ulm, wie oben gesagt worden, erweitert worden war, sie viele Jahre lang ohne den Ring der Mauern dastand, während die Bürger mit der Aufrichtung ihrer eigenen Häuser beschäftigt waren. Denn von der Zeit König