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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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Berge und Höhlen finden, paßt aufs beste auf unsere Gegend, (pag. 198) wiewohl der geheimnisvolle Sinn der Fabeln, wodurch der Lauf der Natur bezeichnet wird, verloren gegangen sein mag. Gut also und passend kann das, was von den Quellen des Orients geschrieben ist, von den unsrigen verstanden werden bei sonst gleichen Verhältnissen. Daß aber nicht nur die Quelle von Blaubeuren (Burronis), sondern auch die Klippen und Felsen der Berge in seiner Umgebung mit ihren Grotten geheiligt gewesen seien, wird jedermann glauben, der die alten Gedichte gelesen oder einen Blick in Augustinus de civitate Dei oder in des Hieronymus Briefe oder in Eusebius de praeparatione evangelica oder in Johannes Boccacio über die Abstammung der heidnischen Götter getan hat, wenn man die schrecklichen Wohnungen der Nymphen rings um Blaubeuren (Burronis) an den Abhängen der Berge sieht. Denn wer sollte sich nicht wundern, wenn er die Abhänge hinansteigt und in die Schatten und dichten Dorngebüsche eindringt, auch von Staunen erfüllt beim Anblick der wunderbaren Höhlen und Klüfte, der Felsenspalten und der engen und breiten Felsengrotten? Nach diesem allem schließe ich, daß die Quelle von Blaubeuren (Burronis) mit ihren Bergen, Tälern und Wäldern einst den Göttern geheiligt oder wenigstens verehrungswürdig gewesen sei, da man auch wenig über der Quelle am Abhang Fundamente von sehr alten Gebäuden, Spuren von Tempeln findet, besonders jedoch an der Stelle des Klosters, wo der Zusammenfluß der zwei Flüsse Ach und Blau ist. Da nun an dem Ort lange dieser unheimliche Gottesdienst getrieben wurde, so machten die Tyrannen, als endlich der Dienst der Nymphen vernichtet war, aus dem Tempel von Blaubeuren (Burronis) einen Zufluchtsturm. Als hierauf die Welt durch den christlichen Glauben erleuchtet worden war, errichteten die Gläubigen auf den für die Nymphen gelegten Grundmauern eine Kirche zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers,

"der es verdient' mit den Wassern den Badenden zu benetzen."

Sobald aber der Ort dem Täufer Johannes geweiht worden war, wurde alle Unreinigkeit der Nymphen vertrieben, das Element des Wassers geheiligt und der Zulauf der Völker, der zur Befragung der Orakel der Nymphen stattgefunden hatte, zur Ehre dessen gewendet, der das Wasser heiligte. Und wie nun die Alten an einem bestimmten Tag im Jahr zum Tempel der Nymphen kanten und Feste voll Torheit feierten, so kamen sie seit der Nachfolge des hl. Johannes hier an dem Ort zusammen und feiern nun mit Gebeten, Predigten und Opfern das Fest unter großem Zulauf der Völker, und so wurde die Verehrung (pag. 199) und der Dienst der Nymphen am Wasser in einen Brautführer 1) der Gewässer verwandelt.

In der Folgezeit stand dieser Ort in solcher Ehre, daß die Christgläubigen es für unpassend hielten, daß ein so heiliger Ort und Tempel des Brautführers ohne beständigen Dienst der Kirche sei. Daher erbauten im Jahr des Herrn 1095 die edlen Herren von Adel, die Herren Pfalzgrafen. Heinrich und Hugo von Tuwingen hier ein Kloster zur Seite der Kirche des hl. Johannes und brachten fromme Mönche, die Brüder vom Orden des hl. Benedikt, herbei, indem sie ihnen die Kirche mit dem Kloster. übergaben und auf ihre Rechte verzichteten, und wiesen ihnen noch mehr andere Besitzungen zu ihrem Unterhalt an. Aber auch der edle Herr Hartmann der Ältere, Graf von Rugg, übertrug dem Kloster die Quelle der Blatt selbst

1) Lateinisch-griechisches Wortspiel: "honor Nympharum ad lymphas... in paranymhum lympharum."