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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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sie himmlische, wie den Jupiter; andere irdische, wie den Demiurg; einige unterirdische, wie den Pluto; einige Meer- und Flußgottheiten, wie Doris, 1) Neptun und die Nymphen oder Musen. Und diese Nymphen vervielfältigten sie, indem sie sagten, einige seien Meer-Nymphen, die sie Nayaden nannten, die Quell-Nymphen nannten sie Hamadryaden, die Brunnen-Nymphen Naptayaden, die Nymphen der Felder Nayden, die der Berge Orehaiaden, der Wälder Dryaden, und dies im Allgemeinen. Im Besonderen aber wiesen sie jeder Quelle und jedem Fluß eine eigene Nymphe zu, so der Castalischen Quelle die Nymphe Castalia, von der die Quelle auch bis heute ihren Namen hat. Durch solche Dichtung aber schmückten sie so die Sache aus. Als Neptun im Tempel des Pallas die überaus schöne Medusa geschwächt hatte, empfing und gebar sie infolge von dieser Vereinigung den Pegasus, d. h. ein Flügelpferd, das eherne Hörner, eiserne Füße, einen feurigen (pag. 197) Atem und einen windgleichen Lauf hatte. Als dieses Pferd kaum geboren davonflog und an die Stelle des Berges Parnassus gekommen war, ließ es sich in ein Tal auf die Erde nieder, um auszuruhen, und in dem engen, von Bergen umschlossenen Bezirk stehend, scharrte es, wie es die Natur der Pferde ist, mit dem Fuß auf die Erde, daß es bis zum Wasser durchdrang und aus der Quelle der Tiefe Wasser hervorsprang, und so blieb ein stets quellender Sprudel und beständiger Fluß. Als aber Pegasus von der Stelle sich in die Luft erhoben hatte, flog er an andere Stellen der Welt und wo es nur geschah, daß er ausruhte, da rief er durch Scharren Wasser hervor. An den Orten nun, wo Quellen herausflossen, verehrten diese Alten den Pegasus, von dem sie glaubten, daß er ein Gott geworden sei, in Tempeln, die sie ihm errichteten. Und nachdem dies gezeigt worden, wer zweifelt, daß die Alten die Verehrung des Pegasus mit viel Feierlichkeit in der Nähe der ansehnlichen Quelle von Blaubeuren (Burro) begangen haben, derengleichen meines Erachtens im ganzen Orient nicht gefunden wird. Aber auch von der Lernäischen Quelle wurde erzählt, daß ein Satyr die der Jagd in den Bergen obliegende Jungfrau Amonidas geraubt habe, die den Neptun zu Hilfe rief; dieser eilte herbei und führte sie selbst aus dem Wald von dem Satyr weg in ein Tal. Als er dort die Vereinigung mit ihr genoß, stieß er mit dem Dreizack heftig an die Stelle, wo er ihr die Jungferschaft geraubt hatte, und alsbald brach ein Wasser hervor, das einen nie versiegenden Fluß bildete, und die Aufsicht darüber übergab er der Nymphe Amonidas, deren Verehrung die Alten in feierlicher Weife hier beobachteten. Denn also entschädigte Neptun die Genossinnen seiner Lust, indem er sie zu Göttinnen machte als Nymphen der Quellen und Flüsse. Es konnte aber von den Alten passend vermutet werden, daß an der Stelle in Blaubeuren (Burronis) Neptun, nachdem er seine Lust gebüßt, tiefer gegraben oder seinen Dreizack stärker in die Erde eingestoßen und irgend eine Genossin seiner Lust hier als Königin der Hamadryaden-Nymphen eingesetzt habe. Vermutlich war von da an der Ort dem törichten Wahn der Alten besonders geheiligt und stand ein großes Heiligtum der Nymphen daselbst, obwohl unsere Vorfahren uns in ihren Schriften nichts davon hinterlassen haben; vielleicht sind ihre Schriften von den Nachkommen vernachlässigt zu Grunde gegangen. Die Griechen aber und Römer haben alle Taten ihrer Vorfahren gleichsam von Anfang an bis jetzt in ihren Schriften überliefert, woraus ihre Weisheit und Macht sehr viel Nutzen zog. Das also, was wir in den Schriften der Griechen und Lateiner aus ihrer Mythologie über Quellen, Flüsse,

1) Doris, Tochter des Oceanus und der Tethys, hatte 50 Töchter, die Nereiden, deren eine Thetis ist.