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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die hellenische Kunst

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Die hellenische Kunst.

schaffen könne. Ich bin sogar der Anschauung, daß Höheres geleistet wurde und wird. Dies hindert aber gar nicht, den Leistungen der griechischen Meister volle Bewunderung zu zollen. Die innige Verbindung, in welcher die Bildnerei mit der Baukunst stand, zeigt sich auch darin, daß vielfach die Bildhauer auch als Baumeister auftraten. Wir begegnen dieser Erscheinung, daß große Künstler sich nicht einseitig auf ein Kunstgebiet beschränken, sondern mehrere beherrschen, auch im Mittelalter, sowie in der neuesten Zeit.

Die Bildnerei des ersten Zeitraums. Wie die Anfänge der eigentlich griechischen Baukunst in Dunkel gehüllt sind und die ältesten dorischen Tempel schon eine fertige Entwicklung erkennen lassen, so ist dies auch bei der Bildnerei der Fall. Zwischen den Bildwerken der mykenischen Zeit und jenen des 7. Jahrhunderts v. Chr. fehlt ein erkennbarer Zusammenhang, die Zwischenstufen der Entwicklung sind uns unbekannt. Aus dem genannten Jahrhundert stammen die ältesten Ueberreste und diese lassen bereits eine ziemlich hohe Fertigkeit erkennen.

Entwicklung. Sie weisen auch darauf hin, daß die Bildhauerkunst von der Holzbildnerei ihren Ausgang nahm, denn die ganzen Formen der Steinbilder lassen deutlich ersehen, daß aus Holz geschnitzte Vorbilder nachgeahmt wurden. Daß auch für die Bildnerei die Religion den Anstoß zur Entwicklung gab, ist gewissermaßen selbstverständlich. Die älteste Zeit kannte allerdings keine Götterbilder; im Heiligtum des Tempels stand nur der "Thron" für die unsichtbare Gottheit, vor dem man die Opfergaben niederlegte.

Es waren auch nicht Götterbilder, welche zuerst in den Tempeln auftraten, sondern vielmehr Standbilder von Menschen, - vielleicht zunächst Bildnisse von Verstorbenen -, die als Weihegeschenke gestiftet wurden. Der Gläubige brachte sein oder seines verstorbenen Angehörigen Ebenbild im Tempel unter, wohl in der Anschauung, dadurch der Gottheit näher gerückt zu werden. Erst später stellte man auch die Gottheit in einem Bilde dar, und in der Zelle des Tempels wurde der Thron durch das Standbild ersetzt. Das geschah aber, nachdem die Kunst bereits vorgeschritten war.

In das 6. Jahrhundert fielen einige wichtige Erfindungen - das Löten des Eisens, der Erzguß in Hohlform - oder vielleicht richtiger gesagt, wurden diese Fertigkeiten auf griechischem

^[Abb.: Fig. 102. Diskoswerfer des Myron.

Marmornachbildung. Rom, Palazzo Lanzellotti.]