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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die hellenische Kunst

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Die hellenische Kunst.

dem Haupte des Zeus dar, in der linken Ecke tauchte Helios (Sonnengott) mit seinem Gespann empor, rechts versank Selene (Mondgöttin) mit dem ihren.

Der Westgiebel schilderte den Streit der Göttin mit Poseidon um die attischen Länder. Die Bedeutung der einzelnen Gruppen ist nicht sicher festgestellt, weshalb ich hier jede nähere Bezeichnung unterlasse. Uns genügt es, die Schönheiten erkennen zu dürfen, auch ohne den Namen des Einzelnen zu wissen. Die Frauengruppe vom Ostgiebel (Fig. 109) dürfen wir als das Schönste, was uns die Zeit des Phidias an bekleideten Gestalten hinterlassen hat, betrachten. Ungezwungen und doch mit höchster künstlerischer Vollendung, schmiegen sich die Gewänder den Körpern an, welche der Form des Giebels folgend, aus der sitzenden Stellung ohne jeden Zwang in die liegende übergehen. Damit ist die Aufgabe, welche schon beim Aeginäischen Tempel vorlag, auf das glücklichste gelöst. Vom Westgiebel gebe ich einen liegenden Jüngling (Fig. 111), welcher uns die gleiche Vollendung wie die Behandlung des Gewandes in der Darstellung des Nackten zeigt. Wir haben darin einen Vertreter des kraftvollen Jünglingskörpers, welcher die oben besprochene Gruppe der Jünglinge durch den Phidiasschen Typus ergänzt. An älteren Metopen, welche Kämpfe der Athener unter dem Schutze ihrer Göttin gegen die Kentauren darstellen, finden wir das Nackte nicht so vollendet und auch sehr ungleich. Es rührt dies daher, daß die Metopen am frühesten entstanden und von verschiedenen Händen gearbeitet sind. Ich gebe zwei Beispiele in Fig. 110, das erste zeigt noch eckige Formen und eine ungelenkere Darstellungsweise, das zweite ist vollendeter und nähert sich schon den Giebelgestalten. Der Fries dürfte zuletzt entstanden sein. Sein Inhalt schildert das größte Fest: Panathenäen (Fest für alle Athener), welches die Athener zu Ehren ihrer Göttin alljährlich, besonders prunkvoll aber jedes fünfte Jahr feierten. Ich kann hier leider nur eine Probe aus der Göttergruppe geben, doch zeigt diese, wie herrlich die künstlerischen und technischen Fähigkeiten entwickelt waren. Fleisch und Gewand, beides gleich schön in edler Natürlichkeit.

Die Parthenonbildwerke gaben nach ihrem Bekanntwerden erst den wahren Begriff von der Größe der antiken Kunst und auch ihrer Darstellungsgrenzen, für welche früher, zur Zeit des Klassizismus, die richtige Schätzung nicht vorhanden war.

Apollon von Neapel und Olympia. Der Apollon des Neapeler Museums und der Apollon vom Westgiebel des Zeustempels zu Olympia vertreten die Zeit der Ueberwindung der Steifheit des archaischen Stiles. Bei dem ersten ist es

^[Abb.: Fig. 143. Körper einer Aphrodite.

Neapel, Museo Nazionale.]

^[Abb.: Fig. 144. Mediceische Aphrodite.

Florenz, Uffizien.]