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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Islamitische Kunst

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Islamitische Kunst.

Mekka zum Grabe des Propheten Mohamed. Letztere sollte aber mehr dazu dienen, das Bewußtsein der Stammeseinheit, später der Religionsgemeinschaft zu festigen. Da es keine religiösen "Handlungen" gab, nur Gebete zu bestimmten Stunden verrichtet werden sollten, gleichviel an welchem Orte, bedurfte der Islam eigentlich auch keiner Gotteshäuser. Schärfer noch als das Christentum wandte sich der Islam gegen jede sinnliche Darstellung des übersinnlichen Gottes, um jede Erinnerung an heidnischen Götzendienst zu tilgen.

Eine sinnbildliche Darstellung der Lehren, wie sie die altchristliche Zeit kannte, war dem arabischen Volksgeiste fremd, und auch die Religionsgeschichte gab keinen Anlaß zu Darstellungen, wie sie das Leben Christi bot. Damit ist genügend angedeutet, daß der Islam auf die Kunst keine befruchtende Wirkung üben konnte, er vermochte ihr keinen neuen gedanklichen Inhalt zu gewähren wie das Christentum, weit eher mußte er ihr feindlich gegenübertreten.

Wenn auch der Koran nur Bildnisse Gottes, nicht aber solche von Menschen und Tieren ausdrücklich verwarf, so kam die strengere Auslegung unter den Nachfolgern Mohameds bald auch zu dem Verbot aller figürlichen Darstellungen. Somit war die Bildnerei überhaupt verpönt und die Malerei mußte sich auf reines Ziermusterwerk beschränken.

Nur die Baukunst vermochte sich zu entfalten, da man einerseits, den Gewohnheiten und Verhältnissen der eroberten Länder Rechnung tragend, Bethäuser (Moscheen) anlegte, andrerseits die Prachtliebe der Herrscher zu Palastbauten führte. Die islamitische Baukunst ist daher auch weit mehr weltlicher, als religiöser Art.

Unselbständigkeit der islamitischen Kunst. Da Arabertum und Islam weder einen eigentümlichen Gedankenkreis noch eine eigentümliche Formensprache mitbrachten, fehlten auch alle Bedingungen für eine selbständige Kunstentwicklung. Wir finden daher in der sogenannten islamitischen Kunst nur eine Vermischung von verschiedenen, bereits vorhanden gewesenen Richtungen und Formen, hauptsächlich der "antiken" und altchristlichen; auf einigen Gebieten, wie in Indien und Persien, auch noch von älteren, die dem ursprünglichen Volksgeiste entstammen. Die islamitische Anschauung macht sich dabei mehr in der Hinsicht geltend, daß sie bestimmte Kunstweisen ausschließt; der arabische Geist zeigt sich in der Vorliebe für gewisse, die Einbildungskraft anregende, prunkhafte Formen.

Baukunst. Was die Moscheen anbetrifft, so wurden in der ersten Zeit einfach christliche Kirchen in solche umgewandelt, und wenn man neue erbaute, bediente man sich dazu fremder (byzantinischer) Meister. Die einheimischen Künstler der späteren Zeit hielten sich auch an die vorhandenen Vorbilder und verwerteten diese ziemlich willkürlich, ohne Rücksicht auf inneren Zusammenhang, nur auf äußere Wirkung Bedacht nehmend. Bezeichnend ist die Freude an geschwungenen Linien, und diese bestimmen die ganze Erscheinung aller islamitischen Bauten. Rund- und Spitzbogen, Hufeisen- und Kielbogen werden mit Vorliebe angewendet, und in der Gestaltung derselben zeigen sich die islamitischen Künstler erfindungsreich. Ebenso werden die Kuppeln bevorzugt, die mancherlei absonderliche Um-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 225. Moschee des Sultans Hassan in Kairo.]