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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

datus in Pistoja (um 1150-1190) stehen auf einer ziemlich niederen Stufe; von größerer Bedeutung erscheint der Erzgießer Bonanus aus Pisa, dessen Ruhm groß genug war, daß er nach Sicilien berufen wurde, wo er die Erzthüren des Domes zu Monreale schuf, die freilich in der Formgebung den starken Einfluß der dort üblichen byzantinischen Weise und nur in der Auffassung der Vorgänge eine frischere Lebendigkeit verraten. Pisa war damals (seit Zerstörung Amalfis 1135) die mächtigste und reichste Stadt Toscanas und hatte gleichwie Venedig auch aus der Fremde allerlei Kunstwerke gesammelt. Es ist daher begreiflich, daß hier auch der Hauptsitz der mittelitalischen Kunstübung war, welche im 13. Jahrhundert ihre Blüte erreichte, die - hinsichtlich der Bildnerei - mit der Familie Pisano eng verknüpft ist. Wenn auch die ersten Arbeiten Niccolo Pisanos (1206-1278) dem romanischen Zeitalter angehören, so erscheint es doch angezeigt, das Auftreten dieses großen Meisters im Zusammenhange mit dem nächsten Zeitraume zu betrachten, und es mag hier die Bemerkung genügen, daß Niccolo die reineren Formen der "klassischen" Antike zum Muster nahm und diese geistvoll zu verwerten verstand.

Rom. Mit einer befangenen Nachahmung der späteren Antike begnügte man sich auch in Rom, wie das bekannte Petrusstandbild in der Peterskirche zeigt, das ganz die sorgfältige und zierliche Ausarbeitung der Einzelheiten und das Streben nach naturtreuer Bildnisähnlichkeit aufweist, wie sie den spätrömischen Werken eigen ist.

Süditalien. Ganz in byzantinischer Weise arbeiteten damals die Bildner Süditaliens. Hier hatte sich die oströmische Herrschaft einerseits am längsten erhalten, andrerseits war in der Zeit der Kämpfe mit den Arabern und Normannen die einheimische Kunst völlig in Verfall geraten, so daß, als die Normannen endgültig ihre Herrschaft begründet hatten, man darauf angewiesen war, den bildnerischen Schmuck der Bauwerke aus Byzanz zu beziehen. Von dort stammen die Erzthüren verschiedener Dome (Salerno, Monte Cassino, Monte Gargano, Amalfi u. a.) aus dem 11. Jahrhundert. Als nun die Arbeitsfertigkeit auch wieder im Lande selbst sich entwickelt hatte, folgten naturgemäß die einheimischen Künstler den gegebenen Vorbildern, zumal diese zu den besseren ihrer Art gehörten. Der frische nordische Geist, welcher durch die Normannen ins Land gebracht wurde, machte sich aber doch in erfreulicher Weise geltend, so daß es nicht bei einer sklavischen Nachbildung der Muster blieb, sondern zu einer Neubelebung der byzantinischen Kunstformen kam. Lebendige Natürlichkeit in Bewegung und Haltung, treffliche Wiedergabe des geistigen Ausdrucks und deutliche, oft sinnige Darstellung der Vorgänge sind Vorzüge, welche verschiedene Werke dieser Zeit auszeichnen, so die Erzthüren des Domes zu Benevent und jene zu Favello, Trani und Monreale, als deren Schöpfer Meister Barisanus von Trani (um 1179) genannt ist. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts finden sich auch in Unteritalien Anläufe zur Wiederbelebung der reinen Antike, indem man nach römischen Vorbildern arbeitet; es fällt dies zeitlich mit dem Auftreten Niccolo Pisanos zusammen.

Eine eigenartige selbständige Entwicklung zeigt die bildnerische Zierkunst Unteritaliens, welche am meisten von dem normannischen Geist durchdrungen erscheint und in der Fülle von Schmuckformen einen Reichtum von Erfindungsgabe einerseits, den Hang nach malerischer Wirkung andrerseits erkennen läßt.

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Kleinkunst und Kunstgewerbe. Anschließend an die Bildnerei mögen die Kleinkunst und das Kunstgewerbe betrachtet werden, da beide in einem engen Zusammenhange stehen, und im Grunde genommen die erstere ihren Ausgang von dem Kunstgewerbe nahm. Dieses befand sich schon im 10. Jahrhundert auf einer hohen Stufe und weist bedeutsame Arbeiten von hoher Schönheit auf.

Goldschmiedekunst. Auch auf diesem Gebiete hat Deutschland die Führung, und die erste Rolle spielt die Goldschmiedekunst, für welche ja die Germanen ebensowohl Vorliebe wie hohes Geschick besaßen. Seit Karl dem Großen befand sie sich in steter Entwicklung und es kann nicht überraschen, daß bereits unter den sächsischen Kaisern vorzügliche