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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

einstellt; der Schmuck besteht hauptsächlich aus Standbildern unter echten und Scheinbogenstellungen, welche die Schauseite fast ganz bedecken und auch unter der Dachgalerie der Türme angeordnet sind. Die Türme sind massiv, doch in ihrem eigentlichen Körper nicht sehr hoch. Außer dem üblichen Turm über der Vierung erheben sich noch zwei von kleinen Ecktürmchen begleitete über der Schauseite. Doch erscheinen diese mehr als Auswüchse oder Aufsätze der letzteren, denn als selbständige Bauglieder. Das Innere (Fig. 292) mir seiner überaus reichen Gliederung der Bogen und Stützen wirkt durch das "Zuviel" derselben auch nicht so ernst und bedeutend, wie das der französischen und deutschen Bauten.

Schloß Windsor. Das folgende Bild (Fig. 293) zeigt die Sonderstellung der englischen Gotik noch deutlicher. An die Stelle des hohen Spitzbogens ist fast durchwegs der gedrückte oder Tudorbogen getreten. Die Gliederung der Längsseiten geschieht durch einfache Strebepfeiler und Bogen, die Schmalseite wird fast ganz durch ein großes Fenster zwischen zwei Ecktürmen eingenommen. Das Maßwerk der Fenster ist einfach und mit starker Betonung der Senkrechten durchgebildet, wie es im "Pendelstil" üblich war.

Die Gesamtansicht von Schloß Windsor (Fig. 294) trägt den wehrhaften Ausdruck, der den englischen Schloßbauten eigen ist, und hauptsächlich durch die mächtigen Turmbauten mit Zinnenkränzen hervorgerufen wird. Schloß Windsor wurde unter Eduard III. durch Wilhelm von Wykeham an Stelle eines alten Palastes erbaut; die Georgskapelle entstand 1351-1474.

Hauptkirche zu Burgos. Erscheint die Gotik in England frostig und trocken, so verfiel sie in Spanien und Portugal in den entgegengesetzten Fehler zu großer Bewegtheit und Lebendigkeit und fast abenteuerlich ausschweifender Zierfülle, wie sie dem Volksgeiste entsprach. Die Hauptkirche von Burgos ist, wie schon auf Seite 305 gesagt wurde, eine fast getreue Nachahmung französischer Vorbilder. Der Bau wurde 1221 begonnen und war 1238 bis auf die Ausgestaltung der Schauseite fertig. Die Türme wurden erst viel später aufgeführt und 1539 über der Vierung eine Kuppel an Stelle einer eingestürzten älteren errichtet.

Chor von S. Leon. Portal von Barcelona. Aus der Zeit, in welcher der gotische Stil in Spanien seine Eigenart entwickelte, gebe ich als Beispiel (Fig. 296) den

^[Abb.: Fig. 317. Der Dom zu Florenz.]