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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei im 14. und 15. Jahrhundert

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Die Malerei im 14. und 15. Jahrhundert.

Filippo Lippi (1406-1496) hatte als Mönch sich mit der Malerei zu beschäftigen begonnen, war dann dem Kloster entlaufen, um schließlich durch den Papst vom Mönchsgelübde entbunden, eine von ihm verführte Nonne zu heiraten. Aus diesem Lebensgange erhellt schon die Natur dieses leichtlebigen Künstlers, der ohne ernsthaften Unterricht nur vermöge seiner malerischen Anlagen zu einem hochangesehenen und beliebten Meister werden konnte.

Im ganzen grundverschieden von den Vorgenannten vereinigt er doch verschiedene Züge derselben in sich. Seine Zeichnung ist weniger richtig, aber gefälliger als bei Castagno; die Natur erfaßt er nicht so genau wie Masaccio, dafür sieht er das Lebensfrohe besser; der engelhaften Anmut Fra Angelicos stellt er die irdische gegenüber. Filippo Lippi bricht in seinen religiösen Bildern vollständig mit der Ueberlieferung, welche in diesen einen Zug des erhaben Uebersinnlichen verlangte. Dies zeigen am besten seine Madonnen, welche durchaus "menschlich", unter Betonung des sinnlich Reizvollen aufgefaßt sind. Nicht mehr die religiöse, sondern die künstlerische Empfindung leitet seine Hand. Die Verweltlichung zeigt sich dann nicht nur in Nebendingen, wie in der zeitgenössischen, also naturtreuen Gewandung, sondern auch in der ganzen Darstellung der Vorgänge, welche wie Zeit- und Sittenbilder gegeben werden.

Die "Krönung Marias" in Florenz (Fig. 351) veranschaulicht diese Auffassung Lippis, dessen künstlerische Eigenschaften jedoch in seinen Wandgemälden im Dome zu Prato besser hervortreten. Das "Gastmahl des Herodes" (Fig. 352) zeigt auch eine andere in dieser Zeit häufig vorkommende Eigenheit: die Darstellung zweier Vorgänge auf einem Bilde, hier also den Tanz und die Uebergabe des Hauptes des Johannes. Die Anordnung in diesen Gemälden ist geschickt, die Gestalten haben jede ihren eigenartigen Ausdruck, und in den Einzelheiten bemerkt man eine sorgfältige, auf das Gefällige bedachte Durcharbeitung.

Benozzo Gozzoli. Wenn Filippo Lippi von selbst aus die malerische Bahn Fra Angelicos eingeschlagen hatte, so that dies als dessen unmittelbarer Schüler auch Benozzo Gozzoli (1424-1498), der sich dann in mancher Hinsicht auch der Weise Lippis anschloß und insbesondere die Darstellung von biblischen Vorgängen im Gewande der Zeit noch mehr ausbildete. Seine Hauptwerke, die Wandgemälde im Campo santo zu Pisa, wirken eigentlich wie Sittenbilder seiner Zeit; das Nebensächliche wird mit besonderem Fleiße behandelt, und hierin liegt auch der größte Reiz dieser Bilder. Das Beste darunter ist "die Trunkenheit Noës"; die volkstümlich sprichwörtlich gewordene Gestalt der "Schamhaften" ist hier mit vorzüglicher Lebenswahrheit wiedergegeben (Fig. 353).

Das Bildnerische in der Malerei. Die auf bildnerische Formgebung hinarbeitende Richtung fand im Grunde genommen immer noch mehr Anhänger als die rein malerische. Ueberhaupt konnte sich dem Einfluß derselben keiner der italienischen Maler des 15. Jahrhunderts ganz entziehen, und dieses Vorherrschen des Bildnerischen ist geradezu bezeichnend für diese Zeit. Die Erklärung dafür giebt einerseits die hohe Blüte der Bildnerei seit Ghiberti und Donatello und das große Ansehen, welches deren Werke im Volke genossen,

^[Abb.: Fig. 350. Paolo Uccello. Denkmal des John Hawkwood.

Florenz. St. Maria del Fiore.]