Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

497

Die Zeit der "Renaissance".

sind durch Gesimse und Wandpfeiler gegliedert, die Verhältnisse sind edel und einfach; einen abenteuerlichen Eindruck machen dagegen die Aufbauten an dem Dache, die Ecktürme haben Giebel, hohe schlanke Essen und auf Säulen ruhende Kuppelaufsätze, ebenso kraus und wunderlich ist der Hauptbau selbst gestaltet, und das Ganze macht einen märchenhaften Eindruck.

Das freie Spiel der Einbildungskraft zeigt sich in allen Einzelheiten, doch auch die Baufügung ist sinnreich, wenn auch der Baumeister in der inneren Einteilung die mittelalterlichen Grundformen noch nicht völlig den neuen Anforderungen anzupassen verstand.

Aehnlicher Art waren die anderen Lustschlösser des Königs Franz I., Blois, Fontainebleau (Fig. 495), St. Germain (ein Umbau des alten Schlosses aus dem 13. Jahrhundert) (Fig. 496) und das zerstörte Schloß Madrid im Boulogner Gehölze bei Paris, bei denen überall die Verbindung mittelalterlicher Grundanlage mit Renaissanceformen hervortritt, teilweise auch der Einfluß des italienischen Stiles zur Geltung kommt.

Dieser anmutige und gefallsame Stil der ländlichen Lustschlösser fand dann auch Eingang in den Städten und wurde nicht nur bei vielen Wohnhäusern (den "Hotels", städtischen Absteigequartieren des Hochadels), sondern auch bei Rathäusern, z. B. in Orleans angewendet (Fig. 497). Bei dem letzteren ist die Verbindung gotischer und Renaissanceformen mit großer Freiheit und Feinheit in echt französischem Geiste durchgeführt.

Der strengere Stil. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts trat nun eine Wendung ein, nachdem die französischen Baukünstler durch ihre Studien in Italien mehr mit der dortigen Bauweise sich vertraut gemacht hatten und nun die Verdrängung der gotischen Grundzüge durch strengere Ausbildung der reinen antiken Formen anstrebten. Man läßt sich nicht mehr allein von dem Spiele der Einbildungskraft leiten, wird maßvoller und einfacher, gestaltet die Anlage noch klarer und ebenmäßiger, mit besonderer Rücksicht auf Geräumigkeit und Bequemlichkeit, ersetzt die runden Ecktürme durch viereckige Vorbauten, "Pavillons", und die Wendeltreppen durch breite geradlinige Stiegen. Nur das hohe Steildach bleibt.

^[Abb.: Fig. 497. Stadthaus in Orleans.]