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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

vorzugt und diese immer als vorbildlich hinstellt, erklärt sich leicht daraus, daß es eben galt, der herrschenden italienischen Richtung entgegenzutreten und zu zeigen, daß es auch noch anderwärts eine nachahmenswürdige Kunst gebe. In seiner Lehre von der Baukunst ist nur ein echt deutscher Zug bemerkenswert, der an die Auffassung des romanischen und gotischen Zeitalters anknüpft: er behandelt nämlich eingehend die sinnbildliche Bedeutung der Bauformen, welche er bei der Anwendung der letzteren beachtet wissen will. So erklärt er die korinthische Ordnung, als die "ansehnlichste", für Klöster und Madonnenkirchen geeignet; die jonische, weil sie auf weibliche Körpermaße bezogen sei, passe für Heilige; die römische, weil frech und leichtfertig, für fürstliche Paläste; die toskanische, ob ihres männlich-heldenhaften Charakters für Christus und männliche Heilige. Die Antike ist auch ihm das unerreichte Vorbild und Vitruvius daher für ihn maßgebend, die Gotik betrachtet er als eine Verirrung und "Unordnung", weil die Deutschen "von Geschicklichkeit und Verstand sehr weit damals abgewichen seien".

Sandrart's Beziehungen zu dem pfalzgräflichen Hofe in Neuburg a. D. lassen die Vermutung zu, daß er auf den aus letzterer Stadt stammenden "Maurermeister" Johann Serro eingewirkt habe; welcher als der Erbauer der beachtenswerten Stiftskirche von Kempten (1652) (im Allgäu) genannt wird. Sie stellt eine eigenartige Verbindung einer mit Kuppel versehenen Centralanlage mit einem Langhause dar, das Zierwerk ist einfacher als bei den italienischen Bauten, die Stirnseite ziemlich nüchtern gebildet, dennoch wirkt das Ganze malerisch. Diesem Beispiele eines in selbständiger und zwar mehr deutscher Auffassung geschaffenen Werkes schließen sich freilich zunächst nur wenig andere an, denn allmählich nur vollzog sich der Umschwung, und erst unter Kaiser Josef I. drang die deutsche Kunst wieder zu Ansehen und Geltung durch.

Dientzenhofer. Unter den deutschen Meistern, welche zu dieser Wandlung beitrugen, ist der Bayer Georg Dientzenhofer zu nennen, welcher die merkwürdige Dreifaltigkeitskapelle in Waldsassen baute, deren Grundriß auf dem gleichseitigen Dreieck beruht, dessen Spitzen in Halbbogenform gebildet sind. Wenn auch der Bau als solcher künstlerisch nicht hoch steht, so zeugt er doch für das Bestreben, einen neuen Gedanken zum Ausdruck zu bringen und etwas Eigenes, von dem Herkömmlichen abweichendes zu schaffen. Man mag den Einfall "barock" nennen, aber als Aeußerung selbständiger Erfindungsgabe gebührt ihm Anerkennung. Der gleiche Gedanke lag der Dreifaltigkeitskirche in der Baura bei Lambach (Oberösterreich) zu Grunde, welche 1713-25 erbaut wurde. Bei dieser beruhte alles auf der Dreizahl; der Bau ist dreieckig, hat drei Thüren, drei Altäre, bei der Ausführung und Ausschmückung wurden immer je drei Meister beschäftigt, für die Baukosten waren 333333 Gulden bestimmt. Es sollte eben in allem auf die göttliche Dreieinigkeit sinnbildlicher Bezug genommen werden.

Bedeutender als Georg Dientzenhofer erscheinen seine Söhne oder Neffen (die Verwandtschaft läßt sich nicht klarstellen) Christof und Johann Leonhard. Von dem ersteren stammt die Benediktinerkirche St. Margareth bei Prag, von letzterem die Klosterkirche zu Banz bei Coburg, welche eine ganz eigentümliche Gestaltung des Gewölbes zeigen, die Wandpfeiler sind nämlich übereck gestellt, und die von ihnen ausgehenden Gurten bilden Kurven, welche sich gleich gotischen Rippen an das Gewölbe anlegen. Es wird hier die "barocke" Art Guarinis, alles in krummen Linien zu bilden, von deutschen Meistern aufgenommen und eigenartig verwertet. Auch in der Jesuitenkirche auf der Kleinseite zu Prag, an deren Bau Christof Dientzenhofer beteiligt war, finden sich Anklänge an diese Art; die in großen Verhältnissen gehaltene Kirche zeichnet sich durch schöne Raumwirkung und kräftige Formengebung aus.

In Böhmen regte sich damals überhaupt der deutsche Geist ganz gewaltig und das kam im Bauwesen auch dadurch zum Ausdruck, daß man wieder auf den gotischen Stil zurückgriff. In dieser Richtung war hauptsächlich der Prager Meister Bayer thätig, welcher die Umbauten der Klöster Sedletz (bei Kuttenberg) und Kladrau (bei Mies) ausführte und dabei in Grundanlage wie in Einzelformen die gotische Bauweise, freilich