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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. ^[Titel nicht im Original]

Niederlande.

Die Scheidung der Niederlande. Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts war für die lebensfrohen, blühenden Niederlande eine Zeit tiefster Zerrüttung und schweren Leidens. Zwei in ihrer Volkseigenart verschiedene Stämme saßen hier, im Süden die romanischen Wallonen, den Franzosen auch in ihrem Wesen verwandt, im Norden die Vlämen, Holländer und Friesen, durchwegs Germanen, aber doch untereinander verschieden; jeder Gau von eigener Sonderart. Der Erbfehler der Deutschen, sich in kleinen Gemeinschaften von den andern Volksgenossen abzuschließen und das ganze Volkstum in selbständige Einzelglieder aufzulösen, trat auch hier zu Tage. Ein gemeinsames Band hatte bisher alle Gaue, die romanischen und deutschen zusammengehalten: die "politische Freiheit". Als Glieder des deutsches Reiches genossen die Niederlande eine Unabhängigkeit, welche ihre Bürger reich und stolz werden ließ. Die habsburgischen Kaiser Maximilian und Karl V. waren ihnen gewogen und förderten den Aufschwung der Städte, ließen deren Vorrechte unangetastet. Die religiöse Bewegung der Reformation hatte auch hier mächtigen Widerhall gefunden, der Protestantismus gewann allenthalben eine rasche Verbreitung unter dem selbstbewußten Bürgertum. Mit dem Tode Karls V. änderte sich die Sachlage; die Niederlande fielen an Spanien, dessen König Philipp II. der politischen Freiheit ebenso feindlich gegenüberstand, wie dem Protestantismus. Die Niederlande sollten nicht nur wieder katholisch werden, sondern auch ihre Vorrechte, ihre Selbständigkeit aufgeben und der selbstherrlichen Königsgewalt sich unterwerfen.

Der Angriff auf die verfassungsmäßige Freiheit einigte vorerst alle Gaue zur gemeinsamen Abwehr, Katholiken und Protestanten standen zusammen im Kampfe gegen die spanische Weltmacht. Es war ein ungleiches Ringen mit einem überlegenen, rücksichtslosen Gegner, der mit grausamer Gewalt und mit berechnender Klugheit in der Ausnutzung der Verhältnisse vorging. Die Germanen mit ihrer trutzigen Zähigkeit hielten aus, aber die Wallonen erlahmten zuerst und beugten sich. Auf das romanische Volkstum übte der Katholizismus seine Anziehungskraft aus, und als politische Zugeständnisse gewährt wurden, sagten sich auch die beweglicheren, vielfach mit romanischem Blut durchsetzten Vlämen von dem reingermanisch-protestantischen Norden los. Die Niederlande schieden sich in zwei Teile, die kaum mehr etwas gemeinsames hatten. In den südöstlichen Gauen Belgiens kam mit dem Katholizismus auch die französische Sprache zur unbedingten Herrschaft, die nördlichen Provinzen - Holland - blieben deutsch und erkämpften sich schließlich ihre Unabhängigkeit. Jeder Teil ging nun seine eigenen Wege, auch in der Kunst.

Belgien. In dem katholischen Belgien übte der Jesuitenorden den gleichen mächtigen Einfluß auf das gesamte geistige Leben wie in Süddeutschland, und somit schlug auch die Kunst ähnliche Bahnen ein. Nach den Jahren des heftigsten Kampfes war das Bedürfnis nach fröhlichem Lebensgenuß um so stärker geworden und auf die finstere Strenge protestantischer Eiferer, welche nicht nur gegen die Bilder in den Kirchen, sondern gegen Pflege der Kunst überhaupt aufgetreten waren, folgte der Rückschlag, indem man der sinnfälligen Schönheit um so lebhafter huldigte, als auch die Kirche dies begünstigte, um dadurch auf die Gemüter zu wirken. In einem Punkte besteht ein wichtiger Unterschied zwischen den Wirkungen der jesuitischen Kunstauffassung in Belgien und Deutschland. Hier war sie volksfremd und trat der heimischen-volklichen Kunst feindlich gegenüber, dort dagegen traf sie auf eine verwandte Geistesrichtung, und erwies sich daher mehr förderlich, weil sie nicht erst die bestehende Eigenart zu bekämpfen brauchte.

Die lebhaften Beziehungen zu Italien, welche der Katholizismus vermittelte, wurden der heimischen niederländischen Kunst auch weniger gefährlich, als es in Deutschland der