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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

treue in der Linienführung auf den Reiz malerischer Stimmung gänzlich verzichtete. Naturwahrheit im höheren Sinne ist ihm jedoch nicht eigen; in seinen venetianischen Ansichten ist allerdings Luft- und Lichtstimmung naturwahr, aber fast immer die gleiche, und diese ihm gewohnte überträgt er auch auf die Ansichten der deutschen und polnischen Städte, die er in München, Dresden und Warschau malte. Gerade der am wenigsten berühmte Guardi übertrifft die Vorgenannten sowohl an Verständnis für die Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen wie auch an wahrhaft malerischer Auffassung derselben: seine Ansichten sind wohl weniger scharf gezeichnet, aber von lebhafterer Farbe und daher auch reizvoller. Letzterer hat deshalb in der Folgezeit auf die Entwicklung der Landschaftsmalerei einen stärkeren Einfluß geübt, als die kühl-verständige Weise der Canalettos.

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Belgien. Rubens. In den Niederlanden war die Malerei in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ebenfalls auf den Abweg der "Manier" geraten. Jene Künstler, welchen die gedankenlose Nachahmung der heimischen Vorgänger nicht behagte und die daher neue Anregungen suchten, holten sich diese aus Italien, gaben dabei die heimische volkliche Eigenart auf und wurden, genau genommen, auch wieder "Manieristen", nur daß sie fremden Vorbildern folgten. Auf diesem Wege war eine Erneuerung der Kunst noch weniger möglich; dazu bedurfte es entweder einer machtvollen, künstlerischen Persönlichkeit, deren überlegener Kunstgeist eine neue Bahn brechen konnte, oder einer allmählichen Wandlung des volklichen Kunstgeistes, der auf eine neue Richtung hindrängen mußte. Das erstere war der Fall in den vlämischen Gauen, das letztere trat ein in Holland. Von der geistigen Scheidung der beiden niederländischen Gebiete wurde bereits an früherer Stelle gesprochen, und es genügt daher hier, auf diese Erörterungen hinzuweisen.

Unter den glänzenden Erscheinungen jener "Künstlerfürsten", die nicht nur unter ihren Genossen, sondern auch in der Gesellschaft und im öffentlichen Leben den Rang der Vornehmheit besaßen, ist eine der liebenswürdigsten Peter Paul Rubens. Er entstammte einer Antwerpener Familie, sein protestantischer Vater hatte jedoch auswandern müssen und lebte in den Rheinlanden. In Siegen wurde 1577 Peter Paul geboren; die erste Jugend verbrachte er in Köln, denn erst nach des Vaters Tode (1587) durfte die Familie nach

^[Abb.: Fig. 681. Rubens: Der bethlehemitische Kindermord.

München. Pinakothek.]