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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Rombouts, der Sittenbilder im Stile Caravaggios schuf, oder der Bildnismaler Cornelis de Vos; doch nur einem gelang es, sich einem Rubens zur Seite stellen zu können: Jacob Jordaens (1593-1678). Er war ebenfalls ein Schüler van Noorts gewesen und hatte von diesem die Vorliebe für das Volkstümlich-Derbe überkommen; dadurch nun unterscheidet er sich wesentlich von Rubens, daß er die niedrigen und gemeinen Züge des Lebens heraushebt, wie jener die schönen und edlen. Er ist ebenso wenig eigentlicher Naturalist, wie Rubens; nicht wirklichkeitstreu im strengen Sinne des Wortes, bietet aber ebenfalls "Wahrheit", nur sieht er die Dinge von einem anderen Standpunkte aus an. Rubens ist der vornehme und feine Mann der "guten Gesellschaft", Jordaens der Mann aus dem Volke, der vor allem ein scharfes Auge für das Belustigende im alltäglichen Leben hat. In großzügiger Anordnung der Gruppen, in der Sicherheit der Formbehandlung, in der kraftvollen geistigen Farbengebung steht letzterer kaum dem Hauptmeister nach, namentlich in der Beleuchtung vermag er großartige Wirkung zu erzielen. Seine besondere Eigenheit, welche Rubens ganz fehlt, ist jedoch der Humor, der Sinn für die lustigen Schwächen der Menschen, und dies versöhnt einigermaßen mit der unedlen Auffassung. Die religiösen Bilder des Jordaens erscheinen daher auch wenig ansprechend, man konnte beinahe oft sagen, des Gegenstandes unwürdig. Die Gestalten sind roh, dem alltäglichen Leben entnommen und entbehren jedes Ausdrucks einer höheren religiösen Stimmung, vorzüglich ist aber immer die Lichtwirkung, und wenn man die dargestellten Vorgänge nicht als religiöse, sondern als Volksscenen betrachten wollte, so könnte man an dem Malerischen der Bilder sich erfreuen. Dieser Widerspruch zwischen dem Gegenstande und der Art der Auffassung macht sich weniger fühlbar bei den Darstellungen aus der antiken Sagenwelt, und bei den Allegorien, nur daß hier wieder oft die Neigung zum Unflätigen hervortritt. Rubens hat zwar auch die sinnlichen Reize stark betont, aber die Ausartung ins Lüsterne zu vermeiden gewußt, während Jordaens in dieser Beziehung ziemlich weit geht. Am besten gelingen ihm die Darstellungen von Satyren, die er mit unerreichter Meisterschaft schildert; da er dabei auch seinen Humor frei entfalten kann, so wirken diese Bilder mit ihren leuchtenden Farben und kraftvollen Zeichnung ungemein anziehend. Aus gleicher Höhe stehen die Sittenbilder; die zwar unfeinen und wüsten Vorgänge bei den Gelagen werden mit einer Lebenswahrheit und einem Humor wiedergegeben, die, ganz abgesehen von der malerischen Kunstfertigkeit, zur Bewunderung zwingen (Fig. 685). Nach Rubens Tode war Jordaens der angesehenste vlämische Maler und seine Werke wurden gesucht, gerade wegen ihrer derbsinnlichen Art fanden sie in den Kreisen einer Gesellschaft mit lockeren Sitten Anklang, und in diesem Sinne ist auch er ein bezeichnender Vertreter der Geschmacksrichtung seiner Zeit.

Entgegen der Vielseitigkeit eines Rubens erscheint schon bei Jordaens das Darstellungsvermögen auf eine kleine Anzahl von überdies ziemlich verwandten Fächern beschränkt, und selbst da leistet er nach jeder Richtung hin Befriedigendes nur in einer besonderen Art mythologischer Bilder und Sittenbilder und in Ebenbildnissen, die jedoch wenig zahlreich sind. Noch mehr tritt diese bis zur Einseitigkeit gehende Beschränkung zu Tage bei einer

^[Abb.: Fig. 687. Honthorst: Ein Mahl.

Florenz, Uffizien.]