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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Maßhalten und ein geläutertes Schönheitsgefühl waren ja die beiden Haupterrungenschaften, welche die früher Genannten von ihren italienischen Studienfahrten heimbrachten; sie fehlen dem strengvolklichen Meister, der dafür die heimische Eigenart vollkommener zum Ausdruck bringt.

Weniger einseitig tritt sie hervor bei zwei anderen Künstlern, die sonst gleichfalls eine große Selbständigkeit bekunden: Francisco de Ribalta und Juan de las Roelas, welch' letzterer durch eine stimmungsvolle, weiche Farbengebung von seinen Landsleuten in auszeichnender Weise sich unterscheidet. Ein Schüler des letzteren, Francisco Zurbaran (1598-1662), erhebt sich zu größerer Bedeutung durch seine auf eindringlichen Naturstudien beruhende, einfachschlichte Wahrheit sowohl in der Formensprache wie in der Wiedergabe der inneren Bewegung. Er malte fast ausschließlich Mönchsbilder, und daß er dabei sich niemals wiederholt, sondern immer eine neue Auffassung zeigt, legt wohl auch Zeugnis ab für seine künstlerische Kraft.

Aus Ribaltas Schule war der bereits besprochene Jose Ribera hervorgegangen, welcher das Haupt der neapolitanischen Maler wurde und daher mehr zur italienischen Kunst als zur spanischen gehört. Für letztere lag darin eine Art "Befähigungsnachweis", nun auch über die heimatlichen Grenzen hinaus Ansehen und Bedeutung zu gewinnen.

Velasquez. Dieses Ziel, in der Weltkunst eine Stelle in der ersten Neihe einzunehmen, erreichten die zwei Hauptmeister der spanischen Malerei: Velasquez und Murillo, beide aus Sevilla stammend, welches überhaupt unter den spanischen Kunststätten die hervorragendste Rolle spielte. Diego Rodriguez de Silva-Velasquez (1599-1660) hatte seine erste Ausbildung bei Herrera genossen, der in der ungeschminkten Wiedergabe der Wirklichkeit noch weit über seine Zeitgenossen hinausging. Selbst Morales hatte noch einigermaßen sich an die überlieferten Anschauungen gehalten, wie sie sich unter den Einflüssen der italienischen und niederländischen Vorbilder entwickelt hatten; Herrera setzte sich kühn darüber hinweg und wollte die Erscheinungen genau so geben, wie sie wirklich sind. Seine Kraft reichte allerdings nicht aus, diese Wahrheit auch künstlerisch zu gestalten, sein Vorgehen blieb jedoch nicht ohne nachhaltige Wirkung auf das jüngere Künstlergeschlecht, und was er selbst nicht erreichen konnte, das gelang seinem Schüler. Velasquez besaß die seltene Gabe, das Wesen der Natur "an und für sich" zu sehen, ohne irgendwelche Beeinflussung durch das eigene Selbst. Bei den meisten tritt letzteres mehr oder minder ein; auch bei der genauesten Beobachtung der Natur sehen sie dieselbe doch nur so, wie es ihrem eigenen Wesen entspricht, und tragen unwillkürlich ihre Anschauungen in dieselbe hinein; Velasquez faßte sie mit der unbeeinflußten Treue eines "photographischen Apparates" auf und gab sie ebenso unmittelbar wieder. Während aber der Apparat nur die äußeren Formen festhalten kann, drang Velazquez' scharfer Blick auch in das innerste Wesen ein, und in dieser Begabung, Formen und Innerlichkeit gleichmäßig zu erkennen und beides mit vollster Sicherheit wiederzugeben, liegt die künstlerische Eigenart des spanischen Meisters. Dazu gesellte sich die vollendete Beherrschung aller malerischen Ausdrucksmittel, so daß Velasquez das, was er wollte, mit müheloser Leichtigkeit zur Erscheinung bringen konnte.

^[Abb.: Fig. 703. Velasquez: Weibliches Bildnis.

Berlin. Kgl. Galerie.]