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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Schlagworte auf dieser Seite: Häusliches Mißgeschick

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wie man beim Anblick der pompösen Speisekarten großer Hotels oder Restaurants denken möchte. Ein Sachverständiger, d. h. ein solcher, der über den Nährwert einer Speise ein Urteil abzugeben berechtigt ist, hat jüngst den Ausspruch getan, daß unsere Köche noch heute manches von den sogenannten Wilden lernen könnten. Auch sei die Zubereitung des Fleisches durch Einführung der Sparkochapparate und der Gaskocher neuerdings erheblich zurückgegangen. Als bestes Verfahren der Fleisch zubereitung ist das Rösten anzusehen, das offen vor dem Feuer geschieht. Der Vorzug des Röstens liegt nicht in einer Einbildung, sondern der Geschmack eines so behandelten Fleisches ist viel besser, sein Gewebe im allgemeinen zarter als bei gebratenem oder gekochtem Fleische. Nun ist es aber eine unbestreitbare Tatsache, daß der Geschmack und die Zartheit des Fleisches im wesentlichen Zusammenhange mit der Verdaungsfähigteit und somit auch mit dem eigentlichen Nährwerte stehen. Ohne Eßlust ist auch die Verdauung träge, und es ist mehr als eine Redensart, wenn man sagt, daß die Verdauung schon vor dem Essen beginne. Ganz gewiß werden die Vorgänge der Verdauung in unserem Körper schon beim Anblick einer unsere Eßlust reizenden Speise erregt, ebenso durch einen appetitlichen Geruch. Es ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen, daß der Anblick gut zubereiteter Gerichte unmittelbar eine Ausscheidung von Magensaft veranlaßt, demnach die Maschinerie der Verdauung in Bewegung setzt. Selbst wenn im übrigen der Nährwert des Fleisches in den verschiedenen Arten der Zubereitung derselbe bliebe, so würde demnach das Verfahren doch von ausschlaggebender Bedeutung für die Bekömmlichkeit der Speisen sein. Als das Ideal eines Bratens schätzen alle, die es kennen, das Ergebnis der bei den Naturvölkern üblichen Art allmählicher Röstung durch heiße Steine. Das Fleisch erhält dadurch eine so köstliche Beschaffenheit, wie sie ihm vielleicht durch den geübtesten Koch und mit den feinsten und modernsten Mitteln nicht gegeben werden kann. Das Geheimnis liegt dabei in dem langsamen Kochen des Fleisches und aus demselben Grunde ist das Braten am Rost dem Braten im Ofen weit vorzuziehen. Die langsame Durchhitzung des Fleisches hat einen ganz entschiedenen Vorteil in der Erhaltung des Nährwertes. Wenn die Tür eines in Benutzung befindlichen Bratofens aufgemacht wird, so strömt ein Duft daraus hervor, der nicht unähnlich dem eines eben ausgeblasenen Talglichtes riecht, während der Geruch eines Bratens auf dem Rost stets angenehm ist. Im Bratofen wird das Fleisch abgeschlossen in heißer Luft gekocht, die die Neigung hat, das Fett in scharfe Stoffe zu zersetzen. Beim Rösten wird der Braten durch strahlende Hitze zubereitet, gleichsam durch ein Bombardement von Wärmewellen; während die Luft zwischen dem Braten und dem Feuer verhältnismäßig kalt sein kann, nimmt der Vorgang des Röstens seinen Fortgang. Die Gründe, weshalb das ausgezeichnete Zubereitungsverfahren, das allerdings bei uns immer verhältnismäßig wenig in Aufnahme gewesen ist, neuerdings noch seltener ausgeübt wird, liegen hauptsächlich in der größeren Bequemkeit anderer Zubereitungen, bei denen namentlich das fortwährende Begießen und andere kleine aber wichtige Aufmertsamkeiten der Bedienung fortfallen. Mit der Zeit wird aber doch wohl die hygienische Aufklärung auch in der Küche ein Wort mitzureden haben, und es muß darin wohl manches verbesserungsbedürftig sein, wenn ein Hygieniker den Ausspruch tun kann, daß ein Arbeiter, der sein Stück Fleisch am Spaten über ein paar Holzscheiten röstet, eine nahrhaftere und schmackhaftere Speise gewinnt, als wir sie gewöhnlich von unserem Kochherd erhalten. (Aus "Hof und Herd".)

Häusliches Mißgeschick.

"Ueber ein gutes Essen

Kann man alle Philosophie vergessen;

Aber über die beste Philosophie

Das Essen nie."

Es weht ein materialistisch-realistischer Luftzug durch diese Verse; aber ein Stück Wahrheit liegt doch in ihnen. Alle Adamskinder, wir selber nicht ausgenommen, sind für ein "gutes Essen" empfänglich und diejenigen, die behaupten: "Mir ist es ganz gleich, was und wie ich esse," kennen sich selber nicht; denn gerade sie können sich über ein mißglücktes Leibgericht nach Noten ärgern.

Gute Hausfrauen, tüchtige Köchinnen geben sich redlich Mühe, "alles recht zu machen". Aber trotz aller Vorsicht und Umsicht kommt es doch vor, daß einmal etwas verdirbt, ein anderesmal etwas mißlingt, eine Mayonnaise gerinnt, eine Suppe versalzen wird 2c. Leider geschieht dies meist gerade dann, wenn es einem am unangenehmsten ist. Trostlos steht man in der Küche und fragt kleinlaut: "Was tun?"

Oft ist guter Rat wirklich teuer; aber in den allermeisten Fällen von Mißgeschick läßt sich mit Vorsicht und etwelcher Umsicht noch helfen und retten, was noch zu retten ist.

In heißen Sommertagen kommt es bisweilen vor, daß man bei aller Vorsicht Fleisch erhält, das nicht mehr ganz frisch ist. Wurde dasselbe auf Eis gelegt, so sieht es äußerlich gut aus und die Geruchsnerven werden nicht beleidigt. Muß man dieses Fleisch nun einige Stunden oder gar über Nacht ohne Eiskasten aufbewahren, so bemerkt man leider, daß es "angegangen" ist. Dies gilt namentlich von den zartesten und fleischigsten Stücken: Filet, Kalbfleisch in der Nähe von Knochen und Knorpeln 2c. Ganz schlechtes Fleisch müßte als gesundheitsschädlich unbenutzt bleiben; blos angegangenes