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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Schlagworte auf dieser Seite: Etwas vom Bilderaufhängen

Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus XIII. Band. Nr. 16

Erscheint wöchentlich. Abonnement jährlich Fr. 2.50; als Beilage zum "Schweiz. Familien-Wochenblatt" gratis. Inserate die kleine Zeile 25 Cts.

Verlag von Th. Schröter, Obere Zäune 12, Zürich.

1903. 17. Oktober. Inhalt: Etwas vom Bilderaufhängen. (Schluß). - Skandinavische Küche. - Die Kinder und der Arzt. - Fleckenreinigung. - Hausmittel und Rezepte. - Vermischtes. - Eingegangene Kochrezepte und Anderes für unser Preisausschreiben vom 4. Juli. - Briefwechsel der Abonnenten unter sich. - Kunstschule für Damen in Zürich. - Inserate.

Etwas vom Bilderaufhängen.

Von K. Winzer.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Freilich läßt sich nun in der Theorie sehr schön Rat geben, in der Praxis gestaltet sich das Dekorieren meistens anders. Wer in der glücklichen Lage ist, sein eigener Wirt und Mieter zugleich zu sein, kann die Bilder nach der Größe der Wände wählen. Er kann auch, wenn es ihm die Mittel erlauben, ein Bild im größeren Umfang erstehen, als man sie gewöhnlich für das Zimmer kauft, falls er es dann nicht noch vorzieht, statt des gerahmten Bildes die Wand mit einem ganz dekorativ wirkenden Wandbild zu bedecken. Nun aber die vielen Kunstliebhaber, die jeden Ersten fragen: "Wird er uns steigern? Werden wir vielleicht nächsten Ersten ziehen?" "O Graus!" Ihrer sind leider nicht wenig. Sie möchten auch gern sich einmal ein größeres Bild zulegen, aber der Gedanke: "Wir haben hier keine bleibende Stätte" verscheucht den Wunsch bald wieder. Wenn man mutig ausgeht, eine Wohnung zu mieten, dann treten bei der Beurteilung meistens ganz andere Momente in den Vordergrund, die mit der Kunst eigentlich nicht recht harmonieren, die viel eher in die Gedankenreihe: Haus, Hof, Obdach, getreue Nachbarn und desgleichen, passen. Was macht man denn mit einem Kunstwerk in großem Format, wenn der passende Raum fehlt. So sehr ich den Wunsch nach einem Wandbild jedem nachfühlen kann, möchte ich doch eher ab- als Zuraten.

Ist man wirklich in der glücklichen Lage, eine ausgedehnte Wandfläche im Zimmer zu haben, so denke man einmal an die nächste Wohnung, der fast immer der Vorzug schon fehlt, und verzichte auf den Wunsch nach einem großen Bilde. Dafür kann man sich reichlich entschädigen und zwar auf folgende Weise.

Man teile die Wand, indem man in der Mitte ein Bild im Hochformat hängt. Dieses Bild, in richtiger Höhe angebracht, wirkt auf das Auge wie ein Pfeiler. Dadurch erhält man aus der ausgedehnten Fläche zwei dekorierbare Wandflächen. Jede dieser beiden Wandflächen kann man nun behandeln, wie es oben angegeben ist. Die beiden Bilder, welche man für die gesonderten Flächen bestimmt, brauchen nur im Interesse der Gesamtwirkung ungefähr gleiche Größe zu haben, sonst kann ihnen jede Eigenschaft der pendantartigen Zusammengehörigkeit fehlen. Steht man vor dem einen Bild in scharfer Betrachtung, kann das Auge das andere doch nicht so weit erblicken, um es vergleichend heranzuziehen. Faßt man dagegen die ganze Wand ins Auge, hat man seinen Standpunkt in der Mitte gewählt, dem Hochbilde gegenüber, so liegt das dem Auge am nächsten, die beiden andern treten zurück. Das Ganze macht einen durchaus ruhigen Eindruck. Wie wohltuend die Abwechslung des Formats bei Bildern auf das Auge wirkt, wird jeder schon einmal empfunden haben, wenn er lange das mit mit Bildern besetzte Schaufenster einer Kunsthandlung betrachtet hat. Entdeckt da das Auge zwischen den vielen Bildern im Querformat plötzlich eins im Hochformat, so verweilt es unwillkürlich länger darauf. Es kann das Bild, das sich schluchtenarttg zwischen den beiden Hochrahmen entfaltet, viel schneller erfassen und sich ganz darin vertiefen. Es braucht nicht über das Bild zu wandern von einem Objekt aufs andere. Wir finden in diesen Bildern, die wie Längsschnitte erscheinen, schon eine äußere Geschlossenheit und Gedrängtheit. Kommt dazu die innere Einheit, so haben wir die oben ausgeführten Voraussetzungen für einen Genuß im doppelten Maße. Genau so geht es uns in der Natur, wenn uns die Natur in eine schmale Waldschlucht einen Blick in ein weites Tal gestattet. Da erfaßt das Auge jede Einzelheit bis zum nebelhaften Horizont. Durch die geringe Ausdehnung des Horizonts ist die Aufgabe des Erfassens bald gelöst; es ist für das Erkennen eine leichte Arbeit. Einen länger anhaltenden Genuß bietet natürlich das Bild mit breitem Horizont, bet dem ein volles Erfassen mehrere Be-