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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

XIII. Band. Nr 38

Erscheint wöchentlich. Abonnement jährlich Fr. 2.50; als Beilage zum »Schweiz. Familine-Wochenblatt" ^[richtig: Familien-Wochenblatt] gratis. Inserate die kleine Zeile 25 Cts.

Verlag Th. Schröter, Obere Zäune 12. Zürich.

1904. 19. März. Inhalt: Was die Frauen in London treiben. - Ueber Wäscheausstattungen. - Arbeitskalender im März. - Gesundheitspflege. - Haus- u. Zimmergarten. - Für die Küche. - Kochrezepte. - Briefwechsel der Abonnenten unter sich. - Inserate.

Was die Frauen in London treiben.

Selbstverständlich sind darunter nicht die Frauen der Aristokratie verstanden, über deren wirkliche oder vermeintliche Schönheit und über deren kostbare Toilette während der Londoner Saison alle Zeitschriften voll Bewunderung sind. Nein, ich meine jene unverheirateten Frauen, die durch Ausübung eines ihren Fähigkeiten entsprechenden Berufes selbständige Persönlichkeiten in der menschlichen Gesellschaft geworden sind. Ein Blick in einen "Club for girls", die Erfindung praktischer Amerikanerinnen, gibt uns am ehesten einen Begriff von der Verschiedenartigkeit der Frauenberufe in London.

Neben den Bureauangestellten, wie Korrespondenten, Stenographen etc., die auch hier am zahlreichsten vertreten sind, nenne ich vor allem die sogen. Lady-Artists. Seit in den letzten Jahren die Mädchen gezwungen wurden, der Konkurrenz ihres eigenen Geschlechtes in den längst bekannten Berufsarten auszuweichen, haben sie sich der Kleinkunst zugewendet und zwar speziell den Zweigen, die Heimarbeit liefern. Erfolgreich sind bis jetzt betrieben worden: die Cheramik, d. h. das Bemalen von Glas und Porzellan, und das dekorative Malen auf Holz. Das letzte besonders steht zur Zeit in großer Blüte durch das Nachahmen der Stile "Louis XVI" und "Königin Anna" in ganzen Ameublements. Ebenfalls eine gutbezahlte Arbeit ist das Illustrieren von Zeitungen und Zeitschriften. Die Zeichnerin erhält vom Verleger einige Angaben und hat dann den betreffenden Entwurf mit Feder und Tusche zu zeichnen. Eine große Anzahl von Mädchen ist mit der Illustration von Modezeitungen oder auch einzelner Blätter für Modegeschäfte betraut. Das Kleid oder Blouse muß natürlich Erfindung der eigenen Phantasie oder wenigstens Zusammenstellung nach eigenem Geschmacke sein. Solche Modelle, die auf Bestellung irgend eines Geschäftes angefertigt und gut bezahlt werden, sind meist in schwarzer und weißer Tusche ausgeführt. Die Vorbildung zu diesen Berufen holen sich die Londonerinnen in "The Slade School of fine Arts, Gowerstreet", eine Anstalt ähnlich den Gewerbeschulen in der Schweiz, oder an der kunstgewerbl. Abteilung der "Crystal Palace Company's School", wo Klassen für Modellieren, Portraitieren, Kostümzeichnen etc. eingerichtet sind. - Da ich gerade von berufsmäßigen Künstlern spreche, will ich die Bühne, auf der sich sehr viele Engländerinnen bewegen, nicht unerwähnt lassen.

Wie überall, wo die Frauen noch ein Verlangen nach ihrem ureigensten Berufe, der Erziehung, fühlen, so ist auch hier die Beschäftigung der Lehrerin sehr beliebt. Die Engländerinnen haben es speziell in der Organisation von Schulen weit gebracht. Das allgemeine Bedürfnis nach Privatschulen, in Ermangelung guter höherer Staatsschulen, kommt ihnen dabei sehr entgegen. Jede Mädchenschule steht ganz unter Leitung von Lehrerinnen, so das "Bedford College, Baker Street" und die Mädchenabteilung an der schon genannten, großartigen "Crystal Palace Company's School of Art, Science and Literature". Ebenso stehen die Schulen unter Inspektion von Frauen, die aber, um zu dieser Stellung zu gelangen, einen bestimmten Lehrgang durchgemacht haben müssen.

In neuester Zeit werden nun auch Mädchen für Staatsstellen, wie Sanatory-Inspectors, herangebildet. Die betreffenden Vorlesungen werden am Bedford College abgehalten, wo auch die nötigen Examina abgelegt werden. Der Staat hat richtig herausgefunden, daß das Taktgefühl und der praktische Sinn einer Frau am Platze sind, wo es heißt, die Wohnungen der ärmsten, untern Klasse nach ihren hygieinischen ^[richtig: hygienischen] Zuständen zu untersuchen. Diese Beschäftigung nähert sich in vielem dem in England und Amerika sehr geschätzten Beruf der Nurse oder Krankenpflegerin. Darauf trete ich nicht näher ein, sondern verweise auf die letzten Sommer erschienene Schrift von Mentona Moser. A. H.