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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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und regiert wird. Es ist also in einem solchen Verhältnisse ein Vorzugsstreit läppisch, und wo er sich ereignet, das sicherste Merkmal eines plumpen oder ungleichen Geschmackes. Wenn es dahin kommt, daß die Rede vom Rechte des Befehlshabers ist, so ist die Sache schon äußerst verderbt. Denn wo die ganze Verbindung eigentlich nur auf Neigung gerichtet ist, da ist sie schon halb zerrissen, sobald sich das Sollen anfängt hören zu lassen. Die Anmaßung der Frau in diesem harten Tone ist äußerst häßlich und des Mannes im höchsten Grade unedel und verächtlich. Indessen bringt es die weise Ordnung der Dinge so mit sich, daß alle Feinheiten und Zärtlichkeiten der Empfindung nur im Anfang ihre ganze Stärke haben, in der Folge aber durch Gemeinschaft und häusliche Angelegenheiten allmählich stumpfer werden, und dann in vertrauliche Liebe ausarten, wo endlich die große Kunst darin besteht, noch genügsame Reste von jenem zu erhalten, damit Gleichgültigkeit und Ueberdruß nicht den ganzen Wert des Vergnügens aufheben.

Sardinen in Oel.

Von Dr. A. J. E. Seyders.

Die Industrie der in Blechdosen konservierten Sardinen in Frankreich hat in der letzten Zeit eine ernste Krise durchgemacht, die uns Veranlassung gibt, über diesen Industriezweig, an dem das Wohl und Wehe von Tausenden von Menschen hängt, einiges mitzuteilen.

Betrachten wir uns zunächst das Tierchen selbst einmal etwas näher. Es muß dabei gleich bemerkt werden, daß nicht alles, was dem Konsumenten unter der Firma "Sardinen in Oel" aufgetischt wird, das Recht hat, diesen Namen zu führen, denn auch hier bietet sich für Betrug und Fälschung ein weites Feld, da die Sardine viele Verwandte hat, die ihr äußerlich zwar ähnlich sind, sie aber bezüglich ihres inneren Wertes, hauptsächlich vom gastronomischen und kulinarischen Standpunkte aus, bei weitem nicht erreicht.

Die Sardine ist eine der nächsten Verwandten des Herings und gehört mit diesem sowie mit der Sprotte und mit dem Maifisch zu einem und demselben Geschlechte: (Clupea. Clupea Pilchardus ist der wissenschaftliche Name der Sardine. Alle Arten des Geschlechtes Clupea, mit Ausnahme des Maifisches, der viel größer ist, weisen eine große Aehnlichkeit mit einander auf. Diese hat auch die Anchovis mit ihnen gemein, die zwar zu einem anderen Geschlechte gehört, aber ebenfalls in die nächste Nachbarschaft des Herings gestellt werden muß. Daher kommt es auch, daß nicht selten junge Heringe als Anchovis oder Sprotten bei dem gutgläubigen Publikum an den Mann gebracht werden. Russische und deutsche Sardinen sind auch in der Tat nichts anderes als junge Heringe oder Sprotten, die in derselben Weise, wie es mit den Sardinen geschieht, mariniert und in den Handel gebracht werden. Das kann jedoch nicht als Fälschung oder Betrug betrachtet werden, da dies nur ein Handelsname für das Produkt ist, dessen wirkliche Art allgemein bekannt ist.

Alle echten Heringfische aus dem Geschlechte Clupea erkennt man in erster Linie an den sogenannten "Kielschuppen", die an der Anchovis vermißt werden. Der ganze Bauchrand des Heringsfisches ist mit zahlreichen "Kielschuppen" besetzt. Das sind kleine Hautverknöcherungen, die in einem Kiel mit starkem Stachel endigen und als Waffe dienen, wenn das Tier von unten angegriffen wird. Der Anchovis fehlen diese Kielschuppen, und daran kann man gerade die Anchovis von den echten Heringsarten unterscheiden, also auch von der Sprotte.

Die Sardine ist übrigens etwas größer als die Sprotte, nämlich 14-25 cm. lang, und ihre Form ist höher und gedrungener als die des Herings, mit dem sie im übrigen viel übereinstimmt, auch in der Färbung. Die Rückenflosse der Sardine ist mehr nach vorn gestellt als die des Herings, und auch die Bauchflossen stehen mehr nach vorn, und zwar unter oder etwas hinter der Mitte der Rückenflosse. Fügen wir noch hinzu, daß die Sardine vollkommen zahnlos ist, während der Hering eine Anzahl von feinen Zähnchen hat, und daß der Hauptkiemendeckel strahlenartig gestreift ist, was bei Hering und Sprotte niemals der Fall ist, so glauben wir, dem Leser genug Anhaltspunkte gegeben zu haben, um sich vor Betrug schützen und verhüten zu können, daß man ihm simple unausgewachsene Heringe als dicke und fette Sardinen aufmutzt.

Im Handel kommen eine ganze Anzahl von Sardinen vor, die jedoch durchaus nicht sämtlich von gleich guter Qualität und gleich feinem Geschmack sind. Die minderwertigen Arten werden einfach gesalzen oder unter Hinzufügung von allerlei Kräutern mariniert. Die feineren Arten werden mit echtem Olivenöl gekocht und in Blechbüchsen konserviert; das sind die echten Sardinen, die in England "Pilchard" genannt werden, in Uebereinstimmung mit dem lateinischen Artnamen. Die meisten dieser echten Sardinen kommen aus Frankreich, und die Hauptindustrie der in Oel eingelegten, in Blechdosen konservierten Sardinen befindet sich in Nantes.

Die Sardine ist eigentlich die Vertreterin des Herings und der Sprotte im mittelländischen Meere und im Atlantischen Ozean, an den Südwestküsten Europas. Wie der Hering in den nördlichen Meeren, bildet die Sardine in genannten Gegenden den Gegenstand eines Fischfangs in erstaunlich großem Maßstabe, bei dem Tausende und Abertausende ihr Brot finden,