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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

XIII. Band. No. 50

Erscheint wöchentlich. Abonnement jährlich Fr. 2.50; als Beilage zum "Schweiz. Familien-Wochenblatt" gratis. Inserate die kleine Zeile 25 Cts.

Verlag Th. Schröter, Obere Zäune 12 Zürich.

1904. 11. Juni. Inhalt: Allerlei orientalische Frühlingsgerichte. - Farngewächse als Zimmerschmuck. - Haus- und Zimmergarten. - Teekasten. - Kochrezepte. - Briefwechsel der Abonnenten unter sich. - Inserate.

Allerlei orientalische Frühlingsgerichte.

A. v. M.

(Nachdruck verboten.)

Trotzdem die Zusammensetzung mancher dieser Gerichte etwas sonderbar klingen mag, so schmecken sie doch durchweg gut und dabei haben sie den Vorzug, nicht bald zu verleiden. Im Gegenteil, je mehr man sich daran gewöhnt, desto größeren Geschmack findet man daran. Ein Beweis dafür ist, daß alle Europäer im Orient sich allmählig der landläufigen Küche zuwenden. Dem Grundsatze nach "Prüfet Alles und das Beste behaltet", haben wir zum Beispiel hier in Saloniki einen Speisezettel, der sich aus türkischen, griechischen, bulgarischen, israelitischen, armenischen und auch österreichischen Rezepten zusammensetzt und bei dem man wahrlich über Monotonie nicht klagen kann. Die Israeliten excellieren in der Zubereitung der Fische sowie der veschiedensten Konfitüren, die Türken haben unter anderem die allgemein beliebten "Dolma" die gefüllten Weinblätter und "Börek", das heißt gefüllten Blätterteig, die Griechen eine Menge Speisen, die mit Oel zubereitet werden, und so hat jede Nationalität ihre Spezialitäten. Viele dieser Speisen sind gerade jetzt an der Tagesordnung, so nach jüdischem Rezept die Fische mit der grünen Pflaumensauce. Sie werden folgendermaßen zubereitet: Man gibt in eine flache Email- oder verzinnte Pfanne reichlich Olivenöl, grüne gehackte Zwiebelchen, sehr viel Petersilie, zwei bis drei Handvoll kleine, noch ganz unreife Pflaumen und wenig Wasser. Nachdem alles ein Weilchen geschmort hat, legt man die geschuppten, gewaschenen und gesalzenen Fische oder Fischstücke hinein und läßt das Ganze zugedeckt weiter schmoren, bis die Fische völlig gar und die Sauce stark eingekocht ist. Das Gericht wird kalt oder fast kalt gegessen und schmeckt äußerst angenehm säuerlich. Auf die gleiche Weise kann man statt grüner Pflaumen frische Tomaten nehmen. Auch diese müssen, bevor die Fische dazu kommen, schon etwas einkochen und zum Schluß mehr eine dickliche Püree als eine Sauce bilden. Schmeckt ausgezeichnet, wenn die Fischsorte gut war und man am Oel nicht gespart hat.

Von den Süßwasserfischen wird der Karpfen gerne gefüllt verspeist. Man läßt feine Zwieblen ^[richtig: Zwiebeln], Petersilie, etwas Dill, dann Reis und Weinbeeren in Oel anziehen, gießt das nötige Wasser dazu, salzt, pfeffert und läßt die Masse gar, aber nicht zu weich kochen. Nun füllt man damit die hergerichteten Karpfen, näht sie zu, legt sie in eine flache Pfanne auf etwas Wasser, bestreut die Fische mit Zwieback und Petersilie, schüttet Oel darüber und bäckt sie im Ofen.

Die Türken machen sich nicht viel aus Fischen und allem Fleisch ziehen sie Lamm- und Hammelfleisch vor. Ein allgemein beliebtes und verbreitetes türkisches Gericht sind die sogenannten "Dolma", das heißt gefüllten Weinblätter, die auf verschiedene Art hergestellt werden. Die beste ist die folgende: Man nimmt junge, zarte Weinblätter, die aber von der dünnen Sorte sein müssen, welche keine wollige Rückseite haben, wäscht sie und brüht sie ab und bereitet folgendermaßen die Fülle: Lammfleisch, eventuell auch zartes Kalbfleisch, wird feingehackt, europäische Hausfrauen tun gerne ein Stück fetten Schinken dazu, was dem Gericht noch mehr Kräftigkeit verleiht. Das gehackte Fleisch wird nun mit feinen Zwiebeln, Petersilie, zwei, drei Handvoll Reis, Tomatenbrühe, Salz, Pfeffer und wenn nötig mit etwas Wasser gut vermengt, worauf man in jedes Weinblatt etwas von der Fülle gibt und es zusammenlegt, daß es beim Kochen weder aufgeht, noch allzu fest und stark gewickelt ist. Auf den Boden einer Emailpfanne legt man nebst dem nötigen Fett die Knochen und häutigen Stücke, von denen man das Fleisch genommen hat, ordnet die Dolma darauf, deckt sie noch mit einigen ausgebreiteten Blättern zu, schüttet das nötige Wasser seitwärts und läßt die gut geschlossene Kasserole ^[richtig: Kasserolle oder Casserole] auf nicht zu heftigem Feuer zirka 1½ Stunden schmoren.