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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

XIV. Band. Nr. 3

Erscheint wöchentlich. Abonnement jährlich Fr. 2.50; als Beilage zum "Schweiz. Familien-Wochenblatt" gratis. Inserate die kleine Zeile 25 Cts.

Verlag Th. Sch röter, Obere Zäune 12, Zürich.

1904. 16. Juli. Inhalt: Meine Speisekammer im Sommer. - Küchenbriefe. - Enge Halskragen. - Einmachkunst. - Für die Küche. - Briefwechsel der Abonnenten unter sich. - Eingesandt. - Kleine Rundschau. - Inserate.

Meine Speisekammer im Sommer.

Gastronomisches Allerlei von Hildegard Orth.

(Nachdruck verboten.)

Wenn schon die Küche die Putzstube der echten, wirklichen Hausfrau sein soll, so darf man die Speisekammer mit Fug die Stätte nennen, wo sie ihre Kostbarkeiten birgt. Ich wenigstens lege großen Wert darauf, daß hier alles, was zum Wohlbefinden und zur Behaglichkeit des Magens dient, reichlich und in bester Beschaffenheit vorhanden ist. Ich kann auch durchaus nicht einsehen, daß es so schwierig ist, in dieser heißen Jahreszeit Speisen und Vorräte vor dem Verdorbenwerden zu schützen. Hauptsache bleibt freilich, daß man richtig einzukaufen versteht, daß man ferner weiß, wie jeder Mundvorrat sich gegenüber der Einwirkung der Hitze verhält - und vor allem, wie die Speisekammer selber in dieser Hinsicht angebracht ist oder gehalten werden muß.

Zunächst möchte ich gegen ein Vorurteil kämpfen, in dessen Banden noch so viele Hausfrauen liegen; sie meinen nämlich, ganz Besonderes erreicht zu haben, wenn sie beim Mieten der Wohnung eine Speisekammer bekommen, in die kein Sonnenstrahl zu dringen vermag. Ganz im Gegenteil. Was von der menschlichen Behausung im allgemeinen gilt, - daß sämtliche Räume wenigstens einmal am Tage und für kurze Zeit von der Sonne gründlich durchschienen werden müssen - das trifft in vollem Maße auch für den Ort zu, wo die zu unserer Nahrung dienenden Lebensmittel aufgespeichert sind. Der große hygienische Wert des Sonnenlichtes besteht bekanntlich darin, daß es mit den so schädlichen Kleinlebewesen gründlich aufräumt. Wo es fehlt, wachsen sie zu Milliarden an; manche Hausfrau würde entsetzt sein, wenn sie sähe, wie es in so einem Speise- oder Eisschrank, den nie ein Sonnenstrahl trifft, von Mikrokokken aller Art wimmelt. Ich wundere mich gar nicht, wenn mir eine Freundin klagt: "Meine Speisekammer ist doch so kühl, aber ich weiß nicht, wie das zugeht! Sämtliche Vorräte verderben mir sofort." Lieber Himmel, wenn niemals in den Ecken und Winkeln, Ritzen und Fugen die Lichtwellen ihre desinfizierende Kraft zu entwickeln im Stande sind, müssen ja die Lebensmittel eine Beute der Bakterien werden, die hier schmarotzen!

Selbstverständlich braucht anderseits die Speisekammer nicht etwa einem Bratofen zu gleichen, auf dem die Sonnenhitze stundenlang brütet und alles zum Sieden bringt, was sich hier befindet. In solchem Falle, also vorzugsweise Süd- oder Westlage, empfiehlt es sich, wilden Wein oder sonst eine Schlingpflanze vor die Fenster zu bringen. Diese ranken üppig empor und verwehren den Sonnenstrahlen tunlichst den Einlaß. Während des Tages müssen die Fenster ununterbrochen verschlossen gehalten werden; um so entschiedener sind sie sofort nach Sonnenuntergang zu öffnen und dann die ganze Nacht hindurch offen zu halten. Gleichzeitig möge man die folgende Kühlvorrichtung für den Fall, daß im Raume immer noch zu große Hitze herrscht, anbringen. Man schneidet Flanell in Streifen, die 1-1½ m lang und 20 cm breit sind. Diese Streifen werden leichthin zu zylindrischer Form zusammengenäht und an dem einen der Enden durch ein kleines Gewicht beschwert. Inzwischen füllt man irdene Töpfe mit Wasser, stellt sie hoch oben auf Schränke oder Gesimse, da warme Luft die Eigenschaft besitzt, möglichst emporzusteigen. Die Enden der Flanellzylinder, an denen sich die Gewichtsstücke befinden, werden nun in das Wasser getan, während der übrige Streifen in seiner ganzen Länge herunterhängt. Dadurch wird das Wasser ununterbrochen aufgesaugt, und indem es zur Verdunstung gelangt, verbreitet es über den Raum angenehme Kühlung. So behandelte Speisekammern erweisen sich als durchaus annehmbar.

Beim Einkauf muß man natürlich immer nur solche Lebensmittel erstehen, die keine gar zu große Neigung zur Zersetzung offenbaren. Fische und Krebse sollen, einmal gekocht, immer