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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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möglichst schnell gegessen werden. Das gleiche gilt von Konserven jeglicher Art. Sobald sie erst geöffnet sind, müssen sie auch ohne den mindesten Aufschub zur Verwendung gelangen. Sonst ist ihr Inhalt selbst in einer kühl gehaltenen und gut gelüfteten Speisekammer nicht vor gesundheitsschädlichen Metamorphosen zu schützen. Ueberhaupt gilt für die gesamte heiße Jahreszeit in bezug auf die weitaus größte Anzahl der Gerichte die Regel: Stets nur so viel kochen, wie jedesmal verzehrt wird, und vor allem möglichst wenig gewärmte Gerichte auf den Tisch bringen. Lieber gebe ich einen Braten kalt, als daß ich ihn nochmals mit Herdfeuer in Berührung bringe. Abgesehen davon, daß er dadurch zähe wird, büßt er auch ganz wahrnehmbar an Wohlgeschmack ein. Zu so kalten Bratenresten pflege ich die folgende, gleichfalls kalte Sauce zu geben. Einige kleine eingelegte Gurken, ebenso Sardellen und Kapern werden recht fein gewiegt und darauf mit hartgesottenem Eigelb, Zitronensaft, Olivenöl, Senf, Pfeffer und Salz so lange tüchtig verrührt, bis sich eine vollständig gebundene Sauce gebildet hat; - sie läßt sich bei sämtlichen Fleischsorten gleich gut verwerten.

Höchst ungern wärme ich im Sommer Gemüse. Es läßt sich, wieder auf der Flamme erhitzt, niemals völlig zu dem früheren Wohlgeschmack bringen. Ebensowenig mundet Fleischbrühe, längere Zeit hingestellt und dann von neuem verwertet. Allein ich vermisse sie nicht, weil ich in Liebig's Fleisch-Extrakt ein wirksames Surrogat habe, das, auf gleiche Weise billig und bequem, über alle Verlegenheiten hinweghilft. Will es ja mal ein unglücklicher Zufall, daß ich Fleisch oder Fische in ungekochtem Zustande in meiner Speisekammer beherberge, so ist erste Regel, daß ich sie niemals dem Eise nähere. Zumal die letzteren dürfen nur trocken und selbstverständlich dabei kühl aufbewahrt werden. Alle Fleischarten, die direkt mit Eis in Berührung gelangen, büßen dadurch an Festigkeit ein; sie werden weich, schlüpferig und fade; der Wohlgeschmack geht verloren. Das Eis hält nämlich den Zersetzungsprozeß nicht nur nicht auf, sondern beschleunigt ihn sogar, weil die Feuchtigkeit, die es dem Fleisch mitteilt, allerhand Fäulnisbakterien in Menge mit sich führt. Fische nehme ich aus, ohne sie zu schuppen, bestreue sie innen mit etwas Zucker, trockne sie recht sorgfältig ab und umwickle sie dann mit grünen Blättern; sie halten sich so in gut gelüfteter Speisekammer ganz wohl einige Tage. Ein vorzügliches, bisher leider wenig gekanntes Konservierungsmittel für Fleisch von Schlachttieren ist feingestoßene Holzkohle oder das Einnässen mit zweiprozentiger Borsäure. Sollte sich trotzdem ein leichter Geruch eingestellt haben, so weicht er bestimmt, wenn man die Fleischstücke vor der Verwertung eine knappe Zeit in Wasser legt, dem etwas übermangansaures Kali beigemischt worden ist. An Wohlgeschmack haben sie darum keineswegs eingebüßt.

Ueberhaupt gibt es eine ganze Reihe von Mitteln, mit Hilfe deren man selbst im heißesten Sommer seine Speisekammer so verproviantieren kann, daß niemals Ebbe eintritt. Ueber Butter stülpe ich einen unglasierten Blumentopf, den ich zuvor in kaltes Wasser getaucht, damit er sich hier ordentlich vollsaugen konnte. Selbstverständlich muß der Blumentopf vollkommen neu gewesen sein, weil Butter sehr empfindlich ist und jeden Geruch sofort annimmt. Geräucherte Fleischware legt man in Kleie, wo sie sich ganz vorzüglich hält. Sie bleibt saftig, wie wenn sie eben aus dem Rauchfang gekommen. Die Schnittflächen sind mit einem Speckstreifen zu belegen; auf diese Weise bewahrt sowohl Schinken als auch Wurst stets das frische Aussehen. Geflügel nehme ich, ohne es zu rupfen, aus und umwickle es darauf mit Papier. So aufgehängt, wiedersteht ^[richtig: widersteht] es gleichfalls mehrere Tage jeder Verderbnis. Wichtig ist nur, daß die Speisekammer möglichst ununterbrochen von einem frischen Luftstrom durchzogen werde. Hitze schadet den Vorräten, was für einer Art sie auch angehören mögen, viel weniger als etwa Feuchtigkeit. Wo sich diese erst einmal eingenistet hat, dort ist wenig zu raten und zu helfen. Aber wenn Frau Sonne wirklich hin und wieder ein wenig neugierig in Töpfe und Schränke guckt, so will das nicht viel bedeuten. Dafür ist ja auch Sommer!

Küchenbriefe.

Von M. H.

1.

Dein großer Brief war so ganz das Gegenteil von deinem frühern, die nur von Glück und Freude berichteten. Diesmal enthielt er ängstliche Fragen und Bedenken und ließ mich erraten, daß du in ziemlicher Verlegenheit und Sorge dich befindest. Und doch, ich will dir es offen gestehen, hat dies alles auf mich keinen betrübenden Eindruck gemacht; mit einem Lächeln sogar legte ich deine Zeilen bei Seite. Damit du nun aber nicht glaubst, ich sei teilnahms-und herzlos, will ich dir heute eine ausführliche Antwort schreiben und dir damit den besten Beweis geben, daß ich mich doch ganz gut hineindenken kann in die Lage und Stimmung eines jungen, erst seit einigen Monaten verheirateten Frauelis, das als Waise in den letzten Jahren auf einem Bureau beschäftigt gewesen, und daher wenig Erfahrungen zur Besorgung des eigenen Haushaltes mitbringen konnte.

Du schreibst, du erwartest nächstens Gäste für 8-10 Tage, deine Schwiegermutter und Schwägerin, die sehr tüchtige Hausfrauen und besonders im Kochen sehr geübt und geschickt seien. Nun ist dir bange, wie du ihren An- ^[folgende Seite]