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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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Aus dem Gesagten ist klar geworden, daß eine sorgsame Hausfrau unbedingt wissen muß, zu welchen Zwecken die einzelnen Nährstoffe dienen.
Sie muß dafür sorgen, daß die tägliche Nahrung neben Fett und stärkeartigen Stoffen insbesondere die nötige Menge Eiweißstoffe enthält, denn kein Gewürze nnd keine Kochkunst vermag auf die Dauer über das mangelhafte Verhältnis der Nährstoffe hinwegzutäuschen, und mancher lunge Mensch ist und bleibt schwächlich, weil die vermeintlich gute Nahrung nicht genügend Nährstoffe (Fleischbildner  Eiweiß) enthielt. Wie viel Eiweiß, Fett und stärkeartige Stoffe in der täglichen Nahrung enthalten sein müssen, ist sehr verschieden. Es richtet sich nach dem Alter, Körperbau, Beschäftigung der einzelnen Personen und nach dem Klima des Landes. Ein ausgewachsener Arbeiter braucht täglich ca. 120 Gr. Eiweißstoffe, 50 bis 60 Gramm Fett und 500 Gr. stärkehaltige Stoffe. Die erforderliche Zusammensetzung der Kost braucht man aber nicht täglich genau zu berechnen; es genügt vollständig eine annäherungsweise Berechnung, ja die geübte Hausfrau reicht oft mit bloßen Schätzungen aus, um keine störenden Fehler zu machen. Aber sie muß unbedingt wissen, welche Nahrungsmittel eiweißreich, welche fettreich und welche reich an Stärke und Zucker sind, und umgekehrt, welche wenig von diesen Stoffen enthalten. Daß es so viele Schwächlinge und Kranke gibt, hat vielfach seinen Grund darin, daß man den Nährwert der Nahrungsmittel nicht kennt und daher nicht in der Lage ist, die geeigneten herauszusuchen. Eiweißreich ^ind: Stockfische, Fleisch, Wurst, Eier, Käse, Milch, Erbsen, Bohnen, Linsen, Schwarzbrot usw. Fettreich sind: Butter, Speck, Schmalz, Oele, Rahm, Nüsse usw. Stärke- und zuckerhaltig sind: die meisten Suppeneinlagen (Reis, Gries, Sago), Kartoffeln, gelbe Rüben, Gemüse, Kraut, Obst usw., die letzteren in sehr geringem Maße.
Die zur Erhaltung des Körpers erforderlichen Salze finden sich im Apfel, in der Weintraube, Erdbeere, Heidelbeere, im Spinat, Feldsalat, Gartensalat, in allen Kohlarten, überhaupt im Gemüse.
Die Aufgabe der Hausfrau besteht also darin, die Speisen in entsprechender Weise auszuwählen und in richtigen Mengen, vernünftig zubereitet, auf den Tisch zu bringen.
Aus dieser Tätigkeit der Hausfrau wird dann stets der reichste Segen ersprießen.
(Aus "Ernährung und Gesundheit", Verlag Amthor, Leipzig.)
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Mesnch beim König der Damenschneider.
Worth gilt immer noch, obwohl neuerdings jüngere Unternehmer ihm den Rang streitig zu machen versuchen, als der vornehmste Damenschneider von Paris. Ich sagte mir, daß ein Besuch bei diesem einflußreichen Mann, nnter dessen Willen sich viele beugen, die sonst zu herrschen gewohnt sind, kaum weniger interessant sein würde als ein Interview bei einem Künstler oder Staatsmann, und so begab ich mich eines Tages nach der Rue de la Paix.
Es ist, wie jeder, der Paris kennt, weiß, ein vornehmes Geschäftsviertel, dieses Viertel um die Oper. Juwelier- und Luxuswaren; Reiseeffekten und Wäscheausstattungen von ungeahnter Kostbarkeit. Auch einige Kunstläden sind darunter; nicht solche kleine, sonderbare Buden voll Trödelkram, wie man sie im Quartier latin zu Dutzenden findet, sondern große, glänzende. Man atmet die Luft der großen Welt.
Nun, eines dieser Häuser ist es, an dem über der Türe in goldenen Buchstaben der Name "Worth" steht. Nichts weiter. Es gibt nur einen Worth in Paris; was bedarf es da eines Zusatzes! Und weil dieser Eine sich seiner Ausnahmestellung bewußt ist, verschmäht er es auch, durch Glanz und Eleganz seiner Einrichtungen zu wirken. Es gibt bei ihm keine Spiegelsäle und üppigen Empfangssalons wie bei anderen. Nur das Notwendigste ist vorhanden. Der Herr im braunen Rock, der nns als Chef der Firma empfängt, ist eine Betonung dieser fast absichtsvollen Einfachheit.
Aber die weiblichen Augestellten, denen wir im Bureau begegnen, zeigen uns doch bald, daß wir bei Worth uns befinden. Sie tragen erlesene Toiletten, sind lebendige Beispiele einer auf das höchste entwickelten Kunst, sich gut anzuziehen. Bei der Einen umspannt ein fliederfarbenes Prinzeßkleid aus Tuch die biegsame, schmalhüftige Gestalt. Bei einer stattlichen Matrone hebt ein schwarzsamtenes Schleppkleid die Würde des weißen Haares. Eine junge Dame in grauer Toilette gibt den Typus eines vollendet vornehmen Stra-ßenanzuges. Die Kunst des Friseurs, die Sorgfalt der Manicure, alle Mittel moderner Körperpflege haben mitgeholfen, diese ausgesucht schönen Gestalten noch reizvoller zu machen, und doch ist ihre Schönheit nicht Selbstzweck, sie ist nur die Folie zur effektvollen Hebung der Toiletten. Denn diese wie Prinzessinnen daherwandelnden Damen sind die Mannequins, die Probiermamscls, deren schöner Körper in erster Linie eine Nummer, eine Zentimeterzahl bedeutet und deren Brauchbarkeit und Stellung schon ein ganz kleines Zuviel oder Zuwenig, eine geringe