Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

75

Abstimmungstelegraphen – Abt (Klostervorsteher)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Abstimmung'

gewählt, wenn das relative Mehr genügt. Ebenso muß bestimmt sein, ob im Fall der Stimmengleichheit der Vorsitzende den Ausschlag zu geben habe, oder ob die Sache zu vertagen und später eine nochmalige A. zu veranstalten sei. Die A. ist entweder öffentlich, namentlich, durch Ja und Nein, Aufstehen oder Sitzenbleiben, Teilung nach verschiedenen Seiten, (itio in partes) Händeaufheben u.dgl., oder sie erfolgt geheim, z. B. durch Ballotage, Kugelung u.s.w. Von großer Wichtigkeit bei der A. ist die Fragestellung; diese wie überhaupt die Leitung der A. steht dem Vorsitzenden einer Versammlung oder Körperschaft zu. Im Deutschen Bundesrat und Reichstag erfolgt die A. in der Regel so, daß die Mehrheit entscheidet; für den Bundesrat gelten jedoch mehrfach besondere Vorschriften (s. Bundesrat). Im Deutschen Reichstag geschieht die A. regelmäßig durch Aufstehen oder 3 Sitzenbleiben, event. durch Hinausgehen und Eintreten durch zwei verschiedene Thüren (Hammelsprung); die namentliche A. ist die Ausnahme und erfolgt nur auf besondern Antrag. (S. Beratung.)

Abstimmungstelegraphen, Telegraphen, die in möglichst kurzer Zeit die Abstimmungen in Versammlungen, z.B. in Abgeordnetenhäusern, ermöglichen und eine zuverlässige Urkunde über jede Abstimmung liefern sollen. Fast ausschließlich sind elektrische A. zur Anwendung gekommen. Zuerst hat der Oberst Martin de Brettes 1849 der franz. Nationalversammlung den Plan zu einem A. vorgelegt. Der 1859 von Werner Siemens vorgeschlagene Abstimmungstelegraph sollte auf drei Zählwerken die Gesamtzahl der Abstimmenden, die Zahl der mit Ja und die Zahl der mit Nein Stimmenden angeben, wobei die Summe der beiden letzten Zahlen der ersten gleich sein müßte; zugleich aber sollte dieser Abstimmungstelegraph auch mit einem Papierbande neben dem Namen eines jeden Abstimmenden mit Ölfarbe deutlich Ja oder Nein vermerken. Dazu hatten alle Abstimmenden gleichzeitig bloß jeder seinen Kontakthebel auf Ja oder auf Nein zu stellen und darauf ein Diener etwa eine halbe Minute lang die Kurbel eines Magnetinduktors in Umdrehung zu versetzen. Seitdem sind bis in die jüngste Zeit noch eine Anzahl anderer A. aufgekommen.

Abstinénz (lat.), Enthaltung, besonders vom Genusse der Nahrungsmittel, s. Fasten. Abstinenztage, soviel wie Fastentage.

Abstoßung, s. Molekularkräfte.

Abstraktum (lat.), ein abgezogener Begriff (s. Abstrakt); in den Vereinigten Staaten Bezeichnung einer Arzneiform: ein alkoholischer Pflanzenauszug, der mit Milchzucker zu feinem Pulver verrieben ist.

Abstrahieren (lat.), abziehen, nämlich den Blick des Geistes abziehen oder ablenken von gewissen Eigentümlichkeiten des Gegenstandes, um gewisse andere desto reiner und schärfer aufzufassen; daher von etwas abstrahieren, soviel wie davon absehen. Ein Begriff, eine Erkenntnis ist von gewissen Beobachtungen abstrahiert, wenn sie durch Abstraktion daraus gewonnen sind. (S. Abstrakt.)

Abstrákt (lat., «abgezogen») heißt ein Begriff, der durch abstrahieren gebildet, somit im Verhältnis zu seinem Objekt oder zu dem vollständigen Begriff desselben an Inhalt ärmer ist, dasselbe nur in gewissen Bestimmtheiten auffaßt; ihm steht gegenüber der konkrete oder determinierte, d.h. vollständig bestimmte Begriff. Ein abstrakter Begriff ist darum nicht in sich unbestimmt, vielmehr setzt das Vermögen ↔ der Abstraktion die größte Bestimmtheit in der Auffassung der einzelnen Merkmale voraus, denn nur so ist es möglich, ein Objekt ausschließlich unter einem der mancherlei Gesichtspunkte, unter denen es sich erwägen läßt (in einer bestimmten Hinsicht oder Beziehung), aufzufassen, mit Absehung (Abstraktion) von allen andern Eigentümlichkeiten desselben. Namentlich dem wissenschaftlichen Denken ist die Abstraktion ganz unentbehrlich, da seine Herrschaft über die Dinge darauf gegründet ist. So beruht die Mathematik auf der Abstraktion, vermöge deren man an den Dingen weiter nichts als ihre Größenbeziehungen ins Auge faßt, um deren Gesetzmäßigkeit zu erkennen; so untersucht die Mechanik die Objekte nur sofern sie bewegliche Massen sind u.s.f. In der Grammatik heißen Abstrakta die Bezeichnungen für Gedankendinge, insbesondere die Namen der als Dinge betrachteten Eigenschaften, Vorgänge und Zustände, z.B. Größe, Schuß, Ruhe.

Abstraktion (lat.), s. Abstrakt.

Abstreichen, Abstieben, das Wegfliegen des Federwildes.

Abstreifen, Streifen, die Entfernung der Haut von Raubtieren, Hasen, Kaninchen.

Abstrich, die beim oxydierenden Schmelzen des Werkbleies zuerst sich bildende mehr oder weniger dunkel gefärbte Haut, die entfernt, abgestrichen werden muß, um das Bleioxyd, die Glätte, in reiner Form zu gewinnen. Die zuerst sich bildende Kruste enthält hauptsächlich die dem Werkblei beigemengten Blei-, Kupfer-, Eisen- und Antimonsulfide. Diese anfangs entstehende, schwärzlich grau gefärbte Masse bezeichnet man auch als Abzug und unterscheidet sie von dem erst in stärkerer Hitze sich bildenden eigentlichen A., der anfangs noch als schwärzlichbraune, schaumige Masse auftritt, aber nach und nach heller, grünlich und endlich gelb wird. Der eigentliche A. enthält nur Spuren von Schwefelverbindungen, dagegen vorzugsweise antimonsaures, arsensaures, schwefelsaures Blei, Eisenoxyd, Kupferoxyd, Nickeloxyd, Zinkoxyd, sowie beigemengtes Bleioxyd nebst kleinen Mengen von Silber.

Abstrūs (lat.), dunkel, verworren, unverständlich.

Abstumpfen, soviel wie Neutralisieren (s. d.).

Absūd (von absieden), eine Form der Auflösung durch Abkochen mit Wasser (s. Dekokt).

Absúrd (lat.), soviel wie ungereimt, widersinnig, d.h. was entweder in sich selbst einen offenbaren Widerspruch enthält oder irgendeiner offenkundigen Wahrheit zuwiderläuft. Ad absurdum führen, eine Behauptung dadurch widerlegen, daß man eine Ungereimtheit aufdeckt, die aus ihr folgt.

Absüßen, soviel wie Auswaschen (s. d.).

Absynth, s. Absinth.

Absyrtos, Sohn des Aietes, Königs von Kolchis, Bruder der Medeia, wurde nach der einen Überlieferung als kleiner Knabe von der Schwester auf der Flucht aus Kolchis mitgenommen und zerstückelt, um die Verfolgung des Vaters aufzuhalten; die Stadt Tomi am Schwarzen Meer soll als Grabstätte davon ihren Namen erhalten haben (von grch. temnein, «zerschneiden»); nach alexandrinischer Dichtung übernahm er als erwachsener Jüngling selbst die Verfolgung der Schwester, wurde auf einer der Inseln an der illyr. Küste, die Absyrtides hießen, in einen Tempel gelockt und von Jason erschlagen.

Abt (von Abba, s. d.), ursprünglich ein Ehrenname von allgemeiner Bedeutung, der seit dem 5. und 6. Jahrh. den Klostervorstehern ausschließlich beigelegt und so zu deren Amtsnamen wurde. Die

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 76.