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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Auserwählte - Ausfluß

Auserwählte (lat. Electi), in der kirchlichen Sprache die von Gott zum Heile Auserkorenen, im Gegensatze zu den Verworfenen (reprodi), den vom messianischen Heile oder von der ewigen Seligkeit Ausgeschlossenen. Im Alten Testament nennen sich die Juden als Bevorzugte Gottes A.; die älteste Christengemeinde betrachtete sich ihrerseits als die Gemeinde der A., später unterschied man innerhalb der Kirche selbst wieder zwischen A. und Verworfenen. - A. oder Vollkommene (perfecti) nennen sich in mehrern religiösen Gesellschaften die in die Geheimlehren Eingeweihten und in die strengste Ascese Eingetretenen, z. B. bei den Manichäern (s. d.).

Ausfahren der Lippen, s. Herpes.

Ausfall, im Kriegswesen offensive Unternehmung einer Festungsbesatzung gegen die Einschließungs- oder Belagerungstruppen. Man kann alle A. in zwei Gruppen scheiden: solche, welche die Weiterführung der Verteidigung namentlich durch Zeitgewinn unterstützen, und solche, welche eine augenblickliche endgültige Entscheidung herbeiführen sollen. Zu jener gehören alle A. im eigentlichen Sinne des Wortes. So werden in dem ersten Stadium der Einschließung größere A. mit allen Waffen unternommen, um dem Gegner die Annäherung an die Festung und sein Festsetzen im Vorgelände zu erschweren und Aufklärung über seine endgültige Absicht in der Wahl der Angriffsfront zu schaffen. Hat der förmliche Angriff, die eigentliche Belagerung, begonnen, so sind große A. nicht mehr angebracht, aber zahlreiche kleinere A. (nur Infanterie, vielleicht mit Zuteilung von technischen Truppen) werden versuchen, das Fortschreiten der Angriffsarbeiten zu hindern, dem Feinde kleine errungene Vorteile wieder zu entreißen und ihm überhaupt möglichst Abbruch zu thun. Fortgesetzte energische A., die außerdem vorteilhaft auf den Geist der Besatzung wirken, sind eine wesentliche Bedingung einer gut durchgeführten hartnäckigen Verteidigung. Zur zweiten Gruppe der A. geboren solche Unternehmungen, die entweder durch Überwältigung des Angreifers der Belagerung ein Ende zu machen oder die Besatzung unter Preisgabe der Festung zu retten versuchen. Einen A. dieser Art erfolgreich durchzuführen, wird eine Festungsbesatzung aus eigener Kraft nur unter ganz außerordentlichen Umständen im stande sein; meist bedarf es hierzu des Eingreifens einer von außen kommenden Hilfe, der Entsatzarmee, die bei dem Durchbruchsversuche der Besatzung die Hand reicht.

In der Fechtkunst ist A. das schnelle Vorsetzen des vordern Fußes und die Verlegung des Körpergewichts auf denselben. Der rückwärtige Fuß darf seinen Standort hierbei nicht verlassen. Das vordere Bein ist tief gebogen, das rückwärtige gestreckt mit durchgedrücktem Knie. Der A. dient zur Verstärkung des Stoßes, seltener Hiebes. Auch das Wiederaufrichten nach dem A., das Zurückgehen in die Auslage, muß rasch erfolgen.

In der Jurisprudenz hat A. verschiedene Bedeutungen. Eine Bedingung (s. d.) fällt aus, wenn es gewiß wird, daß sie nicht eintritt. Ein Gläubiger fällt aus, soweit er aus einer Masse oder einem einzelnen Gegenstande, aus deren Verwertung er seine Befriedigung erwartete, nichts erhält, weil der Erlös so weit nicht reicht.

Ausfallbatterien, die zu den Festungsbesatzungen gehörigen bespannten Batterien, die hauptsächlich die äußern Unternehmungen der Garnison begleiten und unterstützen sollen.

Ausfallen, s. Attacke.

Ausfallsprobe oder Ausfallsmuster, im Handel ein vom Verkäufer auf besondere Verabredung dem Käufer vor der Lieferung der Ware zu übergebender kleiner Teil derselben, damit der Käufer erfährt, wie die Ware ausfällt, und danach seine weitern Verfügungen treffen kann. Dies kommt namentlich bei Waren vor, die der Verkäufer erst anzuschaffen oder zu fabrizieren hat. A. ist also etwas anderes als eine Probe, nach welcher gekauft ist. Unterläßt der Käufer zu rügen, was ihm an der A. nicht gefällt, so kann darin eine Billigung der Ware so weit gefunden werden, als die demnächst gelieferte Ware mit der A. übereinstimmt. Aber die Untersuchung der A. befreit den Käufer nicht von der Pflicht, die von auswärts gelieferte Ware selbst zu untersuchen und ihre Mängel zu rügen.

Ausfallthore, s. Festungsthore.

Ausfertigung, die von einer öffentlichen (Verwaltungs- oder Gerichts-) Behörde oder einem öffentlichen Beamten, z. B. einem Notar, zu öffentlichem Glauben und mit der Kraft der Urschrift (des Originals) erteilte Vervielfältigung einer Verhandlung, Anordnung oder Entscheidung.

Ausflammen, das Abbrennen einer kleinen Pulverladung in einem Geschütz vor Beginn des Scharfschießens, um die Feuchtigkeit der Rohrwände, die sonst die Wirkung des ersten Schusses beeinträchtigen würde, zu beseitigen.

Ausfluß, die fortschreitende Bewegung einer tropfbaren oder gasförmigen Flüssigkeit durch eine Öffnung ihres Behälters. Die hierbei geltenden Gesetze bilden einen Teil der Hydrodynamik (s. Hydraulik) oder der Aerodynamik (s. d.), je nachdem sie sich auf die tropfbaren oder gasförmigen Flüssigkeiten beziehen. Die Geschwindigkeit, mit der eine Flüssigkeit aus der Öffnung ihres Behälters tritt, nennt man ihre Ausflußgeschwindigkeit. Diese ist für eine tropfbare Flüssigkeit, die durch eine Boden- oder Seitenwandöffnung ausströmt, gerade so groß wie die Geschwindigkeit, welche die Flüssigkeit im freien Fall (s. d.) von dem Flüssigkeitsspiegel bis zur Ausflußöffnung erlangt hatte. Dieses von Torricelli zuerst (1644) gefundene hydrodynamische Gesetz ist als das Torricellische Theorem bekannt und wird durch die Formel

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ausgedrückt, wo v die Ausflußgeschwindigkeit, h die Tiefe der Ausflußöffnung unter dem Niveau und g die Beschleunigung der Schwerkraft bedeutet. Die Ausflußgeschwindigkeit ist hiernach unabhängig von der specifischen Schwere der Flüssigkeit. Dadurch, daß ein lotrecht aufwärts steigender Wasserstrahl sich nahezu bis zur Höhe des Wasserbehälters im Spiegel erbebt, bestätigt sich mit Hilfe der Fallgesetze der Torricellische Satz unmittelbar. Zum Nachweis bedient man sich der Mariotteschen Ausflußflasche. (S. Figur, S. 145a.) Dieselbe besitzt in dem Seitenrohr rs die Ausflußöffnung o, die in der auswechselbaren Verschlußscheibe gh angebracht ist und verschiedene Formen erhalten kann. Oben ist das Gefäß luftdicht verschlossen bis auf die an beiden Enden offene Röhre ba. Die Wassersäule im Gefäße oberhalb a und die darüber befindliche Luft hält während des Ausfließens stets dem äußern Luftdrucke das Gleichgewicht. Der A. bei o erfolgt also unter der gleichbleibenden Druckhöhe h=ao.