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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gebrauchsmuster; Gedächtnis; Gedankenstatistik; Gefängnisstatistik; Gehirn

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Gebrauchsmuster - Gehirn.

aus den Kettengebirgen alte Massen, die letztern sind nur noch die Überbleibsel und Ruinen ehemaliger Kettengebirge. Als solche hat man die vorgenannten Gebirgszüge des mittlern und westlichen Europa erkannt; manche dieser Massen zeigen in der Anordnung ihrer Schichten und dem Verlauf ihrer Falten eine so auffallende Übereinstimmung, daß sie unzweideutig als Bruchstücke eines ehemals zusammenhängenden Gebirgslandes anzusehen sind. An mächtigen Bruchlinien sind große Teile dieses Landes in die Tiefe gesunken, während andre erhalten sind und als Horste mitten zwischen den niedergebrochenen Partien des mitteleuropäischen Schollenlandes stehen geblieben sind (vgl. Dislokation, S. 205). Dieses gewaltige Kettengebirge verlief von SW. nach NO., also der Richtung der Alpen parallel, und begann im östlichen Frankreich etwa an einer Linie, welche aus der Gegend von Douai u. Valenciennes im N. nach dem Quellgebiet der Dordogne bei Clermont-Ferrand in der Auvergne zieht; von da erstreckte sich dasselbe nach NO. bis etwa zum Meridian von Görlitz, wo die Umbiegung nach SO. erfolgte. Wie bei den meisten Kettengebirgen herrschte auch in diesen sogen. mitteldeutschen Alpen einseitiger Bau in der Weise vor, daß an der Innenseite des Bogens die ältesten Gebilde liegen: die Gneise des Schwarzwaldes und der Vogesen, des Fichtelgebirges, Erzgebirges, Riesengebirges; die der Außenseite des Bogens angehörigen Stücke, wie das rheinische Schiefergebirge, der Harz, Thüringer Wald, Frankenwald, bestehen aus jüngern, paläozoischen Ablagerungen. In enger Verbindung mit diesen mitteldeutschen Alpen steht ein zweites Hochgebirge im westlichsten Teile Europas, welches durch das nördliche Frankreich und das südliche England im Bogen nach NW. streicht, dessen Fortsetzung sich aber nicht verfolgen läßt, da es an den Küsten des Atlantischen Ozeans abbricht. Lassen so die deutschen Mittelgebirge das Schicksal eines verfallenden Kettengebirges erkennen, so kann man anderseits auch die Vorgeschichte eines entstehenden in ihren Umrissen darlegen. Ein Hauptzug in der heutigen Gestaltung der Erdoberfläche besteht darin, daß zwei große Landmassen, Amerika im W. und Europa-Asien mit Afrika im O., aus der nördlichen Polarregion bis in die südliche gemäßigte Zone hinabreichen und das langgestreckte Becken des Atlantischen Ozeans zwischen sich einschließen. Während der mesozoischen Periode dagegen reichte quer über den Indischen Ozean eine Festlandsbrücke von Vorderindien nach Südafrika, deren Trümmer heute noch Madagaskar und kleine Inselgruppen darstellen; ebenso bestand während dieser Periode eine Verbindung zwischen Südafrika und Brasilien mitten über den heutigen südlichen Atlantischen Ozean, und im N. stand Nordamerika mit Skandinavien im Zusammenhang. Der Atlantische Ozean existierte noch nicht, wohl aber ein langgestrecktes zentrales Mittelmeer, welches die nördlichen Landmassen von den südlichen trennte und sich von Mittelamerika bis zur Tiefebene des Ganges erstreckte. Zwischen der Lage des zentralen Mittelmeers und derjenigen der Hauptzone des jungen Kettengebirges besteht nun ein ausgesprochener Zusammenhang insofern, als die Kettengebirgsregion den bleibenden, immer überfluteten und tiefsten Teil des zentralen Mittelmeers bildet, während die nördlich und südlich anstoßenden Gebiete in junger Zeit nicht gefaltet wurden. Als die gebirgsbildenden Kräfte in dem Gebiete dieses Mittelmeers in Wirksamkeit traten, wurden gerade die tiefsten Meeresstrecken zu den höchsten Gebirgen aufgetürmt. Diese Thatsache legt die Vermutung nahe, daß auch ein genetischer Zusammenhang zwischen der Mächtigkeit der Meeresablagerungen und der Gebirgsbildung besteht. Vgl. M. Neymayr, Ketten- und Massengebirge (»Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins«, 1888).

Gebrauchsmuster, s. Nützlichkeitsmuster.

Gedächtnis. Von den verschiedenen Faktoren des Gedächtnisvorgangs ist bisher nur einer, nämlich die Wirkung der Anzahl von Wiederholungen auf das Behalten, der experimentellen Untersuchung zugänglich geworden. Es hat sich ergeben, daß die Zahl der Wiederholungen, die für die Aneignung sinnloser Silben erforderlich ist, schneller als der Umfang der anzueignenden Silbenreihe wächst, aber der Festigkeit der Aneignung eben proportional ist. Die Möglichkeit, diese Ergebnisse in Zahlen zu fassen, entsteht dadurch, daß man den Augenblick, wo man eben etwas kann, genau festzulegen vermag. Man hat ferner konstatiert, wieviel einsilbige Wörter der Muttersprache, hintereinander einmal vorgesagt, im G. haften, wie viele beim zwei- und mehrmaligen Vorsagen unmittelbar hinterher noch eben reproduziert werden können etc. Ähnlich läßt sich das Vergessen in Zahlen niederschlagen.

Gedankenstatistik, s. Psychologie.

Gefängnisstatistik, s. Justizstatistik.

Gehirn (Anthropologisches). Sowohl hinsichtlich der Gesamtmasse des Gehirns als bezüglich des Hirngewichts und der Entwickelung der Hirnwindungen lassen sich zwischen den menschenähnlichen Affen (Anthropoiden) und dem Menschen sowie zwischen verschiedenen Menschenrassen erhebliche Unterschiede nachweisen. Das durchschnittliche Hirngewicht des Europäers beträgt nach v. Bischoff für die Männer 1362 g, für die Weiber nur 1219 g. Aus den Broca-Topinardschen Untersuchungen ergibt sich, daß beim Menschen das männliche Geschlecht das durchschnittliche Maximum seines Gehirns mit 1419 g zwischen 30 und 35 Jahren, das weibliche Geschlecht die völlige Entwickelung seines Gehirns mit 1217 g schon zwischen 25 und 30 Jahren erreicht. Dagegen beträgt das mittlere Hirngewicht des männlichen Negers nur 1244 g, dasjenige des Schimpanse 350 bis 400 g. Während das Gewicht des erwachsenen Schimpansegehirns zum Gesamtkörpergewicht im Verhältnis von 1:70 bis 80 steht, beträgt das besagte Verhältnis beim Menschen nur 1:35 bis 40. Bei jungen Individuen tritt der Unterschied weniger hervor, indem das Hirngewicht zum Körpergewicht beim jungen Schimpanse sich wie 1:25, beim menschlichen Kinde sich wie 1:18 verhält. Damit stimmt auch die Thatsache, daß die Menschenähnlichkeit des jungen Anthropoiden eine weit größere ist als diejenige des erwachsenen Tieres. Der Mensch besitzt nicht, wie früher allgemein angenommen wurde, das größte G., sondern wird von einer Anzahl kleinerer Tiere (z. B. kleinerer Affen und Singvögel) in der relativen und vom Elefant und Walfisch in der absoluten Größe des Gehirns übertroffen. Wenn hier und da bei geistig hervorragenden Menschen kein sehr bedeutendes und bei Angehörigen von geistig wenig entwickelten Menschenrassen ein ziemlich großes Hirngewicht angetroffen wird, so beruht dies darauf, daß Beziehungen zwischen dem Hirngewicht und dem Gesamtkörpergewicht bestehen, und daß durch die energische Muskelaktion der von der Jagd lebenden oder nomadenhaft umherschweifenden niedern Menschenrassen die Bewegungszentren des Gehirns geübt werden und an Volumen zunehmen. Auch ist es wahrscheinlich, daß bei