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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gerichtsfolge – Gerichtskosten

Nach der Österr. Allg. Gerichtsordnung vom 1. Mai 1781 sollen an den Sonn- und gebotenen Feiertagen, von dem Weihnachtstage bis an den Tag der Heiligen Drei Könige, von dem Palmsonntage bis an den Ostermontag, an den drei Bettagen in der Kreuzwoche, vom Fronleichnamstage bis an den folgenden Donnerstag bei Gericht Ferien gehalten werden; außer bei Gefahr im Verzuge soll in den Ferien keine Tagsatzung vorgenommen, noch der Tag für eine einzureichende Schrift auf einen Ferientag angesetzt werden; Pfändung wegen Geldforderungen kann auch während der Ferien, außer an Sonn- und Feiertagen, erfolgen, doch muß mit der weitern Exekution der Ablauf der Ferien abgewartet werden (§§. 376 fg.). Begonnene Hauptverhandlungen in Strafsachen können nach §. 273 der Österr. Strafprozeßordnung auch an Sonn- und Feiertagen fortgesetzt werden.

Gerichtsfolge nannte man im ältern deutschen Recht die Pflicht, als Schöffe oder Urteilsfinder im Gericht zu sitzen, dann die Dienste für das Gericht überhaupt, sowie auch die zur Ausführung solcher Dienste besonders bestimmten Gerichtsdiener.

Gerichtsfriede, s. Friede.

Gerichtsfronen, Frondienste, d. h. Herrendienste, zu Gerichtszwecken, die in früherer Zeit die Unterthanen dem Gerichtsherrn, besonders dem Inhaber der Patrimonialgerichtsbarkeit zu leisten hatten. So bestand vielfach die Pflicht, dem Gericht bei Verfolgung von Verbrechern zu folgen, bei deren Arretierung behilflich zu sein, sie zu bewachen und zu transportieren u. s. w.

Gerichtsgebäude, bei größerm Maßstabe auch Justizpalast genannt, ein Bauwerk, welches ausschließlich als Sitz für die richterlichen Behörden errichtet ist. Während im Mittelalter die Gerichtshöfe meist in den Rathäusern oder Regierungspalästen ihren Sitz haben, kommen doch auch schon in früher Zeit Bauten vor, deren Zweck die Abhaltung von Gerichten ist (Gerichtslaube in Berlin, ein 1871 nach Potsdam versetztes kleines mittelalterliches Gebäude). Die großartige Ausgestaltung der G. gehört jedoch erst der Neuheit an. Von vorbildlicher Bedeutung war der Ausbau des G. (Palais de justice) zu Paris durch Duc, eines zum Teil aus dem Mittelalter stammenden, fast alle Jahrhunderte erweiterten und 1840‒80 in einheitliche Form gebrachten Bauwerks (Kosten 36 Mill. Frs.). Noch gewaltiger ist das G. zu Brüssel gestaltet, eins der mächtigsten Bauwerke der Erde (von Poelaert 1866‒82; Kosten 24 Mill. Frs.). Zu den reich ausgestatteten, meist noch dem Mittelalter angehörigen G. von London, z. B. dem 1346 von den Tempelherren den Rechtsgelehrten überlassenen Kloster Temple, sind neuerdings die Royal Courts of Justice (s. Tafel: Londoner Bauten, Fig. 5, beim Artikel London) hinzugekommen. Der Wiener Justizpalast (von von Wielemans 1875‒81, Kosten 5,4 Mill. M.), der Dresdner (von Canzler 1876‒79, Kosten 2 Mill. M.), der Stuttgarter (von Th. von Landauer 1875‒79, Kosten 1,8 Mill. M.) seien als deutsche Beispiele erwähnt. Die G. müssen neben den Arbeitsräumen für die Richter und Staatsanwälte Zimmer für Rechtsanwälte, Parteien und Zeugen, die Gerichtssäle und weite Wartehallen (in Frankreich Salle des pas perdus) sowie einige Gefangenenzellen für Angeklagte erhalten. Äußerlich haben sie die Weihe des Zwecks und die Hoheit des Gerichts zum Ausdruck zu bringen. Dies findet besonders bei dem Reichsgerichtsgebäude (von Hoffmann, 1886 begonnen, 1895 vollendet) zu Leipzig statt.

Gerichtsgebrauch, die gleichmäßige Rechtsübung durch das Gericht; sie kann als ein Akt des Gewohnheitsrechts zur Rechtsquelle sowohl auf materiellrechtlichem wie auf prozeßrechtlichem Gebiete werden. Die richterliche Thätigkeit besteht zunächst allerdings nur in der Anwendung des Gesetzes auf den einzelnen Fall. Allein sie kann durch die Gleichförmigkeit der Rechtsübung zu einem rechtserzeugenden Faktor werden. Besondere Gelegenheit hierzu wird dem Richteramt teils zur Erzielung einer klaren und zweifelsfreien Auslegung der Gesetze, teils zur Fortbildung derselben im Wege analoger Anwendung gegeben, und diese rechtsproduktive Wirksamkeit kommt namentlich den Urteilssprüchen höchster Gerichtshöfe zu.

Gerichtsgebühren, s. Gerichtskosten.

Gerichtshalter oder Justitiarius hieß früher der vom Inhaber der Patrimonialgerichtsbarkeit (s. d.) als Gerichtsherrn zur Ausübung der Gerichtsbarkeit bestellte Beamte.

Gerichtshand, Gerechtigkeitshand (lat. manus justitiae), eine plastisch dargestellte Schwurhand als Krönung eines, später in ein Scepter verwandelten Stabes, den die Könige Frankreichs und Englands als Zeichen oberster richterlicher Gewalt in der linken Hand trugen.

Gerichtshandelsbuch, das vor Einführung der Grundbücher und da, wo solche noch nicht eingeführt sind, zum Eintrag der verlautbarten Veräußerungsverträge über Liegenschaften, der Bestellungen von Dienstbarkeiten und Reallasten in chronolog. Folge bestimmte Buch. In Württemberg wird es von der Gemeinde geführt und heißt Vertragsbuch, Kaufbuch oder Kontraktbuch.

Gerichtsherr ist nach heutiger Gerichtsverfassung lediglich der Träger der Staatsgewalt. (S. Gerichtsbarkeit.) Solange noch Patrimonialgerichtsbarkeit (s. d.) bestand, wurde auch der Inhaber der selben (z. B. ein Gutsherr) als G. bezeichnet. – Über die G. der militärischen Gerichte s. Militärstrafverfahren.

Gerichtsherrlichkeit, die verfassungsmäßige Befugnis und Verpflichtung zur Justizverwaltung, zur Fürsorge, daß Justiz gehandhabt werde. Dieselbe umfaßt insbesondere die Bestellung des erforderlichen Personals der Rechtspflege, namentlich der Richter, die Oberaufsicht über die Rechtspflege (Visitationen, Prüfung von Beschwerden wegen verweigerter Justiz u. dgl.), die Regelung des Geschäftsbetriebes, soweit dieser nicht gesetzlich bestimmt ist, u. s. w. Mit der Gerichtsbarkeit (s. d.) im engern Sinne faßt man die G. auch zu einem Begriffe der Gerichtsbarkeit im weitern Sinne zusammen.

Gerichtshof, in ältern Zeiten gewöhnlich Gerichten höherer Instanz gegebene Bezeichnung, heutzutage mit Bezug auf Kollegialgerichte gebraucht.

Gerichtskosten bilden eine öffentlich-rechtliche Abgabe, welche für Gewährung der Rechtspflege erhoben wird und naturgemäß sich teils auf Gebühren für die Thätigkeit des Gerichts, teils auf Ersatz der Auslagen demselben richten kann. Da heutzutage im Deutschen Reiche Träger der Rechtspflege wesentlich der Staat allein ist, so stellen sich auch die G. in gleichem Maße als Abgabe an den Staat dar. Einheitlich geregelt für das Reich ist das Gerichtskostenwesen bis jetzt erst im Bereiche der streitigen Gerichtsbarkeit (s. d.), und zwar der vor die