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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handels- und Gewerbekammern

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Handels- u. Gewerbekammern (Organisation, rechtliche Stellung etc.).

Alaun, Teerfarben, bis 1885 Schießpulver u. Sprengstoffe; Lederhandschuhe und andre feine Lederwaren; feine Holzwaren, ungepolsterte Möbel, Bürstenbinderwaren; gemeines Hohlglas, Fensterglas, Porzellan; Holzstoff, Papier, Tapeten, Papier- und Pappwaren; Bucher etc. Rückgang oder Stillstand zeigt sich nur bei leinenen Zeugwaren, wollenen und seidenen Posamenten; Kupfer, Blei, Zinn, Brucheisen, Eisenbahnschienen, Maschinen (seit 1883); Rüböl, Seifen, Ultramarin, Alizarin; Sohlleder; Tischler-, Böttcher- etc. Waren; Korkwaren; Wachstuch. In den Jahren 1888 und 1889 hat sich das Bild etwas verschoben. Mit Hilfe der obigen Tabelle ist eine Orientierung nicht schwer. In der neuesten Zeit sind energische Bestrebungen, Australien als Absatzgebiet zu gewinnen, bemerkbar (vgl. M. F. Bahse, Der deutsche Geschäftsverkehr mit Australien, Leipz. 1890). Als wirksames Förderungsmittel des deutschen Verkehrs mit Ostasien und Australien haben sich die vom Reiche subventionierten Postdampfer bewährt.

Nachstehend geben wir eine Übersicht über die zollpolitischen Beziehungen Deutschlands zum Ausland (»Deutsches Handelsarchiv« 1890, S. 1):

I. Staaten mit Vertragszolltarifen, auf deren Anwendung Deutschland Anspruch hat, sind: Ägypten, Belgien, Bulgarien, China, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Japan, Korea, Niederlande, Österreich-Ungarn, Ostrumelien, Portugal, Rumänien, Schweden und Norwegen, Schweiz, Serbien, Siam, Spanien, Südafrikanische Republik, Türkei und Sansibar.

II. Staaten ohne Vertragstarife, in welchen Deutschland ein Recht auf Meistbegünstigung hat, sind: Argentinische Republik, Chile, Costarica, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Hawai, Honduras, Congo, Liberia, Madagaskar, Marokko, Mexiko, Paraguay, Persien, Salvador, Samoa und Vereinigte Staaten von Nordamerika.

III. Staaten (d. h. nur die wichtigern), in welchen Deutschland ein Recht auf Meistbegünstigung nicht hat, sind: Finnland, Rußland, Brasilien, Bolivia, Kolumbien, Haïti, Nicaragua, Peru, Uruguay und Venezuela.

IV. Staaten, welche in Deutschland die Rechte der Meistbegünstigung, also den Vertragszolltarif (welcher auf den Verträgen Deutschlands mit der Schweiz, Italien, Spanien und Griechenland beruht) genießen, sind: Chile, Costarica, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, Frankreich, Griechenland, Großbritannien nebst Kolonien und auswärtigen Besitzungen, Guatemala, Hawai, Honduras, Italien, Korea, Liberia, Madagaskar, Mexiko, Niederlande nebst Kolonien, Rumänien, Salvador, Schweden und Norwegen, Sansibar, Schweiz, Serbien, Spanien nebst Kolonien, Südafrikanische Republik, Türkei, Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Vgl. Diezmann, Deutschlands Warenhandel mit dem Ausland in den Jahren 1872-87 (Berl. 1888); »Die wirtschaftliche Bewegung von Handel und Industrie in Deutschland im Zeitraum von 1884-88« (hrsg. vom Generalsekretariat des deutschen Handelstags; Berl. 1890, Bd. 1 u. 2).

Handels- und Gewerbekammern. Handelskammern sind die zur Vertretung der Interessen von Handel und Industrie berufenen Organe. Gewerbekammern liegt die Förderung der Kleingewerbe, d. h. vornehmlich der Handwerke, ob.

Staatliche Organisation. Die deutschen Handelskammern stehen unter der Leitung und Aufsicht der betreffenden Bundesstaaten. Durch Gesetz (so in Preußen durch Gesetz vom 24. Febr. 1870, in Württemberg durch Gesetz vom 4. Juli 1874, in Baden durch Gesetz vom 11. Dez. 1878, bez. 26. April 1888, in Hessen durch Gesetz vom 17. Nov. 1871 etc.) oder durch Verordnung (so namentlich in Bayern Verordnung vom 25. Okt. 1889) oder auch durch Gesetz und Verordnung (so in Sachsen) sind in den einzelnen Bundesstaaten die einschlägigen Verhältnisse geregelt. In der Wissenschaft besteht ein Streit darüber, ob freie Vereinigungen ohne staatliche Autorisation und Leitung den staatlich organisierten Handelskammern vorzuziehen seien. Die Anhänger der freien Vereinigungen weisen mit Vorliebe auf England hin, wo dieselben als die einzigen Vertretungen für Handel und Industrie Hervorragendes leisten und einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die kommerzielle Gesetzgebung des Landes üben. Es wird ferner geltend gemacht, daß der deutsche Handelstag aus einer freiwilligen Vereinigung der deutschen Handelskammern hervorgegangen sei. So sprach denn auch bei der Beratung des preußischen Gesetzes vom 24. Febr. 1870 in der Kommissionssitzung der Referent, der Abgeordnete Jacobi, den freien Vereinigungen das Wort; im Plenum des preußischen Abgeordnetenhauses wurde seitens des Abgeordneten Eugen Richter die Verwerfung der Gesetzesvorlage, durch welche die Handelskammern zu ihrem eignen Schaden von der Staatsgewalt abhängig würden, dringend empfohlen. Gleichwohl dürfte für Deutschland die staatliche Organisation am passendsten sein. Es ist in Betracht zu ziehen, daß die Handelskammern berufen sind, die örtlichen Interessen von Handel und Industrie zu vertreten. Diese gehen in einem größern Gebiet sehr weit auseinander. Ohne staatlichen Eingriff bliebe es dem Zufall überlassen, ob sich in einem Bezirk geeignete Vertretungen fanden. Der Staat muß aber Vorsorge dafür treffen, daß seine Organe von den jeweiligen Bedürfnissen zu rechter Zeit unterrichtet werden, damit er das Gedeihen von Handel und Industrie durch Maßnahmen der Gesetzgebung und Verwaltung nach Kräften fordern kann. Daneben mögen sich dann, wenn nötig, freie Vereinigungen bilden, deren berechtigten Wünschen der Staat billigerweise Rechnung tragen wird.

Die Handelskammern sind von den Regierungen in den einzelnen deutschen Bundesstaaten zum Teil mehr, zum Teil weniger abhängig. In Bayern hat z. B. das Staatsministerium des Innern (Abteilung für Landwirtschaft, Gewerbe und Handel) jederzeit das Recht, mit Genehmigung des Königs die Kammern aufzulösen, während ein gleiches Recht den Regierungen der übrigen deutschen Bundesstaaten nicht eingeräumt ist. Dagegen ist in allen Bundesstaaten die Errichtung von Handelskammern nur mit Genehmigung des zuständigen Ministeriums zulässig.

Was die privatrechtliche Stellung der Handelskammern betrifft, so haben die meisten deutschen Bundesstaaten den Handelskammern die Rechte einer juristischen Person nicht eingeräumt. Eine Ausnahme machen Baden, Braunschweig und Anhalt, wo den Handelskammern diese Rechte zukommen. Natürlich können nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die Handelskammern auch in denjenigen Bundesstaaten, in welchen ihnen Rechtspersönlichkeit nicht verliehen ist, Rechte erwerben und Verpflichtungen übernehmen, klagen und verklagt werden.

Zusammensetzung der Handelskammern. Die Mitglieder der Handelskammern gehen zumeist aus direkten Wahlen hervor. Nur im Königreich Sachsen erfolgen die Wahlen indirekt.