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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Handelsgesellschaft - Handelskammern.

deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 274) alle von einem Kaufmann abgeschlossenen Verträge in Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig. Rechtsgeschäfte über unbewegliche Sachen (Immobilien, Grundstücke) sind nach ausdrücklicher Vorschrift des Handelsgesetzbuchs (Art. 275) niemals Handelsgeschäfte. Die Handelsgeschäfte sind Gegenstand des vierten Buches des Handelsgesetzbuchs (Art. 271 ff.). Die Seehandelsgeschäfte sind im fünften Buch (Art. 432 ff.) geordnet. - In einem andern Sinn versteht man unter H. die ganze zum Betrieb des kaufmännischen Gewerbes eingerichtete Anstalt mit den dazu gehörigen Kapitalien, den Passiven, dem Kredit und dem Absatz. Auch wird der Ausdruck als gleichbedeutend mit Firma (s. d.) gebraucht.

Handelsgesellschaft (Handelssocietät, Handelsverein, Handelsassociation, Handelskompanie, Maskopei), Vereinigung mehrerer Personen zur Betreibung des Handels für gemeinschaftliche Rechnung. Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch (Art. 85 ff.) unterscheidet folgende: 1) Die offene H. (société en nom collectif des französischen Rechts) ist dann vorhanden, wenn zwei oder mehrere Personen ein Handelsgewerbe unter gemeinschaftlicher Firma betreiben und bei keinem der Gesellschafter (Kompagnons, Associés), die Beteiligung auf Vermögenseinlage beschränkt ist. Die Gesellschafter haften hier solidarisch, d. h. alle für einen und einer für alle, und es unterscheidet sich die offene H. von der Genossenschaft (s. d.) dadurch, daß bei dieser die Anzahl der Mitglieder eine wechselnde, keine von vornherein bestimmte, daß ihr Zweck wesentlich ein volkswirtschaftlicher, und daß die solidarische Haftung eine beschränkte ist. 2) Die Kommanditgesellschaft (société en commandite) (s. d.) findet statt, wenn bei einem unter einer gemeinschaftlichen Firma betriebenen Handelsgewerbe ein oder mehrere Gesellschafter (Komplementäre) persönlich, andre dagegen, die Kommanditisten, nur mit Vermögenseinlagen beteiligt sind. Ist das Kapital der letztern in Aktien oder Aktienanteile zerlegt, so ist es eine Kommanditgesellschaft auf Aktien oder Kommandit-Aktiengesellschaft (s. d.). Nicht zu verwechseln mit der Kommanditgesellschaft ist die sogen. stille Gesellschaft (société anonyme), welche darin besteht, daß sich jemand an dem Betrieb des Handelsgewerbes eines andern mit einer Vermögenseinlage zu Gewinn und Verlust beteiligt. Dieses Verhältnis wird nur uneigentlich Gesellschaft genannt, denn einmal besteht keine Gesellschaftsfirma, sondern das Geschäft wird unter der Firma seines Eigentümers (Komplementärs) betrieben; es wird deshalb auch keine Eintragung in das Handelsregister gefordert, und wenn sich mehrere Personen mit solchen Einlagen gegen Anteil am Gewinn und Verlust bei dem Geschäft desselben Kaufmanns beteiligen, so stehen diese zu einander in keinerlei Rechtsverhältnis; sodann steht aber auch der sogen. stille Gesellschafter in keinem obligatorischen Verhältnis zu den Handlungsgläubigern des Eigentümers des Handelsgewerbes; der vom stillen Gesellschafter nicht erhobene Gewinn wird nicht zu seinem Gesellschaftsanteil geschlagen, und es kann auch die Auflösung des Verhältnisses keine Liquidation zur Folge haben. 3) Die Aktiengesellschaft besteht darin, daß sich die sämtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen beteiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften, das Gesellschaftskapital also in Aktien oder auch in Aktienanteile zerlegt ist. Die Gefahr der Ausbeutung des leichtgläubigen Publikums durch sogen. Gründungen hat Gesetze nötig gemacht, durch welche bei den Kommanditgesellschaften auf Aktien und bei den Aktiengesellschaften sowohl eine besonders strenge Haftbarkeit der Gründer und der Aufsichtsräte eingeführt, als auch durch sonstige Einschränkungen der Gefahr der Ausbeutung des Publikums vorgebeugt wird. So in Frankreich die Gesetze vom 17. Juli 1856, 23. Mai 1863, 24. Juli 1867, durch welch letzteres die beiden zuerst genannten abgeschafft worden sind. Auch die Bestimmungen des deutschen Handelsgesetzbuchs wurden für unzureichend befunden und nach beiden Richtungen hin (Reichsgesetze vom 11. Juni 1870 und 18. Juli 1884) verschärft. S. Aktie und Aktiengesellschaft. 4) Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung, eine sogen. Gelegenheitsgesellschaft (s. d.), auch Spekulationsverein oder Partizipationsgesellschaft (conto a metà-Geschäft, société en participation) genannt, erzeugt kein dauerndes Rechtsverhältnis, sondern ist nur auf ein bestimmtes einzelnes Unternehmen auf gemeinsame Kosten, Vorteil und Gefahr gerichtet. Vgl. außer den Hand- und Lehrbüchern des Handelsrechts: Endemann, Die Entwickelung der Handelsgesellschaften (2. Aufl., Berl. 1872).

Handelsgesetzbuch, s. Handelsrecht.

Handelsgewächse, s. Handelspflanzen.

Handelsgewerbe sind diejenigen Gewerbe, welche sich mit dem Güterumsatz befassen. Die H. widerstrebten mit ihrer in weitere Ferne gerichteten Thätigkeit von jeher der zünftigen Ordnung. Die zünftigen Gewerbe nannte man wohl auch Polizeigewerbe und stellte sie (z. B. in Österreich) den freier gestalteten "Kommerzialgewerben" entgegen.

Handelsgewicht, das namentlich vom Großhandel benutzte Gewicht, wenn es von demjenigen, dessen sich der Kleinverkehr bedient, abweicht.

Handelsgewohnheit, s. Handelsbrauch.

Handelsgut (Kaufmannsgut), solche Ware, wie sie nach der Verkehrssitte unter derjenigen Bezeichnung verstanden wird, welche bei Abschluß eines Handelsgeschäfts von den Kontrahenten gebraucht wurde. Das deutsche Handelsgesetzbuch (Art. 335) schreibt vor, daß, wenn im Vertrag über die Beschaffenheit und Güte der Ware nichts Näheres bestimmt ist, der Verpflichtete H. "mittlerer Art und Güte" zu gewähren hat, also Waren, welche ihrer Beschaffenheit nach durchschnittliche sind.

Handelskammern (Handels- und Gewerbekammern, Kommerzkammern, Handelsdeputationen, kaufmännische Ältestenkollegien), Organe zur Vertretung der kaufmännischen und industriellen Interessen in einem bestimmten Bezirk. In Frankreich entstand die erste Handelskammer 1650 in Marseille frei aus dem Handelsstand heraus, 1700 und 1701 wurden seitens der französischen Regierung mehrere solcher Institute eingerichtet. Während der Revolution 1791 aufgehoben, wurden sie unter Napoleon I. 1803 wiederum organisiert. Ihre Funktionen wurden durch spätere Regierungserlässe und Gesetze des weitern ergänzend festgestellt. Danach bestehen in Frankreich die Chambres de commerce, die Handelsräte, und die Chambres consultatives des arts et des manufactures, die Gewerbe- und Fabrikräte. Die erstern umfassen größere und industriell wie kommerziell mannigfaltige Bezirke; ihre Kosten werden von sämtlichen Patentierten der einzelnen Bezirke bestritten, wogegen die Chambres consultatives des arts et des manufactures von den Städten, welche sie be-^[folgende Seite]