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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handelsprämien; Handelsprivilegien; Handelsrat; Handelsrecht

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Handelsprämien - Handelsrecht.

Handelsprämien, Belohnungen, welche zur Unterstützung und Förderung von Industrie und Handel, besonders in Anknüpfung an Aus- und Einfuhr von Waren, gewährt werden. Sie waren eine beliebte Maßregel des Merkantilsystems. Vgl. Ausfuhr.

Handelsprivilegien, die Vorrechte, welche einer Stadt, Gesellschaft oder Person oder einer Klasse (z. B. den Juden im Mittelalter, welche Geld auf Zins ausleihen durften) für Handelszwecke eingeräumt werden. Das territorial zersplitterte Deutschland war sehr reich an den mannigfachsten H. Sie bestanden in Monopolsrechten, Stapelrechten, Umschlagsrechten u. a. Dabei war eine Reihe von Vorschriften über die Benutzung der Handelsstraßen im Schwange. Auch nennt man H. die Vorrechte, welche ein Staat einem andern vor dritten Staaten in Bezug auf den Handelsverkehr zugestanden werden.

Handelsrat, s. v. w. Handelskammer; Mitglied einer solchen; auch s. v. w. Kommerzienrat; in Frankreich ein 1831 nur für das Interesse des Handels, 1853 im Interesse von Landwirtschaft und Industrie erweitertes Kollegium (conseil supérieur du commerce, de l'agriculture et de l'industrie), welches aus Beamten und Vertretern von Handel, Industrie und Landwirtschaft zusammengesetzt ist, um, ähnlich wie die Handelskammern (s. d.) und der preußische Volkswirtschaftsrat (s. d.), Fragen der Gesetzgebung und der Verwaltung vorzubereiten und zu begutachten. In Bayern heißen Handelsräte die Vertretungen des Handelsstandes in kleinen Bezirken, welche keine Handelskammern haben.

Handelsrecht, der Inbegriff der besondern für Handelssachen geltenden Rechtssätze. Diejenigen Normen desselben, welche die auf Sonderinteressen beruhenden Beziehungen der Personen zu einander und zu den Sachen ordnen, bilden das Privathandelsrecht. Das Staatshandelsrecht, ein Teil des Verwaltungsrechts, regelt die Beziehungen der Staatsgewalt zum Handel nach der polizeilichen, finanziellen und strafrechtlichen Seite. Das Völkerhandelsrecht, auch allgemeines H. genannt, bezieht sich auf die Bedingungen des Handelsbetriebs zwischen verschiedenen Staaten und den Angehörigen derselben. Als Zweige des Privathandelsrechts sind zu betrachten: das Wechsel-, das See- und das Versicherungsrecht. Dem öffentlichen und dem Privathandelsrecht gehören ein eigentümliches Handelsprozeßrecht und Fallitenrecht an. - Obgleich das römische Recht nur wenige ausschließlich den Handel betreffende Normen enthält, so wurde es doch in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters die Grundlage des europäischen Handelsrechts, indem die kaufmännische Gewohnheit (consuetudo, stylus mercatorum, usancia) nicht mehr genügte. Seit Mitte des 16. Jahrh. beginnt in einzelnen Staaten die Gesetzgebung sich mit Handelssachen zu befassen. So entstanden in Deutschland Gesetze gegen wucherliche Kontrakte verschiedener Art: Augsburger Reichsabschied 1550, Tit. 32; Reichspolizeiordnung von 1530, Tit. 26, 27; von 1548 und 1577, Tit. 17, 20; Regensburger Reichsabschied von 1532, Tit. 8; Speierer Reichsabschied von 1570, § 83; Beschränkung der Moratorien: Reichspolizeiordnung von 1548, Tit. 22; von 1577, Tit. 23; Reichsgerichtsordnung vom 1. Aug. (21. Juli) 1668 und vom 22. (12.) Juni 1669; Bankrottstrafen und -Verfahren: Reichspolizeiordnung von 1548, Tit 22; von 1577, Tit. 23. Für den Wechselprozeß waren von Bedeutung: der jüngste Reichsabschied von 1654, § 107; die Reichsgerichtsordnung vom 31. (21.) Juli 1668; das kaiserliche Kommissionsdekret vom 10. Okt. (30. Sept.) 1668 und die Reichsabschiedsordnung von 1671. - Für Frankreich bildete das Edikt Karls IX. von 1563 die Grundlage der französischen Handelsgerichtsbarkeit; für das Handels- und Seerecht wurden von Bedeutung die Ordonnanzen Ludwigs XIV. vom März 1673, sogen. Ordonnance du commerce, und von 1681, sogen. Ordonnance de la marine. Eigentliche Kodifikationen des Handelsrechts beginnen seit Ende des 18. Jahrh. und zwar zunächst in Preußen: erneuerte Wechselordnung vom 30. Jan. 1751, das Seerecht vom 11. Dez. 1727 und die Assekuranz- und Havarieordnung vom 18. Febr. 1766; das allgemeine Landrecht vom 5. Febr. 1794, Teil 2, Tit. 8, § 713-2464; sodann in Frankreich der Code de commerce vom 1. Jan. 1808. Letzterer wurde in verschiedenen deutschen und auch in andern Staaten eingeführt.

Nach Auflösung des frühern Deutschen Reichs wurden Handels- und Wechselrecht zum großen Nachteil für den Verkehr durch die partikuläre Gesetzgebung weiter entwickelt. Anträge auf gemeinsame Gesetzgebung, welche auf den Generalkonferenzen der Zollvereinsstaaten von 1836 u. 1838 Württemberg stellte, blieben erfolglos; erst der weitere württembergische Antrag in der achten Konferenz von 1846 hatte zur Folge, daß 1847 die Beratungen über ein gemeinsames Wechselrecht begannen; die so in Nürnberg zu stande gekommene Wechselordnung wurde zwar 26. Nov. 1848 für das ganze Reich verkündet, erlangte aber dadurch doch nicht den Charakter eines eigentlichen Reichsgesetzes. Ergänzt und teilweise geändert wurde sie durch die sogen. Nürnberger Novellen. Im J. 1848 wurde eine Kommission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs niedergesetzt, welche im März 1849 die fünf ersten Titel ihres Entwurfs beendigt hatte; allein mit dem Sturz der damaligem Reichsregierung blieb diese Arbeit auf sich beruhen. Am 21. Febr. 1856 brachte Bayern bei der Bundesversammlung den Antrag ein, eine Kommission zur Entwerfung eines allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland niederzusetzen; 15. Jan. 1857 wurden die Konferenzen dieser Kommission zu Nürnberg eröffnet. Nachdem in zwei Lesungen der Entwurf eines Handelsgesetzbuchs festgestellt war, begannen 26. April 1858 zu Hamburg die Beratungen des Seerechts. Am 11. März 1861 waren sämtliche Beratungen geschlossen. Mit besondern, vielfach voneinander abweichenden Einführungsgesetzen wurde seit 1861 das Handelsgesetzbuch in den einzelnen deutschen Staaten sowie in Österreich, und zwar nicht nur in Deutsch-Österreich, sondern auch in verschiedenen nichtdeutschen Ländern der Monarchie, eingeführt. Seit 1871 gelten das Handelsgesetz und die Wechselordnung als Reichsgesetze, nachdem sie bereits durch das Gesetz vom 5. Juni 1869 für Gesetze des Norddeutschen Bundes erklärt worden waren. Die Einführung in Elsaß-Lothringen erfolgte durch Gesetz vom 19. Juni 1872.

In erster Reihe ist in Handelssachen das Handelsgesetzbuch in Anwendung zu bringen; soweit es keine Bestimmungen enthält, sind die Handelsgebräuche (s. Handelsbrauch) maßgebend und in deren Ermangelung das allgemeine bürgerliche Recht. Da Reichsgesetz dem Landesgesetz vorgeht, so sind mit Einführung des Handelsgesetzbuchs als Reichsrecht alle landesrechtlichen Bestimmungen abgeschafft, welche neben dem Handelsgesetzbuch nicht bestehen können. Das Handelsgesetzbuch regelt zunächst die eigenartigen Verhältnisse des Handelsstandes, indem es im erstem Buch 1) von den Kaufleuten, 2) von dem Handelsregister, 3) von den Handelsfirmen, 4) von den