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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heerbann; Heereman-Zuydwyk; Heeren

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Heerbann - Heeren.

Präsidium er 1863 und 1869 bekleidete, wurde er 1875 von der Bundesversammlung in den Bundesrat gewählt, war 1876 dessen Vizepräsident und 1877 Bundespräsident. Infolge angegriffener Gesundheit legte er 1. Jan. 1879 sein Amt nieder und starb 1. März d. J. in Glarus. Er schrieb die Biographie seines Landsmanns, des Rechtshistorikers Blumer, sowie verschiedene geschichtliche Abhandlungen in den "Jahrbüchern des Historischen Vereins des Kanton Glarus". Vgl. G. Heer, Landammann und Bundespräsident J. H. (Zürich 1884); Derselbe, Vaterländische Reden von J. H., nebst biographischen Nachträgen (das. 1885).

Heerbann (früher auch Heermannie, mittellat. Heribannus, franz. Arrière-ban), in der alten deutschen Kriegsverfassung das Aufgebot aller waffenfähigen freien Grundbesitzer zur Heerfahrt, d. h. zu einem Nationalkrieg. Daneben entwickelte sich jedoch schon früh das Lehnswesen, infolge dessen nach Karls d. Gr. Tode der H. mehr und mehr verfiel. Da derselbe für ärmere Landeigentümer, deren mehrere gemeinschaftlich einen Krieger auszurüsten hatten (es kam auf je drei Hufen ein Mann), sehr beschwerlich ward, so suchten sie sich ihm dadurch zu entziehen, daß sie sich unter den Schutz und in den Dienst von Mächtigern begaben, von welchen sie bei der Ausrüstung unterstützt oder auch ganz vom Kriegsdienst befreit wurden. Dies führte gegen Ende des 10. Jahrh. zur Umgestaltung der ganzen Kriegsverfassung. Die Heere der Könige bestanden nämlich nun nicht mehr aus der Gesamtheit der Freien, sondern aus den mächtigern Reichsbeamten oder Vasallen und dem Dienstgefolge derselben, und diejenigen, welche keine Kriegsdienste leisteten, wurden zu einer Heersteuer verpflichtet. Bei der durch die steten Feldzüge Karls d. Gr. nötigen Regelung des Heerbannes wurde derselbe nach dem Rang der Pflichtigen in sieben Klassen oder sogen. Heerschilde (s. d.) geteilt. Die Feldzüge, welche mit Hilfe des Heerbannes ausgekämpft wurden, hießen Heerfahrten, die Teilnahme der Vasallen Heeresfolge. Zur Zeit der Kreuzzüge, wo das Lehnssystem seinen Höhepunkt erreichte, war der H. in allen abendländischen Reichen schon fast ganz eingegangen. Konskription und allgemeine Wehrpflicht haben in neuerer Zeit, wenn auch auf andrer Grundlage, wieder dem altdeutschen Wehrwesen ähnliche Einrichtungen hervorgerufen (vgl. Heer, S. 273). H. hieß auch die Strafe desjenigen, welcher dem Aufgebot zum H. nicht Folge leistete; dann ist H. auch s. v. w. Kriegssteuer (s. Bann).

Heereman-Zuydwyk (spr. seudweik), Klemens, Freiherr von, Abgeordneter, geb. 26. Aug. 1832 zu Surenburg bei Riesenbeck (Rgbz. Münster), studierte in Bonn, Heidelberg und Berlin die Rechte, trat als Auskultator beim Kreisgericht zu Münster in den Staatsjustizdienst, ging dann zum Verwaltungsdienst über, war erst Regierungsassessor bei der Regierung in Münster und wurde dann Regierungsrat in Merseburg. Seit 1870 Mitglied des Abgeordnetenhauses, seit 1871 des Reichstags, schloß er sich der Zentrumspartei an und nahm daher bei Beginn des Kulturkampfes seine Entlassung aus dem Staatsdienst. H. war einer der fleißigsten Abgeordneten und ein wirksamer, wohlunterrichteter, gemäßigter Redner. Am 30. Okt. 1879 ward er zum zweiten, 1881 zum ersten Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt. Er bewirtschaftet jetzt sein Rittergut in Westfalen und ist Mitglied des westfälischen Provinziallandtags sowie Präsident des Westfälischen Kunstvereins.

Heeren, 1) Arnold Hermann Ludwig, berühmter deutscher Historiker, geb. 25. Okt. 1760 zu Arbergen bei Bremen, erhielt auf der Bremer Domschule seine wissenschaftliche Vorbildung und studierte seit 1779 in Göttingen anfangs Theologie, dann Philosophie und Geschichte. Seit 1784 Privatdozent, machte er sich durch die Ausgabe der Schrift des Rhetors Menander: "De Encomiis" (Götting. 1785), der gelehrten Welt zuerst bekannt und unternahm, um die Herausgabe der Eklogen des Stobäus vorzubereiten, welche 1792-1804 in 4 Bänden zu Göttingen erschien, eine Reise nach Italien, Frankreich und den Niederlanden. Nach seiner Rückkehr (1787) ward er zum außerordentlichen, 1794 zum ordentlichen Professor der Philosophie, 1801 zum ordentlichen Professor der Geschichte, später zum Hofrat und 1837 zum Geheimen Justizrat ernannt. Als Lehrer wirkte er in seiner ersten Zeit sehr anregend und fruchtbringend; später schwand sein Einfluß, zumal es ihm an männlichem Charakter fehlte, und er hatte sich schließlich ganz überlebt. Er starb, fast verschollen, 6. März 1842. Von bedeutendem Einfluß auf die Entwickelung der deutschen Geschichtswissenschaft war, daß H. mit bahnbrechenden Werken ein Gebiet betrat, welches den bisherigen Geschichtsforschern ferner gelegen, nämlich das des Handels und Verkehrs und des damit in enger Wechselwirkung stehenden Staats- und Kulturwesens der alten Völker. Seine "Ideen über Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmsten Völker der Alten Welt" (Götting. 1793-96, 2 Bde.; 4. Aufl. 1824-26, 5 Bde.), ein nach Inhalt und Form klassisches Werk, sichern ihm für alle Zeit eine hervorragende Stelle unter den deutschen Historikern. Nicht weniger bedeutend waren die für die damals in Göttingen begonnene "Geschichte der Künste und Wissenschaften" unternommene Bearbeitung der "Geschichte des Studiums der klassischen Litteratur seit dem Wiederaufleben der Wissenschaften" (Götting. 1797-1802, 2 Tle.; neue Aufl. 1822), die "Geschichte der Staaten des Altertums" (das. 1799, 5. Aufl. 1828) und die "Geschichte des europäischen Staatensystems" (das. 1800, 5. Aufl. 1830), welch letztere noch heute trotz der großen Fortschritte der historischen Wissenschaft ihren Wert hat. Der weite Überblick, die klare Erkenntnis der Gesetze und der tiefsten Ursachen der geschichtlichen Entwickelung sowie die feine künstlerische Darstellung zeichnen H. als Historiker vor allem aus. Außerdem sind zu nennen seine "Untersuchungen über die Quellen der vorzüglichsten alten Historiker und Geographen", welche in den Schriften der Göttinger Societät der Wissenschaften abgedruckt sind, seine gekrönte Preisschrift "Versuch einer Entwickelung der Folgen der Kreuzzüge" (Götting. 1808), seine Biographien Joh. v. Müllers (Leipz. 1810), Spittlers (Berl. 1812) und Chr. Gottl. Heynes (Götting. 1813) sowie viele andre in den "Vermischten historischen Schriften" (das. 1803-1808, 3 Bde.) gesammelte Abhandlungen. Mit Ukert begründete er 1829 das noch heute (unter Leitung von Giesebrecht) fortgesetzte großartige Sammelwerk "Geschichte der europäischen Staaten" und redigierte von 1833 bis 1840 die "Göttingischen gelehrten Anzeigen". Eine Sammlung seiner "Historischen Werke" erschien 1821 bis 1826 in 15 Bänden.

2) Friedrich, Chemiker, Neffe des vorigen, geb. 11. Aug. 1803 zu Hamburg, arbeitete in der Werkstätte des Mechanikers Repsold, studierte seit 1823 in Göttingen Chemie und Mineralogie, im Winter 1826 bis 1827 zu Paris in der Sorbonne bei Thénard, gründete dann mit seinem Bruder in Hamburg eine Fabrik für Stearinkerzen, welche aber nach zwei