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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Herakli; Herakliden; Heraklides; Heraklin; Heraklit

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Herakli – Heraklit

Herakli, Stadt am Marmarameere, s. Eregli 1).

Herakliden, die Söhne und spätern Nachkommen des Herakles, besonders die, welche nach der gewöhnlichen, nachhomerischen Sage mit Hilfe der Dorier das von ihrem Ahnherrn ererbte Recht auf die Peloponnes geltend machten und in den von den Doriern eroberten Landschaften (Argolis, Lakonien, Messenien) als Könige herrschten. Das delphische Orakel hatte dem Hyllos (s. d.), dem Sohn des Herakles, verkündet, er werde erfolgreich sein, wenn die H. die dritte Frucht (in richtiger Deutung: die dritte Generation) abwarteten. Nachdem Hyllos und dessen Enkel Aristomachos, durch mißverstandene Auslegung des Orakels irregeleitet, erfolglose Einfälle in die Peloponnes gemacht hatten und gefallen waren, bauten des Aristomachos’ Söhne Temenos (s. d.), Kresphontes und Aristodemos (s. d.), über den Sinn des Orakels aufgeklärt, an der Meerenge bei Naupaktos Schiffe und nahmen auf den Rat des delphischen Orakels den Oxylos (s. d.) als Führer an. So ging der Zug 80 Jahre nach Trojas Zerstörung, wie schon bei Thucydides der Zwischenraum zwischen diesen beiden Ereignissen sich angegeben findet, von Naupaktos nach dem molykrischen Vorgebirge und von da über die nur 5 Stadien breite Meerenge nach Rhion in der Peloponnes, während bei den frühern Zügen der Weg über den korinth. Isthmus genommen worden war. Nachdem sie in einer großen Schlacht den Tisamenos, den Sohn des Orestes, besiegt hatten, eroberten sie fast die ganze Halbinsel und losten sodann über die eroberten Länder. Temenos erhielt Argos, die Zwillingssöhne des Aristodemos, Prokles und Eurysthenes, Lacedämon, Kresphontes nach seinem eigenen Wunsch und durch List Messenien, Oxylos als Lohn für seine Führung Elis. – Die Ilias kennt dagegen H. nur zu Tiryns, auf Rhodus und Kos. (S. Tlepolemos.)

Heraklides (Herakleides), griech. Philosoph und Geschichtschreiber aus Heraklea am Pontus Euxinus schwarzen Meer), daher Ponticus genannt, schloß sich der Platonischen Akademie an, soll aber auch den Aristoteles noch gehört haben. Nach dem Tode des Speusippus (339 v. Chr.) kehrte er nach seiner Vaterstadt zurück und gründete dort eine eigene Schule. Er verschmolz Pythagoreische und Demokriteische mit Platonischen Anschauungen zu einer eigentümlichen Form des Atomismus. Er lehrte mit den Pythagoreern Hiketas und Ekphantus aus Syrakus die tägliche Achsendrehung der Erde und den Stillstand des Fixsternhimmels, wogegen ihm der Umlauf der Erde und der andern Planeten um die Sonne noch fremd war; nur den Merkur und die Venus ließ er als Trabanten um die Sonne kreisen. Er verfaßte außer philos., grammatischen, rhetorischen und andern Schriften auch einige Werte histor. Inhalts. Ob aber die unter seinem Namen überlieferten Excerpte über griech. Staatsverfassungen auch nur zum Teil aus seinen Schriften herrühren, ist streitig. Sie sind am besten von Schneidewin (Gött. 1847) und in Müllers «Fragmenta historicorum graecorum», Bd. 2 (Par. 1853) herausgegeben. Zwei erhaltene kleine Schriften, die «Allegoriae Homericae» (hg. von Mehler, Leid. 1851) und «De incredibilibus», kritisch berichtigt in Westermanns «Mythographi» (Braunschw. 1843), rühren sicher nicht von H. her; sie werden mit mehr Recht einem Heraklitus (oder zwei Männern dieses Namens) zugeschrieben. (S. Mythographen.) ↔

H. von Tarent, um 230 v. Chr., war der ausgezeichnetste Arzt der empirischen Schule, vorzüglich um die Arzneimittellehre durch zahlreiche zweckmäßige Vorschriften verdient. Er war auch der erste, der sich sog. kosmetischer Mittel bediente. Ebenso förderte er Chirurgie und Augenheilkunde.

Heraklin, ein Sprengstoff, gehört zu den Pikratpulvern (s. d.), ist 1875 erfunden und besteht aus Pikrinsäure, Kalisalpeter, Natronsalpeter, Sägespänen und Schwefel. Die Anfertigung und der Gebrauch sollen völlig ungefährlich sein.

Heraklit (Herakleitos), griech. Philosoph aus Ephesus um 500 v. Chr., war an den polit. Kämpfen seiner Stadt nicht unbeteiligt; in zornigen Worten tadelt er seine Mitbürger wegen der Verbannung des edlen Hermodor. Auch über die Nichtigkeit der herrschenden Götterverehrung sowie des Mysterienwesens läßt er sich aus. Sein Werk «Über die Natur» war wegen seiner Schwerverständlichkeit, woher H. den Beinamen «der Dunkle» hatte, berühmt; es entwickelte seine Lehren nicht in logischem Gedankenfortschritt, sondern in tiefsinnigen Sprüchen. Stolz lehnt er ab, von irgend jemand gelernt zu haben als von sich selbst und der «Vernunft des Alls», deren Offenbarungen vor jedem offen daliegen. Der Sinneswahrnehmung mißtraut er nicht, da wir durch sie eben mit der Weltvernunft Zusammenhang haben, fordert aber verständige Deutung des Wahrgenommenen; vom Sichtbaren soll man aufs Unsichtbare schließen. Alles ist im Strome des Werdens begriffen und damit im Widerstreit positiver und negativer Bestimmungen, der eben das Wesen des Werdens ausmacht. Werden ist Entzweiung, Streit, Dissonanz, die sich lösen muß in der «unsichtbaren Harmonie» des Gesetzes. Nur ein anderer Ausdruck für die ewige Wandelbarkeit ist es, wenn er als Urstoff und zugleich Urkraft des Universums das Feuer annimmt; es ist das ewig Bewegliche, Lebendige, es setzt sich um in Alles und Alles in es, wie Ware in Gold, Gold in Ware. Diese Gesetzmäßigkeit im Werden des Alls ist eben die Vernunft und Gerechtigkeit des Alls, nicht getrennt vom Stoffe selbst. Alles menschliche Gesetz ist nur eine schwache Nachahmung des göttlichen sowie die menschliche Seele nur ein Ausfluß der Allvernunft, von der getrennt sie erlischt wie die vom gemeinsamen Herd getrennte Kohle. Die Gestalten der populären Religion, die er nach dem Wortverstande als Lüge der Dichter verwirft, verwendet er frei zum dichterischen Ausdruck von Naturkräften; das Göttliche ist ihm überhaupt nicht getrennt vom Natürlichen. Entstanden ist die Lehre wohl hauptsächlich durch Anregung Anaximanders (s. d.). Ihre Fortwirkung war eine sehr bedeutende; alle folgenden Systeme sind irgendwie von ihr beeinflußt; erneuert wurde sie namentlich von den Stoikern. – Vgl. Schleiermacher, Sämtliche Werke, Abteil. 3: Zur Philosophie, Bd. 2 (Berl. 1838); Jak. Bernays, Gesammelte Abhandlungen, hg. von H. Usener, Bd. 1 (ebd. 1885); Lassalle, Die Philosophie H.s des Dunkeln (ebd. 1858; 2. Aufl., Lpz. 1892 fg.); Schuster, H. von Ephesus (in den «Acta societatis philologiae Lipsiensis», hg. von F. Nitschl, Bd. 3, Lpz. 1873); Bywater, Heracliti Ephesii reliquiae (Oxf. 1877); Pfleiderer, Die Philosophie des H. von Ephesus im Lichte der Mysterienidee (Berl. 1886); Gomperz, Zu H.s Lehre und den Überresten seines Werkes (Wien 1887); Zeller, Philosophie der Griechen, Bd. 1 (5. Aufl., Lpz. 1892), S. 623 fg.