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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Hieraticum - Hierodulen.

die übrigen vier die Ordines non sacri oder minores. Die höchste Stufe, die des Bischofs, vor der auch der Papst in Bezug auf die Hierarchia ordinis nichts voraus hat, gewährt die Fähigkeit zur Firmung, zur Ordination der Kleriker und Degradation derselben, zur Einweihung der Kirchen, Altäre und heiligen Gefäße, zur Weihung des Chrismas und des Katechumenen- und Krankenöls, zur Salbung der Könige, zur Einsetzung der Äbte und Einkleidung der Nonnen. Die nächstfolgende Stufe des Priesters befähigt zur Verwaltung der übrigen, den Bischöfen nicht vorbehaltenen Sakramente, namentlich des Abendmahls und der Buße. Die weitern Stufen des Diakons, Subdiakons und Akoluthen beziehen sich ebenfalls vornehmlich auf die Celebration der Messe, wobei der Diakon den celebrierenden Priester bedient, namentlich das Evangelium verliest, dann der Subdiakon wieder dem Diakon zur Hand geht, die heiligen Gefäße reinigt, Brot und Wein herbeibringt etc. und der Akoluth endlich beiden behilflich ist, insbesondere die Lichter bei der Messe besorgt. Das Geschäft des Exorzisten besteht in dem Exorzismus (s. d.), das des Lektors in dem Vorlesen der Perikopen aus der Heiligen Schrift und endlich das des Ostiarius in der Verwahrung der Kirchenschlüssel. Da die untersten Stufen dieser H. meist nur als Übergangsstufen zu den höhern Ordines angesehen werden, so pflegen die auf jenen stehenden Personen die damit verbundenen Funktionen meist von andern, die zum Teil selbst dem Stande der Laien angehören, verrichten zu lassen. Die Hierarchia jurisdictionis s. regiminis gliedert sich in Papst, Kardinäle, Patriarchen, Exarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe, Archipresbyter, Presbyter, Archidiakonen, Diakonen, der thatsächlichen Situation nach in Papst, Bischöfe und Pfarrer. Der Papst gilt als das Oberhaupt der ganzen Kirche: nach dem sogen. Papalsystem wird er als unumschränkter Monarch der Kirche angesehen, dem kraft göttlicher Einsetzung die ganze Fülle der Kirchengewalt (plenitudo potestatis) zustehen soll, während ihm nach dem Episkopalsystem nur eine beschränkte Gewalt zur Erhaltung der Einheit der Kirche und der Vorrang vor den übrigen Bischöfen eingeräumt, die Regierung der Kirche aber der Hauptsache nach in die Hände sämtlicher Bischöfe oder der allgemeinen Konzile gelegt wird. Dem Papst zur Seite stehen mehrere Regierungs- und Justizkollegien, deren Inbegriff man Curia romana nennt, und das Kardinalkollegium nebst den Kongregationen. Auf den Papst folgen die Patriarchen, deren Würde indes gegenwärtig nur noch eine titulare ist, dann die Primaten oder ersten Bischöfe der einzelnen Staaten, denen bei Nationalkonzilen der Vorsitz zusteht. Wichtiger als diese Zwischenstufen sind die weiter abwärts folgenden Stufen der Erzbischöfe oder Metropoliten, die eine gewisse Kirchengewalt in einer aus mehreren bischöflichen Sprengeln bestehenden Provinz ausüben, und der Bischöfe, welchen die Kirchengewalt in einem Sprengel zukommt, und denen die Konsistorien, Offizialate etc. als Regierungskollegien nach Art der Curia romana sowie die Domkapitel nach Art des Kardinalkollegiums zur Seite stehen. An die Bischöfe schließen sich die geringern Prälaten an, welche entweder über einen in keinem bischöflichen Sprengel liegenden Distrikt oder über eine zwar in einem bischöflichen Sprengel liegende, aber von der Gewalt des Bischofs eximierte Kirche (Kloster) eine gewisse Kirchengewalt, wie z. B. die Äbte, ausüben. Die unterste Stufe dieser H. nehmen die Pfarrer ein, d. h. die Priester, denen in einer Parochie das Amt der Seelsorge übertragen ist. Genaue Nachweise über den Personalbestand und den Organismus der römisch-katholischen H. gibt das unter dem Titel: "La gerarchia cattolica" in Rom jährlich erscheinende päpstliche Handbuch, welchem einige statistische Angaben im Artikel "Römisch-katholische Kirche" (s. d.) entnommen sind. - Das Wort H. wird zuweilen auch von der Rangordnung solcher Ämter gebraucht, welche außerhalb des Gebiets des "Heiligen" liegen; so die Ausdrücke politische, militärische H., H. des Staatsdienstes etc.

Hiëraticum (Hieratikon, auch Bema, griech.), in den griech. Kirchen der umgitterte Raum für die Geistlichen, besonders den Bischof; überhaupt das vom Schiff der Kirche getrennte hohe Chor.

Hiëratischer Stil (griech., "heiliger Stil", auch archaistischer Stil genannt), in der griech. Kunstgeschichte die bis in die Kaiserzeit, namentlich unter Hadrian, für gewisse Gegenstände forterhaltene Nachahmung des ältesten griechischen Skulpturstils. Man pflegte besonders Darstellungen an Kultusgeräten, (Altären, Weihwasserbecken etc.) in der alten Form auszuführen, die an dem starren, oft lächelnden Gesichtsausdruck, den gebundenen Gliedern, dem Schreiten auf den Fußspitzen, dem Anfassen mit steifen Fingern und der schematischen Gewandung (Zickzackfalten) hervortritt. Von den wirklich alten Werken unterscheidet man diese Nachahmungen an der weichern Ausbildung der Form, die sich bei dem spätern Künstler unwillkürlich einstellt, manchmal auch an Nebendingen. Wenn z. B. in einem Relief des Berliner Museums Apollon in altertümlich gefalteter Chlamys vor einem korinthischen Tempel opfert, so weiß man, daß das Werk nicht vor dem 4. Jahrh. v. Chr. entstanden sein kann, weil die korinthische Ordnung nicht früher vorhanden war. Das berühmteste Beispiel dieses nachgeahmt-altertümlichen Stils ist die sogen. Dresdener Dreifußbasis, an welcher die Ornamente in viel freierer Manier gebildet sind als die Figuren, welche sie einschließen.

Hiëratische Schrift, s. Hieroglyphen.

Hier gelegt oder Hier genommen, kaufmännischer Ausdruck, s. v. w. ab hier (s. Ab).

Hiëro, s. Hieron.

Hiërochloë Gm. (Darrygras), Gattung aus der Familie der Gramineen, ausdauernde Gräser mit ausgebreiteter Rispe und glockenförmigen, dreiblütigen, meist bräunlichgelben, glänzenden Ährchen, in denen nur das mittlere Blütchen Samen trägt. H. odorata Wahl (Mariengras), mit kriechender Wurzel, unten blattlosem Halm, lanzettförmigen, kurzen Blättern, fast einseitig gedrängter Rispe, wächst auf den Moorwiesen des nordöstlichen Deutschland, der Voralpen und in Böhmen, in der Regel aber nur sparsam, und enthält Cumarin. Es eignet sich daher zur Maiweinbereitung und wird zu diesem Zweck und zur Darstellung aromatischer Essenzen in Gärtnereien kultiviert. Bei der Verfütterung verbessert es Qualität und Quantität der Milch und Butter. Man muß es hierbei zur Hälfte oder zum dritten Teil mit Heu mischen. Leider kann es nicht aus Samen gezogen werden, da derselbe sehr schlecht keimt; einmal gepflanzt, vermehrt es sich aber sehr schnell durch die kriechende Wurzel.

Hiërodrama (griech.), s. v. w. geistliches Schauspiel.

Hiërodulen (griech., "Tempeldiener"), in weiterer Bedeutung s. v. w. Priester überhaupt, in engerer die Gehilfen der Priester beiderlei Geschlechts, aus